Kapitel 69

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Lena und Alex – der Albtraum – November

Alex war gerade zur Arbeit gefahren. Natürlich war er wieder zu spät dran, weil sein Liebchen so entzückend ausgesehen hatte, als es die Augen aufgemacht und ihn angelächelt hatte. Er wollte sich zusammenreißen, hatte das Maulen seine Freundes aushalten wollen, doch dann hatte er sich die einzig wichtige Frage gestellt: „Warum?"

Warum sollte er ihrem süßen Locken nicht nachgeben?
Er war heiß auf sie, er war vernarrt in sie, er war jung, und er war grenzenlos verknallt!
Also zog er sich wieder aus, legte sich neben sie, ließ seine hungrigen Hände frei. „Hab's mir überlegt!" sagte er nur, bevor er begann, sie zu küssen.

So duschte er eben noch einmal, zog sich wieder an, sprang glückselig die Stufen hinunter.

Lena räkelte sich wohlig, atmete seinen Duft ein, der in seinem Kissen hing, als es an der Türe läutete.
Ist die Post heute schon da? dachte sie. Aber sie hatte gar nichts bestellt. Vielleicht ein Päckchen für die Nachbarn!
Sie schlüpfte in ihren Morgenmantel, lief barfuß zur Türe, drückte den Knopf der Sprechanlage.
„Ja, bitte?" fragte sie.

Lena

„Frau Borchert! Öffnen Sie bitte!" Eine sehr ernste Männerstimme war zu hören.
„Worum geht es?" Sie konnte ja nicht wildfremde Männer ins Haus lassen.
„Polizei! Öffnen Sie bitte die Türe!"

Sie bekam den Schreck ihres Lebens. Mein Gott! War Alex etwas passiert?
Sabine?
Ihrem Vater?

Olivia?
Bill?
Einem der Freunde?
Panisch drückte sie auf den Öffner, legte eine Hand auf ihr rasendes Herz.
Ein Beamter in Uniform stapfte die Stufen herauf, ihm folgte eine ziemlich übergewichtige Dame in einem mausgrauen Kostüm.

Der Polizist hielt ihr ein Blatt Papier unter die Nase, auf dem sie nur eine Reihe von amtlichen Siegeln wahrnahm.
Lesen oder verstehen konnte sie kein Wort. „Was ist passiert?" fragte sie beinahe ohne Stimme.
„Das ist ein amtlicher Beschluss. Wegen Kindeswohlgefährdung müssen wir Alessia Borchert unter amtliche Fürsorge stellen. Wir bitten Sie, uns keine Schwierigkeiten zu machen und uns das Kind zu übergeben!" erklärte der junge Mann, wich aber ihrem Blick aus.

Lena wurde kreidebleich. „Was? Wie? Kindeswohlgefährdung? Was heißt das denn? Wir sind gerade aus dem Urlaub zurückgekommen! Wir waren eine Woche lang in Südtirol! Wer soll denn da Alessias Wohl gefährdet haben?" Die Worte strömten nur so aus ihrem Mund.
„Können wir das drinnen besprechen?" mischte sich die Frau ein.
Lena stellte sich in den Türrahmen. „Nein! Nein, nicht so lange ich nicht weiß, was hier vorgeht!"

Der Polizist versuchte sie wegzuschieben.
„Fassen Sie mich nicht an!" fauchte sie. „Oder ich schreie das ganze Haus zusammen! Zeigen Sie mir Ihre Ausweise!"

Sie las die Karten aufmerksam. „Polizeihauptmeister Jürgen Kowohl!" sprach sie den Beamten an. „Sie wollen also allen Ernstes unsere Tochter mitnehmen? Warum denn?" Sie hatte Angst, jede Minute umzukippen. „Ich muss meinen Mann anrufen! Er muss kommen!"
„Nein, das wollen wir nicht! Wir haben extra gewartet, bis er aus dem Haus ist!" erklärte Marga Schneider vom Jugendamt, wie Lena gelesen hatte.

Die beiden schafften es schließlich doch, sich an Lena, die keine Kraft mehr zur Gegenwehr hatte, vorbei zu schieben.
„Gegen Ihren Mann liegt eine Anzeige vor, die wir vom Jugendamt sehr ernst nehmen. Deshalb sehen wir uns gezwungen, Ihre Tochter in Gewahrsam zu nehmen, um sie zu schützen." erklärte die graue Maus.
„Kollegen sind in der Firma von Herrn Dr. Borchert, um ihn festzunehmen!" führte der Polizist weiter aus.

Um Lena drehte sich alles.
Gewahrsam!
Anzeige!
Festnehmen!
Alex!

War sie in einem fürchterlichen Albtraum gefangen?
Warum weckte er sie denn nicht auf?
Das machte er doch sonst immer!

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