Kapitel 38

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Eine Woche später hatte sie die Zusage für einen Studienplatz, eine Wohnung und einen Platz in einer Krabbelstube der Uni in München.
Nach einer weiteren Woche packte sie ihre Sachen, die sie vor Alex besessen hatte, in einen Koffer. Das Geld, das er auf ihr Konto per Dauerauftrag einbezahlt hatte, hob sie ab und legte es auf den Küchentresen. In letzter Minute fand auch noch das Handy, das er gekauft hatte, daneben Platz.
Sie hatte ihr altes Smartphone wieder aufgeladen und in ihre Handtasche gepackt.

Nur ihr Auto nahm sie mit. Sie würde ihm den Kaufpreis auf Heller und Pfennig zurückerstatten.
Unterwegs rief sie über die Freisprechanlage bei Chris, dem Trucker an. Sie musste mit irgendjemandem reden, sonst erstickte sie an all den ungeweinten Tränen.
Bisher war sie zu beschäftigt gewesen, um zu trauern. Um ihre Liebe, ihre wunderbares Leben, ihre verlorene Zukunft!

Jetzt, alleine auf dieser endlosen Autobahn, brach die Verzweiflung über ihr zusammen. Vielleicht war ja einer der Trucker-Freunde in der Nähe von München, konnte sich mit ihr treffen, konnte die Einsamkeit für ein paar Stunden vertreiben.
Konnte sie vielleicht wieder einmal zum Lachen bringen!


„Hey, Baby! Ich sehe deine alte Nummer?" fragte Chris überrascht.
„Ja! Es ist noch mehr wieder beim Alten! Alex hat mich verlassen!" Nun rollten auch wieder die Tränen. Sie konnte an ihn denken, konnte ihre Wut anschüren, aber sich selbst diesen Satz sagen zu hören, überstieg ihre Beherrschung.

„Haha! Haben wir den 1. April?" Er nahm sie nicht im Geringsten ernst.
„Doch! Es ist so! Wir haben seine Tochter zu uns geholt, sie war ihm zu laut und ich nicht mehr hübsch genug!" erklärte sie.

Chris setzte sich auf den Randstein, er macht gerade Pause.
„Lena! Verarsch mich nicht!" Normalerweise sprach er nicht so mit einer Lady, schon gar nicht mit ihr, dem Engelchen von ihm und seinen Freunden, aber das war so unglaublich, er konnte, was sie da erzählte, nur für einen schlechten Scherz halten!

„Hör zu: Wenn ich überhaupt je etwas von der Liebe verstanden habe, dann weiß ich, dass Alex dich liebt, wirklich liebt!" Er sprach sehr eindringlich. „Hast du versucht ihn zu erreichen, mit ihm zu sprechen?"
„Pah! Wer bin ich denn! Er hatte vier Wochen Zeit! Vier Wochen, Chris! Das ist nicht nur ein wenig bocken!" wehrte sie ab. Dann erzählte sie von allem, was sie unternommen hatte, um aus seinem Leben zu verschwinden.
Chris hörte atemlos zu. „Aber das mit dem Kind wirst du nicht lang so durchziehen können!" gab er zu bedenken.
„Warum? Keiner will sie!" konterte sie. „Soll sie in ein Heim oder zu fremden Menschen?"

Maria

Maria freute sich über die Nachricht ihrer Tochter, auch wenn sie etwas erschöpft geklungen hatte. Aber dann hatte Jakob angerufen, sich mit ihr verabredet. Sie schwebte zur Zeit auf Wolke sieben!
Lenaschatz, du bist ja in besten Händen! Und ich habe auch das Recht auf ein wenig Glück! dachte sie.

Am nächsten Tag fand sie schon wieder einen Text von Lena, aber ein wichtiger Gerichtstermin lenkte sie ab.
So ging es ein paar Tage – immer war etwas Dringendes zu erledigen.
Als sie endlich Zeit fand zu antworten, war nur die Mailbox erreichbar.

„Hallo, Kleine! Entschuldige, dass ich mich erst jetzt melde! Aber ich hatte echt Stress!" sprach sie gutgelaunt darauf. Erst Tage später wunderte sie sich, dass Lena sich nicht mehr gemeldet hatte.
Sie rief an, textete - keine Resonanz!
Na, ist sie wieder einmal eingeschnappt! Das Glück mit Jakob ließ sie alles durch die rosarote Brille sehen.

Sie fuhr zur Wohnung, die ihr Kind sich mit diesem tollen Typen, den sie sich geangelt hatte, teilte, klingelte wieder und wieder.
Schließlich öffnete sich ein Fenster ein Stockwerk tiefer. „Lena ist abgereist! Mit einem Koffer und dem Kind!" verkündete der genervte Nachbar und schloss das Fenster wieder.
Maria blieb das Herz fast stehen. Lena weg? Und mit einem Kind?

Olivia und Bill

„Sie ist weg! Sie ist nach München gegangen!" knallte Livy ihrem Freund entgegen.
Er verstand nur Bahnhof „Wie? Was? Warum?" stammelte er.
„Sie war ein paar Tage nicht an der Uni. Ich habe den Proff gefragt! Sie ist nach München an die Uni!" berichtete sie, und Tränen liefen ihr übers Gesicht. „Du und deine Ansichten!"

„Und Alex?" fragte er verunsichert.
„Keine Ahnung! Er geht nicht ran, wenn ich anrufe. Er antwortet nicht auf meine Nachrichten!" heulte sie.
„Scheiße!" brachte Bill nur heraus.
„Ja, genau! Scheiße! Du hast uns verboten, uns um die beiden zu kümmern!" fauchte sie ihn an.
Bill sank in sich zusammen. Da hatte er wohl ordentlich Mist gebaut! Er war so sicher gewesen, dass die beiden es schaffen würden! Aber er hatte sich wohl geirrt! Sie schienen richtig große Probleme zu haben! Probleme, die die Familie vielleicht hätten verhindern können!

„Und das Kind?" fragte er nach.
„Das Kind! Das Kind! Immer dreht sich alles um das Kind! Mir steht mein Bruder näher, und auch Lena!" Olivia war auf hundert.
Bill versuchte, sie in die Arme zu nehmen, doch sie sperrte sich. „Wir haben dir geglaubt! Wir haben dir vertraut!" Sie wusste, dass sie ungerecht war, aber sie war auch verzweifelt!
Wenn sie Lena und ihren vergötterten Bruder unterstützt hätten in dieser verfahrenen Situation, wäre es sicher nicht so weit gekommen!

Sie sprang auf. „Ich fahre zu Mama! Vielleicht weiß die mehr!"
„Ich komme mit!" sagte Bill bestimmt und nahm sie in die Arme. „Bitte, Olivia!"
Und sie konnte seinem Dackelblick nicht widerstehen.

Sabine war auch ziemlich fertig, als sie alles von Livy gehört hatte. „Er geht auch bei mir nicht ran! Ich habe gedacht, ich störe vielleicht! Aber warum ist Lena nachMünchen gegangen?"

„Ja, sie wird sich halt von Alex getrennt haben!" fauchte Livy. „Oder er sich von ihr!"

„Und das Kind?" fragte Sabine. Irgendwie war ihr jetzt erst bewusst geworden, dass die Kleine ihr Enkelkind war! Dabei hatte sie das Mädchen nicht ein einziges Mal gesehen. Sie hatte auf Bill gehört, hatte gedacht, dass er recht hatte.

Olivia war auch ein rechtes Schreikind gewesen, das hatte sich aber dann bald gelegt.
Sie hätten sich nicht so von Lena und Alex fernhalten sollen! Sie hätte ihren Sohn unterstützen müssen!
Aber Bill war sehr überzeugend gewesen. Es hatte ja auch ziemlich logisch geklungen, wie er argumentiert hatte. Sie müssten das selbst, aus eigener Kraftschaffen, sie mussten versuchen, das Kind zu lieben, sie beide als Paar. Wenn sie das nicht schaffen würden, müssten sie eben andere Wege suchen. Aber es gab hier keine halbherzige Entscheidung, Alessia war nicht ein bisschen seine Tochter, sondern ganz. Zu dritt fuhren sie zur Wohnung, läuteten Sturm, doch niemand öffnete


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