unnecessarily humbled

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Ich trete durch die Haustür und stoße beinahe mit meiner Mom zusammen, nachdem ich ein paar Schritte in den Hausflur gesetzt habe. Ich setze gerade zu einer Begrüßung an, komme aber nicht weit, denn sie zieht mich so schnell mit ins Wohnzimmer, dass ich es gerade einmal schaffe, meine Tasche an der Treppe fallen zu lassen.
Sie hält erst an, als wir vor der großzügigen Fensterfront stehen. Und dann stehe ich geschlagene zwei Minuten einfach nur da und hüte mich davor mich zu bewegen. Ihre Finger streichen durch meine Haare, zupfen an ihnen herum, vergleichen Längen und inspizieren die gefärbten Strähnchen. In unregelmäßigen Abständen murmelt sie vor sich hin.
Dann dreht sie mich auf einmal ruckartig zu sich und hätte ich durch das Tanzen nicht so geschulte Reflexe, wäre ich sicher umgefallen. „Wo warst du?" „Bei You Matter.", antworte ich, überlege im gleichen Moment aber, ob sie wirklich den Friseursalon meint. „Es sieht tatsächlich gut aus.", befindet sie dann, bevor sie sich umdreht und mich alleine im Wohnzimmer stehen lässt.

Meine Schultern sacken nach unten und ich atme tief aus. Ich mache einen Schritt auf das Fenster vor mir zu stütze mich mit der linken am Rahmen ab und fahre mir mit der rechten durch die Haare. Dabei beobachte ich meine Spiegelung in der Fensterscheibe. Aber meine Mom hat Recht. Es sieht wirklich sehr gut aus.
„Danke!", rufe ich ihr sehr laut hinterher.
„Was schreist du denn so rum Wooyoung?"
Meine Schultern, die sich seit dem Ausatmen wieder langsam gehoben haben, ziehen sich automatisch wieder hoch. Meinen Dad hatte ich vollkommen vergessen.

Ich beeile mich zur Treppe zu kommen, schnappe meine Tasche und fange an, nach oben zu laufen. Auf halbem Weg fällt mir auf, dass ich meine Jacke noch anhabe, also sprinte ich wieder runter und ohne die Jacke wieder hoch. Dabei wird der Abstand zwischen dem, was mein Dad gefragt hat und meiner noch ausbleibenden Antwort immer größer. Ein wenig außer Atmen bleibe ich vor ihm, wie er mir in der Tür seines Arbeitszimmers vorwurfsvoll entgegenblickt, stehen und neige schnell meinen Kopf nach unten.
„Tut mir leid. Ich war heute beim Friseur, guck mal.", langsam drehe ich mich um die eigene Achse und rede dabei weiter, „Und eben hab ich das Mama gezeigt und sie meinte es sieht gut aus und ich hab mich bedankt." Automatisch heben sich meine Mundwinkel wieder, fallen aber genauso schnell wie meine Schultern eben nach unten, sobald ich den Gesichtsausdruck meines Vaters sehe.
Er versucht es zu kaschieren, aber ich sehe seine Abneigung genau. „Du hast sie gefärbt?" Er formuliert es wie eine Frage, aber es ist ganz klar eine abschätzige Aussage.

Schon damals Siyoung sich die Haare gefärbt hat, hat er mir sehr deutlich klar gemacht, dass ich so etwas niemals tun solle, weil es zu feminin wäre. Ich hatte genickt und ihm versichert, ich würde es niemals tun. Damals hatte ich meinen Dad jedoch noch vergöttert und sowieso alles getan, was er von mir verlangt hatte.
„Ja. Ich.. habe sie gefärbt." „Aha." „Naja natürlich nicht ich selber...", ergänze ich schnell. Das bringt ihm trotz seiner Kritik zum Schmunzeln. „Und was sagt deine Mutter dazu?", erkundigt er sich, als hätte er nicht zugehört, während er seinen Kopf neigt, um meine Seiten zu mustern. „Sie sagt es sieht gut aus.", antworte ich und führe einen innerlichen Kampf mit mir. Er nickt und murmelt, genauso wie meine Mom eben, vor sich hin. Nach mehreren Momenten Stille setzt er wieder dazu an etwas zu sagen. „Sie hat tatsächlich nicht ganz Unrecht, deine Mutter. Irgendwie passt es zu dir." Ich bin fast positiv überrascht über seine Aussage. Bis mich die Erinnerung wie ein stechender Kopfschmerz einholt.

Es ist zu feminin. Färb dir bloß niemals die Haare, hört du Wooyoung. Es ist zu feminin, das sieht die Gesellschaft nicht gern. Das gehört sich einfach nicht. Du wirst mal ein großer, starker Junge, du brauchst das nicht.

Und plötzlich bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich seine Zustimmung als Kompliment auffassen soll. Passt zu dir.
„Nun gut, ich muss jetzt noch ein wenig weiter arbeiten, bis später.", reißt er mich aus meinen Gedanken und verschwindet hinter der Tür seines Arbeitszimmers.
Resigniert hebe ich meine Tasche auf, die ich respektvoll auf den Boden gestellt hatte und trotte in mein Zimmer, dann ins Bad und erst unter der Dusche fühle ich meine Augen kurzzeitig brennen und bin froh, dass das Wasser alles übertüncht.

Keep me | WoosanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt