screaming inside

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Mir klappt vermutlich der Mund auf, denn jetzt guckt San eher belustigt und mir fällt es auch auf, als mein Dad sich zu mir umdreht und mich mit einem strengen Blick zum wieder gerade hinsetzen bewegt. Ist vielleicht auch besser so, denn mittlerweile werde ich von allen Seiten verstohlen gemustert. Muss auch dumm ausgesehen haben wie ich da so halb über dem Tisch hing. Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen und bin froh darüber, dass San und ich auf Grund unserer Sitzplätze nicht direkt sehen können.

Für den Rest der Rede sorgt dieses Ereignis für ausreichend Stoff zum Nachdenken und ich muss mir keine andere Beschäftigung zum Zeitvertreib suchen. Warum ist San hier? Arbeitet sein Vater hier auch? Oder jemand anderes? Naja, muss ja eigentlich. Sonst würde er wohl kaum in Anzug an einem der Tische sitzen. Sollte er nicht auf Hyunjins Party sein? Wobei ich das ja ursprünglich auch hätte sein können und mein Vater mich in Sekunden dazu gebracht hätte, alle Pläne für den Abend zu verwerfen.

Ich seufze wohl schon wieder zu laut auf, denn mein Vater wirft mir von der Seite einen kritischen Blick zu und ich bin froh, dass der Mann vorne seine Rede beendet hat und alle klatschen. Ich schließe mich an und beobachte, wie der Typ unter Verbeugungen wieder auf seinen Platz zurückkehrt. Dabei steift mein Blick kurz San, der aber zum Glück nicht hochschaut.

Danach habe ich nicht mehr viel Gelegenheit, mich auf Dinge außerhalb unseres Tisches zu konzentrieren, weil sich am Ende des Saals Türen öffnen und Kellner mit Teller den Raum betreten. Als alle bedient wurden spricht der Geschäftsführer, wirklich der Typ der die Rede gehalten hat, noch einen Toast aus, dann wird angefangen zu essen.

Ich weiß nicht genau was ich esse, sondern nur, dass es teuer schmeckt. Wer auch immer für das Essen zuständig war hat nicht an Geld gespart. Dementsprechend klein sind die Portionen auch, aber es wird ein riesen Ding aus dem Hauptgang gemacht und was man sonst in zehn Minuten isst wird auf fast eine Stunde ausgeweitet.
Währenddessen sitze ich einfach nur da und schiebe Soßenreste auf meinem Teller hin und her. Bis meine Mom das bemerkt und den Löffel bestimmt neben den Teller legt. Den Gesprächen am Tisch kann ich immer noch nicht folgen und abgesehen davon interessieren sie mich auch gar nicht. Ich versuche eher meine Position so zu optimieren, dass ich einen Blick auf San erhaschen kann.

Tatsächlich schaffe ich es in zwanzig Minuten acht Mal ihn anzusehen und vier Mal davon haben wir sogar Augenkontakt. Drei Mal lächelt er mich dabei an und ich schaffe es zu warten, bis ich zurückgelächelt und weggeguckt habe, bevor ich rot werde und mein schlagendes Herz unter Kontrolle bringen kann. Das andere Mal sehe ich aus dem Augenwinkel wie er mich mustert, ignoriere ihn aber erst. Als ich ihn kurz darauf angucke guckt er auch hoch, aber sieht irgendwie gestresst und ein wenig atemlos aus und ich muss mich zusammenreißen meinen Körper unter Kontrolle zu behalten. Gedanklich formuliere ich eine Nachricht an Yeosang.

Holy shit, this man is fucking fine.
Nah bro, he's hot.
h o t.

Danach zwinge ich mich dazu meine Augen an meinem Tisch zu behalten. Viel Zeit bleibt dann auch nicht mehr bis zum Dessert. Ich habe mich mittlerweile auch damit abgefunden, dass mein Job für den restlichen Abend aus ausschließlich einfach brav dasitzen besteht. Und dann höre ich, wie in einem Gespräch mein Name fällt. Mein Blick schießt nach oben. Zwei Damen und ein Herr beobachten mich interessiert. Ich räuspere mich, setzte mich gerade hin und lächle. Ich überlege sogar, ob ich etwas sagen sollte, da höre ich meinen Vater. „Er ist ja auch einer der Besten seines Jahrgangs. Seinen Abschluss macht er sehr wahrscheinlich in Chinesisch, er ist sehr begabt." Das liegt vielleicht daran das deine Frau Halbchinesin ist? Und überhaupt, was fällt dir eigentlich ein so gut von mir zu reden?
Ich will gerade etwas erwidern, da redet schon weiter. Ich höre Lügen über meine schulische Laufbahn, meine Hobbys, meine Ziele und meine nicht vorhandenen Karrierepläne. Ich bin kurz davor ihm ordentlich meine Meinung zu sagen, als mir auffällt, dass ich ja genau deswegen da bin. Fast schmerzvoll hebe ich den Blick wieder und lächle eine der beiden Frauen an.
„Ja natürlich. Ich hatte überlegt mich an Harvard oder der Juilliard zu bewerben. Ich schwanke noch zwischen den Studiengängen. Psychologie ist ja nicht meine einzige Interesse.", lächle ich teils gefaked, teil echt gequält. Wenigstens ist Psychologie tatsächlich nicht sehr weit her geholt. Mein Vater ist mit der Antwort zufrieden und lässt mich weiter essen.

Der mittlerweile fast kalte Apfelstrudel schmeckt trotzdem nicht mehr so gut wie vorher, daran kann auch die Vanillesoße nichts ändern.

Keep me | WoosanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt