messed up

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insomnia
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Das Licht, das von draußen reinkommt reicht gerade so aus, um die Uhr an meiner Wand zu erhellen. Mittlerweile ist es zwanzig nach zehn und damit kurz vor meiner Schmerzensgrenze der Zeit, zu der ich an einem Sonntag spätestens schlafen will. Die Musik läuft immer noch und ich bin immer noch hellwach.
Meine Gedanken fangen schon wieder ihren Marathon in meinem Kopf an, den ich wirklich nicht noch einmal laufen will.
Ich drehe mich von meinem Zimmer weg an die Wand und schließe meine Augen.
Die Bilder in meinem Kopf, aus den unterschiedlichsten Situationen, fliegen an meinem inneren Auge vorbei und ich konzentriere mich so sehr auf I don't pray, dass es fast wehtut.

Normalerweise wird mein Kopf irgendwann schwerer, die Musik in meinem Ohr immer lauter, meine Gedanken leiser und mein Verstand betäubter. Heute fühlt sich höchstens mein Körper so an, als hätte mich jemand verprügelt. Das zweite Mal I don't pray hört auf zu spielen und double take ergänzt es.

So geht es weiter. Das Lied endet, der zweite Durchlauf auch, ein neues fängt an. Spielt zweimal und das Nächste ersetzt es.
Ich drehe mich von der Seite auf den Rücken, auf die andere Seite und wieder zurück. Irgendwann hört die Musik auf und holt mich mit einem Schlag zurück in die Realität. Ich stelle sie aber nicht wieder an. Ich überlege, ob ich mir aus meiner Schreibtischschublade die Schlaftabletten holen soll, die ich nur für absolute Notfälle dort habe.
Nicht, weil ich sie sonst zu oft nehme, sondern weil ich sie nie nehme. Ich hasse es, starke Medikamente zu nehmen, auch, weil ich die Nebenwirkungen nicht einschätzen kann. Aber eigentlich, weil ich aufgebe, wenn ich Medikamente nehme. Ich gebe nicht einmal wirklich auf, ich bin nur zu schwach um es selber zu schaffen.

Gesundzuwerden, einzuschlafen, weiterzuleben.

Aber heute ist kein Notfall. Klar, ich hatte das eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr, aber es geht noch viel schlimmer. Also nichts schlimmer machen als es eigentlich ist.

Ich drehe mich zurück auf den Rücken, lasse mein Handy unberührt neben mir und suche durch mein Fenster nach den Sternen. Ich atme ruhig und nachdem ich mich nicht mehr darauf konzentrieren muss, versuche ich mich an Dinge aus der letzten Nacht zu erinnern. Wie ich mit San getanzt habe, mit ihm geredet, wie wir uns angesehen haben. Positive Dinge. Ich zwinge mich mit allem, nicht wieder zu overthinken und meine innere Unruhe den Moment zerstören zu lassen.

Ich scheiße auf meine Prinzipien. Alle die Dinge die ich mir nach Siyoungs Tod angewöhnt habe. Meine ordentliche Tagesroutine, in der ich alles zehn Mal neu kalkuliert habe. In der ich mir Tage vorher überlegt habe, was ich anziehe. In der ich mir Ewigkeiten überlegt habe, wie ich meinen Schlafrhythmus kontrolliere. Meinen Schlaf. In denen ich mir meine Nachmittage nach meinen Stundenplänen gestaltet habe. In denen ich Kunst vermieden habe. In denen ich meine Malsachen aus meinem Blickfeld verbannt habe. In denen ich mir meine Stundenpläne gestaltet habe. Mir Auswege gesucht habe, falls ich eine unkontrollierte Panikattacke bekomme. In denen ich zu viel gelernt und zu wenig gegessen habe. In denen ich zu oft im Studio stand und bis zur Erschöpfung getanzt habe, einfach nur, um für den Bruchteil einer viel zu schnell an mir vorbeirasenden Zeit, mich so sehr konzentrieren zu müssen, dass ich für nichts anderes mehr Platz in meinen Gedanken hatte.
Alle diese Sachen. Sie bringen mir ja doch nichts.

Ich greife wieder nach meinem Handy und stelle Cassette in Dauerschleife an. Dann liege ich auf dem Rücken, blicke an meine Zimmerdecke und fühle, wie meine Schläfen wieder nass werden.

Ich weine. Und ich weine so lange, bis ich so erschöpft bin, dass mein Körper zu schwach ist, weiter gegen den Schlaf anzukämpfen.

Keep me | WoosanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt