Der Polizeipräsident gruppierte die Stühle seines Büros zu einem Sitzkreis, bat alle, Platz zu nehmen. Mary brachte ein Tablett mit Gläsern und Erfrischungsgeräten, das Stefan ihr abnahm und auf ein kleines Tischen zwischen sie alle stellte.
Die Sekretärin lächelte ihn an, wie auch die beiden anderen Polizisten, wackelte beim Hinausgehen etwas mehr als sonst mit dem Hinterteil.
Dr. Simonek und Lena tauschten einen belustigten Blick.
Dann begann Lena zu erklären, was sie ins Präsidium geführt hatte. Die Augen der drei Beamten wurden immer größer, sie vergaßen beinahe zu atmen.
Vor allem Gernot fiel ein Felsbrocken von der Seele.
Kein Anpfiff!
Keine Diszi!
Die junge, schöne Frau und ihr Mann, den er so gequält hatte, boten ihnen Hilfe an bei ihrem Kampf gegen das Böse!
„Ich habe mir gedacht, wir machen heute so eine Art Brainstorming, wo es am meisten fehlt. Vor allem beim Personal und bei der technischen Ausstattung. Vielleicht könnte man auch Schulungen vom Bundeskriminalamt bekommen, vielleicht bräuchte es auch psychologische Unterstützung. Mein Vater, der Justitiar unserer Stiftung, wird alles durchrechnen. Dann werden wir sehen, was wir mit dem Grundkapital leisten können. Im Bedarfsfall werden wir die Summe aufstocken, wir werden auch versuchen, Spendengelder zu ergattern und an die Verteilung von Bußgeldern zu kommen."
Ihr Tablet hielt sie schon auf dem Schoß.
Vier bewundernde männliche Augenpaare hingen an ihr. Sie war wirklich viel mehr als ein schönes Püppchen, aber das hatten ja die vier Herren schon erlebt.
Eine Stunde lang redeten sie sich die Köpfe heiß, Lena tippte die Vorschläge ein. Dann bat sie Dr. Simonek um seine Mailadresse, sandte das Dokument an ihn. Er forderte Mary auf, die Stoffsammlung fünfmal ausdrucken zu lassen.
Als die Vorzimmerdame so rein zufällig las, was die Männer und die aufdringliche Dame zu besprechen gehabt hatten, erstarrte sie kurz. Da hatte sie jemandem wohl bitter Unrecht getan! Die Kleine war ja der Hammer.
Ihr Blick ging zum Fenster hinaus, war tränenblind.
Lange hatte sie nicht mehr daran gedacht!
Als Vierjährige hatte ihr Vater sie missbraucht!
Drei Jahre lang!
Niemand hatte ihr geglaubt, niemand hatte ihr glauben wollen!
So etwas gab es nicht in ihrer Familie.
Erst die aufmerksame Lehrerin der ersten Klasse hatte Spuren und Verhaltensweisen richtig gedeutet, hatte dafür gesorgt, dass sie einen Platz in einer liebevollen Pflegefamilie bekam, ihre Eltern nie wieder sehen musste.
Als Dr. Simonek nachsah, wo seine Sekretärin denn abblieb, wischte sie sich schnell die Augen trocken, hob ihren Kopf.
Nicht unterkriegen lassen! ermahnte sie sich – wie schon so oft.
Doch dann beschloss sie, dass nicht sie als Opfer die Starke spielen musste wie all die Jahre.
„Das alles betrifft mich sehr!" sagte sie leise zu ihrem Chef und zeigte auf die Ausdrucke. Sie nahm ihre Geldbörse, zog zwei Hunderter heraus, legte die Scheine auf die Papiere.
„Gehe ich eben diesen Monat nicht zum Friseur, und die neuen Schuhe brauche ich auch nicht wirklich!" erklärte sie Lena, die mit Alessia an der Hand zu den beiden getreten war.
Die Kleine musste auf die Toilette.
Lena drückte die Hand der fremden Frau, die sie für so unsympathisch gehalten hatte. Hier hatte ihre Menschenkenntnis wohl versagt, hier hatte sie sich von einem Schutzwall täuschen lassen.
„Danke!" sagte sie leise. „Mein Mann und ich haben vereinbart, an jede Spende eine Null anzuhängen!" Dann ging sie schnell mit ihrer Tochter hinaus.
Dr. Simonek sah Mary an, die seinem Blick nicht auswich. Auch er hatte sich wohl von dem aufgetakelten Aussehen, von manch einer Aufmüpfigkeit täuschen lassen.
Hatte die Rolle, die sie gespielt hatte, nicht durchschaut.
Und er wusste, dass sie wohl seine letzte Vorzimmerdame bleiben würde.

DU LIEST GERADE
Stark
RomanceStark musste Lena ihr ganzes Leben lang sein. Als ungewolltes Kind wuchs sie bei einer bigotten Mutter und ebensolchen Großeltern auf. Doch das hat sie ihren Lebensmut nicht verlieren lassen. Stark musste auch Alex sein, als sein Vater tödlich verun...