insomnia/ panic attack
-----------Ich schaffe es nur eine halbe Stunde zu schlafen, dann bin ich wieder wach. Ich ringe mit mir selbst, ob ich an mein Handy gehen, oder versuchen soll weiter zu schlafen. Meine Gedanken schalten den Verstand aus. Ich greife über meinen Kopf auf den kleinen Schrank und bekomme mein Handy zu fassen. Ich mache es an und muss mich für einen Moment an das Licht gewöhnen, was mir trotz Night Shift und Blaufilter unglaublich grell ins Gesicht scheint.
Ich öffne Instagram. Diverse neue Storys springen mir entgegen und geduldig klicke ich mich durch alle durch. In den meisten sehe ich immer noch Videoausschnitte vom gestrigen Abend. Ich suche mir eine Story auf der ich gut zusehen bin, die nicht verwackelt gefilmt ist und so ziemlich alle, von überwiegend meinen, Tanzszenen beinhaltet. Ich gucke alles durch, ohne richtig aufzunehmen, was alles passiert ist. Wieder und wieder. Ich versuche mein Tanzen zu analysieren und zu verstehen, was San so perfekt fand, aber alles was ich finde sind bloß immer und immer mehr Fehler und unsaubere Schritte.
Ich bereue immer mehr, dass ich einfach frei getanzt und nicht auf jegliche Technik geachtet habe. Gerade als ich meine Benachrichtigungen noch einmal durchgegangen bin und mich damit abgefunden habe, dass San mich in seiner Story gepostet hat, stoße ich auf etwas, was ich wirklich nicht erwartet hätte.
@young.soon folgt dir jetzt. Ich muss nicht auf den Account klicken um zu wissen, dass das mein Cousin ist. Es versetzt mir einen unbestimmten Stich, dass er diesen Namen gewählt hat, den Siyoung und ich ihm damals gegeben haben. Ich muss nicht auf den Account klicken um zu wissen, dass ich absolut nichts finden werde. Seufzend klicke ich mich zurück auf mein Profil und betrachte wie die Followerzahl gestiegen ist. Wegen Videos auf denen ich getanzt habe. Ich schalte mein Handy aus und lege es zurück auf die kleine Ablage am Kopfende.
Aber auch jetzt kann ich nicht wirklich schlafen. Ich gucke an die Decke. Das Rollo für mein Fenster, aus dem ich geradewegs in den Himmel schauen kann, ist zugezogen und ich habe auch keine Lust, geschweige denn Motivation und Kraft, es wieder zu öffnen. Ich will wieder zu meinem Handy greifen und Musik anmachen. Aber nicht nur die erneute Aktivierung und das dadurch freigesetzte Licht der Digitalanzeige halten mich davon ab. Ich werde ja trotzdem nicht schlafen wenn der Timer aufhört. Dafür habe ich viel zu viel im Kopf.
Ich drehe mich vom Rücken auf die Seite und erkenne die Umrisse meines Schreibtisches. Daneben steht meine Kleiderstange und obwohl da momentan alles Mögliche hängt, stechen drei Kleidungstücke besonders hervor. Die Hose und die Jacke, die ich gestern Abend getragen habe. Und Sans Pulli, den ich ihm immer noch nicht zurückgegeben habe.
Schlagartig spielt mein Kopf in Dauerschleife alle Situationen ab, die ich im Zusammenhang oder unmittelbar mit San schon erlebt habe, sowie alle Gedanken, die ich mir während der letzten Woche zu ihm gemacht habe. Ich versuche mir einen Überblick zu verschaffen, aber es läuft alles umso schneller ab und wird immer unkontrollierter. Krampfhaft versuche ich mich auf eine Sache zu fokussieren und meinen Gedankenstrom anzuhalten, was mich aber nur dazu führt, dass ich anfange mir neue Situationen auszumalen.
Ich schließe meine Augen und presse die Lieder fest zusammen. Das Bild von meiner Kleidungsstange hat sich aber schon wie ein Hintergrundbild in meinem Kopf gespeichert. Ich öffne meine Augen wieder und drehe mich zurück auf den Rücken.
Verzweifelt atme ich aus und meine Sicht verschwimmt ungewollt. Ich zwinge mich dazu meine Atmung regelmäßig zu halten und mich nicht davon ablenken zu lassen, was mit mir passiert. Blind taste ich mich in eine aufrechte Position und versuche aufzustehen, während mein ganzer Körper anfängt, unkontrolliert zu zittern. Mit meiner letzten Selbstbeherrschung ertaste ich den Griff an meinem Fenster und den darüber liegenden Schieber für das Rollo. Während ich das Fenster öffne drücke ich das Rollo nach oben, um möglichst viel Licht ins Zimmer zu bekommen.
Erleichtert atme ich die Nachtluft ein und spüre, wie kalt meine Stirn, mein Nacken und mein T-Shirt sind. Ich fahre mir übers Gesicht und sehe auch ohne hinzugucken direkt den Schweißfilm, der sich jetzt auch über meine Hand zieht.
Dafür ist meine Sicht wieder klar und deutlich. Beim Einatmen wird mir fast schwindelig, so dringend zehren sich meine Lungen wieder nach Luft. Das Stechen in meiner Brust ignoriere ich, das ist meine geringste Sorge bei all dem, was noch hätte passieren können. Ich atme noch ein paar Mal tief ein und aus und provoziere den Schmerz damit noch mehr, bevor ich merke, dass es besser wird und mein Inneres nicht mehr so aufgewühlt ist. Dann sinke ich wieder auf meine Matratze und greife immer noch zitternd nach der Wasserflasche neben meinem Bett. Nach vier großen Schlucken scheiße ich auf mein Gefühl, dass es mich wieder aufwühlen wird, wenn ich jetzt an mein Handy gehe und beeile mich Can They Hear Us laufen zu lassen.
Ich höre es zweimal hintereinander, wickle mich dabei in meine Decke ein und starre aus dem Fenster. Anstatt mir Gedanken zu machen, was gerade passiert ist, singe ich leise mit um mich endlich abzulenken.
Auch wenn es für Anfang April schon wirklich warm war sind die Nächte immer noch kalt. Als ich merke, dass die Playlist schon relativ weit durchgelaufen ist, stehe ich, immer noch unsicher, auf und schließe das Fenster wieder und ziehe das Rollo bis zur Hälfte runter. Dann stelle ich die Musik leiser und lege mich hin, aber mein Blick klebt immer noch an dem bisschen sternenbedeckten Himmel, den ich durch das Fenster erfassen kann.
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Keep me | Woosan
FanfictionAbgesehen davon, dass wir aus derselben Flasche trinken. Ich gebe sie ihm zurück und er guckt mich an. „Fandest du mich gut?" „Ja. Sehr gut.", er hebt eine Hand und streicht mir eine Strähne aus der Stirn, „Und du? Fandest du dich auch gut?" ...