Kapitel 88

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Die Zukunft

Lena studierte sehr engagiert, arbeitete viel ehrenamtlich für die Sozialstation mit Stefan Bauer zusammen, dem jungen Polizisten, der seinen Weg gehen würde. Alex und sie würden sicher das eine oder andere unternehmen, um den jungen Mann bei seiner Karriere zu unterstützen. Solche Beamte wie ihn brauchte die Welt.

Evi hatte die Therapie tatsächlich begonnen, zu der Bill ihr verholfen hatte. Dr. Petersen ging nicht zimperlich mit ihr um, legte die Finger konsequent in die Wunden, um ihr ihre zahlreichen Verfehlungen klar zu machen. Immer wieder hatte sie Rückfälle, suchte die Schuld an allem bei Lena und Alex, doch sie hielt durch. Ihre Einsicht begann zu wachsen, sie begriff langsam, aber kontinuierlich, was sie einem jungen Mann angetan hatte, der eigentlich nur ein paar unbeschwerte Urlaubstage hatte verbringen wollen - damals. Sie verstand auch zunehmend, dass sie wohl nicht fähig war zu lieben, was sich an der Ablehnung des eigenen Kindes am besten zeigte. An dieser psychischen Störung würde sich auch wohl nichts ändern lassen, wie der Therapeut ihr klar machte.

Das Haus von Lena und Alex neben der Fabrik wurde endlich fertig – nach einigen weiteren, wortreichen Auseinandersetzungen mit dem schwer in Alex verknallten Architekten. Es war schließlich genauso geworden, wie sie es sich vorgestellt hatten – ein Haus, in dem man als Familie leben und sich wohlfühlen konnte.
Sicher etwas größer, als Otto Normalverbraucher es sich leisten konnte, aber weder protzig noch überdimensioniert.
Der Umzug wurde zu einem Happening. Die ganze Familie und viele Angestellte des Werkes halfen mit.

Alessia verstand nicht so ganz, warum sie nicht in der schönen Wohnung bleiben konnten. Da waren doch der Onkel Bill und die Tante Olivia ganz in der Nähe, und auch Giovanni, der wenigstens kochen konnte. Aber der Papa erklärte ihr geduldig, dass das neue, große Haus nah bei seiner Arbeit lag, er deshalb zu Fuß hingehen konnte, er oft schnell mal nach Hause kommen würde oder die Mama mit ihr zu ihm kommen konnte. Dass er außerdem ganz einfach Essen von der Kantine mitbringen würde, das dann auch noch warm war. Er nahm sie mit an seinen Arbeitsplatz, platzte vor Stolz über seine coole Tochter, die alle Herzen im Sturm eroberte. Nach einem Mittagessen im Casino war die Kleine dann restlos überzeugt und beschloss, dass die Möglichkeiten in dem neuen Haus nicht zu verachten wären.

Die erste Nacht im neuen Domizil wurde das Happening Nummer zwei für Lena und Alex. Er hatte seine beiden Schönheiten über die Schwelle getragen, seine große Süße danach kaum noch loslassen können. Als Alessia sehr müde von dem aufregenden Tag ins Bett gefallen war, konnten die Eltern endlich das riesige Doppelbett einweihen. Und sie taten es ausgiebig!
Kurz erinnerte sich Alex an den Plan des Architekten mit den getrennten Schlafzimmern, und er bekam einen Lachanfall. Da hätte er wohl gleich in der ersten Nacht einen Durchbruch in die Trennwand geklopft.
Lena sah ihn fragend an. Sie liebte es, wenn er so losgelöst lachen konnte, aber den Grund dafür hätte sie schon gerne erfahren. Als er ihr seine Gedanken mitteilte, grinste sie ihn an.
„Er hat wohl gehofft, sich in der Nacht zu dir schleichen zu können!" zog sie ihn auf.
Alex schüttelte sich. Er war nicht im Geringsten homophob, jeder sollte auf seine Weise leben und lieben.
Doch verstehen konnte er es nicht, dass ein Mann auf die Idee kommen konnte, er würde ihn diesem bezaubernden Wesen vorziehen.
Er zeigte es ihr in dieser magischen Nacht einige Male, wie bezaubernd er sie fand.
Dankbar nahm er natürlich auch die Wohltaten an, die sie seinem Körper bot.
Ihre Nächte waren immer ein Geben und Nehmen. Von Anfang an war sie sehr aktiv beim Sex gewesen, sehr aktiv und sehr begabt. Aber das machte nur einen Teil ihrer Anziehungskraft auf ihn aus. Keinen unbedeutenden Teil – er war schon der Meinung, dass es auch im Bett stimmen musste bei einem Paar. Und sie teilte seine Meinung eins zu eins. Sie hatten sich oft darüber ganz offen unterhalten.
Bevor sie vollkommen verschwitzt in dem zerwühlten Bett einschliefen, wollte er wieder den dummen Satz sagen, der sie damals so verstört hatte, als sie bei ihm eingezogen war. Den mit dem Traum in der ersten Nacht. Aber er schluckte ihn gerade noch hinunter.

Am nächsten Morgen tanzte eine aufgedrehte Alessia ins Schlafzimmer. Sie hatte supergut in ihrem neuen Zimmer geschlafen, wollte das den Eltern unbedingt berichten.
Doch der Papa gab so komische Geräusche von sich. Schnarchen hieß das, wie sie glaubte. Das bedeutete, dass er noch fest schlief. Kein Wunder, die beiden hatten ja die halbe Nacht gelacht. Sie hörte das immer, drehte sich dann glücklich in ihrem Bett um. Es war schön, wenn der Papa und die Mama immer so lachten!
Sie wusste zwar nicht, warum sie das taten, aber sie war ja noch klein!
Ging sie eben in ihr wunderschönes Prinzessinnenzimmer und malte und spielte ein bisschen.

Als Lena kurz nach elf auf die Uhr sah, sprang sie aus dem Bett wie von der Tarantel gestochen. Mein Gott! Ihre Tochter hatte sich gar nicht gemeldet! Doch sie fand die Kleine wohlbehalten über dem Malbuch, das der Papa ihr mitgebracht hatte. Als sie sie hochhob und abküsste, hörte sie, wie ihr Magen knurrte. Sie bekam ein fürchterlich schlechtes Gewissen.
„Alessia! Süße! Du musst uns aufwecken, wenn du Hunger hast!" stieß sie hervor.
Das Mädchen grinste sie an. „Passt schon!" meinte sie lakonisch. „Ihr habt so viel lachen müssen heute Nacht! Da weiß ich doch, dass ihr am Morgen müde seid!"
Lena sah die Tochter ihres Herzens glücklich an. „Vielleicht mache ich dir immer ein paar Brote zur Sicherheit, wenn ich weiß, dass der Papa und ich viel lachen müssen in der Nach!"
Alessia hielt ihre Hand hoch, um sich mit der Mama abzuschlagen. „Deal!" erklärte sie. Lena hatte keine Ahnung, wo die Kleine das wieder aufgeschnappt hatte. Sie war der reinste Staubsauger, was Worte und Ausdrücke betraf.


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