„Jinhyeong.", höre ich meinen Vater über mir und lasse mich dadurch aus endgültig aus meinen Gedanken reißen.
„Das war ein sehr angenehmer Abend und eine aufschlussreiche Unterhaltung. Vielen Dank für die Einladung und die Bemühungen. Wir werden uns nun verabschieden, aber ich hoffe, dass wir uns am Montag an die Finanzstrategie setzen können."
Wie aus dem Nichts spüre ich die Hände von meinem Dad auf meinen Schultern, die mich leicht drücken und dann praktisch mit nach oben ziehen. Das wäre dann das Zeichen für den Aufbruch.Etwas zu schnell und unbeholfen schiebe ich meinen Stuhl nach hinten und stehe mit etwas zu viel Schwung auf, wobei ich die Hände meines Vaters abschüttle und fast die Tischdecke mitreiße. Dann stehe ich eingequetscht zwischen meinem Dad, meinem Stuhl und dem Herren der links neben mir saß und nehme mein Jackett von der Stuhllehne. Als nächstes muss ich das Jackett anziehen und es sieht mindestens genauso unkoordiniert aus wie mein Aufstehen. Ob ich die Schuld dafür meinem Vater geben kann wäre dann die nächste Frage.
Während ich die Knöpfe schließe tritt mein Dad endlich nach hinten und neben mich um meiner Mutter ihren Stuhl nach hinten zu schieben. Mein Blick huscht über den Saum der Tischdecke nach rechts um meine Eltern zu beobachten. Sobald meine Mutter steht und sich ebenfalls verabschiedet hat gucken beide zu mir und implizieren damit, dass sie jetzt das Gleiche von mir erwarten. Ich lasse also meinen Blick durch die Runde schweifen, überspringe dabei gekonnt San, um mich nicht schon wieder ablenken zu lassen und bleibe bei Jinhyeong hängen.
Weil er der Einzige von den Fremden ist, mit dem ich wirklich gesprochen habe erscheint es mir recht, ihn als Fixpunkt zu nehmen. Ich hole noch einmal Luft und ordne Wörter bevor ich zu meiner Schlussrede ansetze.
„Ich danke Ihnen ebenfalls vielmals für den Abend und die aufklärenden, informativen Gespräche. Ich hoffe ich war Ihnen auch eine angenehme Gesellschaft und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend."
Ich verbeuge mich, trete einen Schritt nach hinten und nach einem letzten Blick zu allen am Tisch Anwesenden drehe ich mich zu meinen Eltern. Meine Mutter lächelt mir entgegen, mein Vater zieht die Augenbrauen zusammen und ich setzte mich endlich in Bewegung.Ich wünschte mir, ich hätte San noch länger ansehen können um mich auch mental zu verabschieden, aber jetzt, wo wir schon fast am Ausgang des Saals sind und sich weitere Gäste hinter uns aufreihen, ist es mir fast unmöglich überhaupt noch einen Blick auf ihn zu erhaschen.
Also konzentriere ich mich auf das was vor mir passiert in Form von meiner Mom, die vor mir aus der Tür geht, die uns aus dem Saal hinausbringt. Fast zu spät greife ich nach der Tür, bevor sie wieder zufällt. Vermutlich habe ich mich innerhalb der kurzen Zeit mit San zu sehr an ihn und das Türaufhalten gewöhnt. Hinter mir merkt es mein Vater prompt an. „Wooyoung, konzentriere dich. Du musst dich nicht noch vor allen blamieren indem du in eine Tür läufst. Da war deine Ansprache eben reichlich." Ich stocke kurz und stolpere nach vorne weiter. „Was denn davon?", frage ich abrupt nach und drehe mich im Gehen zu ihm um. Von den drei Sätzen kann doch einmal alles richtig gewesen sein, oder nicht? Mein Vater wartet bis er neben mir geht und auch meine Mutter dreht sich um, als ob sie wüsste, was jetzt kommt. Sie verlangsamt ihren Gang, bis sie nur noch einen halben Meter vor uns geht. „Du hoffst du warst eine angenehme Gesellschaft? Also bitte. Natürlich warst du das nicht. Den Champagner am Tisch hättest du nicht trinken brauchen. Und dann mit diesem Jungen nach draußen gehen? Was weiß ich was ihr da gemacht habt. Geraucht oder schlimmeres. Das du dich mit diesem Jungen überhaupt unterhalten hast. Hat Schnaps getrunken als ob er dazu berechtigt ist. Warum seine Mutter dazu nichts gesagt hat..."
Ich muss nach Luft schnappen und antworte schneller, als mein Kopf alles Gesagte verarbeiten kann.
„San ist nicht so. Er ist ordentlich... und sich bewusst was er tut."
Du lügst Wooyoung. Du hast keine Ahnung. Und du fühlst dich eher so, als ob er es nicht wäre.„Was glaubst du denn was wir da draußen gemacht haben. Du weißt, dass ich nicht rauchen würde. Und was ist schlimmeres ?"
Ich weiß es ganz genau.
Abwartend gucke zu meinem Dad, der mir zu lange braucht um zu antworten. Er sieht jedoch nicht so aus, als ob das jetzt sein Plan wäre, denn er macht einen Schlenker nach rechts zur Garderobe und begrüßt ein älteres Paar, das vor uns in einer der kurzen, sich nun formenden Schlangen, steht. Ich muss mich beherrschen, nicht mit den Augen zu rollen, zumal meine Mom immer noch neben mir steht.Fünf Minuten dauert der Prozess für uns unsere Jacken zurückzubekommen. Und in denen ich auch keine Antwort von meinem Dad bekomme. Dann sind wir wieder auf dem Weg nach draußen und bleiben das nächste Mal dort stehen, wo wir auch vorhin ausgestiegen sind. Wie auf Kommando fährt jemand unser Auto vor und wir steigen ein, ohne, dass ich mich noch einmal umdrehen und das Gebäude mustern kann. Keine Ahnung wie das bei anderen ist, aber ich brauche eben meine Zeit um mich mental von etwas zu verabschieden. Meinen Eltern scheint es da wohl aber nicht so zu gehen, denn kaum habe ich mich angeschnallt fahren wir los.
Es ist leise im Auto bis wir die Schranke passieren, die das weitläufige Firmengrundstück von der Straße trennt.
„Du weißt sehr genau was ich meine Wooyoung. Und du hattest eine Aufgabe heute Abend. Einfach nur die Familie gut darzustellen. Warum musst du immer dein eigenes Ding durchziehen? Hättest du mir nicht einfach zustimmen und für einen Moment deinen Eigensinn einstellen können?"
Seine Stimme ist scharf und bestätigt genau das, was ich befürchtet hatte.Fuck the happy family. Sind wir nicht. Nicht mehr. Schon lange nicht mehr. Vermutlich sogar schon länger als drei Jahre.
Ich will gerade antworten, wieder, ohne mir zu überlegen, was ich eigentlich sagen will, da beginnt meine Mom zu reden.
„Es reicht jetzt. Ihr beide. Der Abend war ein Erfolg und Wooyoung hat uns nicht schlecht dargestellt oder sonstiges. Du übertreibst, Taeju. Er war lange nicht mit zu den Firmenevents. Und er ist ein Teenager, was erwartest du. Jetzt kriegt ihr euch wieder ein und hört auf darüber zu reden. Sonst steigt einer hier aus und das werde nicht ich sein."

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Keep me | Woosan
FanfictionAbgesehen davon, dass wir aus derselben Flasche trinken. Als ich sie ihm zurück gebe guckt er mich bereits an. „Fandest du mich gut?" „Ja. Sehr gut.", er hebt eine Hand und streicht mir eine Strähne aus der Stirn, „Und du? Fandest du dich auch gut?"...