79. Die Nachbarin

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Kayas Perspektive:

„Hallöchen" rief Julian in die Wohnung und ich schaute von meinem Buch auf.
Julian und auch Felix hatten beste Laune, denn heute Abend stand das Konzert an, welches Felix ihm vor zwei Wochen zum Geburtstag geschenkt hatte. Ich kannte den Rapper um ehrlich zu sein nicht, aber beide Brüder freuten sich total darauf. Es war Nachmittag und Felix hatte sich dazu bereit erklärt zu kochen. Seit einer halben Stunde stand er nun in die Küche und kochte Spargetti Bolognese, aber ohne Fleisch. Dabei hatte er Musik an und bewegte sich ab und an lustig herum.
„Na endlich. Ick hatte doch gesagt, dass du um 17 Uhr da sein sollst" motzte Felix seinen Bruder leicht an und ich musste dabei grinsen, während ich mein Buch zur Seite legte.
„Wird Felix jetzt so ein spießer Papi?" lachte Julian und kam auf mich zu, um mich in den Arm zu nehmen.
Ich zuckte nur die Achseln.
„Wie geht es dir Kaya?" fragte er sanft und kurz wanderte sein Blick zu meinem Bauch, der unter einem großen Hoodie versteckt war.
Für Mitte September war es momentan nämlich wirklich frisch, was es mir einfacher machte mit großen Klamotten. So langsam zeichnete sich nämlich eine Wölbung dort ab. Ich war nun in der 14. Schwangerschaftswoche, was bedeutete, dass ich im vierten Monat angekommen war.
„Ganz gut. Glaube die Übelkeit hab ich jetzt erstmal überstanden. Also hoffe ich" lachte ich und er nickte.
Seit dem er von der Schwangerschaft wusste hatten wir uns kaum mehr gesehen, er hatte viel zu tun gehabt, ich hatte mich viel ausgeruht und an seinem Geburtstag war ich nicht fit gewesen. Felix und er hatten sich paar Mal zu zweit getroffen, aber um mir ruhe zu gönnen, hatte Felix ihn nie hier her geholt.
„Dit freut mich. Irgendwie kann ick das noch immer net glauben. Ihr werdet einfach Eltern" sagte Julian fasziniert, was mich schmunzeln ließ.
„Ick werde auf jeden Fall der beste Onkel für meinen kleinen Neffen" sagte er entschieden und bewegte sich auf Felix zu.
„Wer sagt bitte, dass du einen Neffen bekommst?" wollte ich wissen, während ich ihm folgte.
Das Geschlecht wussten wir schließlich nicht.
„Hab ick so im Gefühl. Felix kann bestimmt nur Jungs machen" lachte er frech, was Felix auch ein Grinsen entlockte.
„So aber jetzt setzten! Ick hab so schön gekocht" bestimmte dieser und wir ließen uns am Tisch nieder.

„Sag mal was hat eigentlich Alisa an eurem Briefkasten zu suchen? Als ich rein kam, hat die irgendwas da rein geworfen, was nach einem braunen Briefumschlag aussah" fragte Julian locker in die Runde, als wir alle aufgegessen hatten.
Sofort versteifte ich mich, als ich von einem braunen Briefumschlag hörte. Hätte ich etwas im Mund gehabt, so hätte ich mich auf jeden Fall verschluckt und auch Felix versteifte sich. Es wurde einen Moment komplett still am Tisch.
Ich fand vor Felix meine Sprache wieder.
„Wer ist Alisa?" fragte ich stockend und schaute von Julian zu Felix, doch dieser wich meinem Blick aus, weshalb ich wieder zu Julian schaute.
„Die Nachbarin die Felix gebumbst hat" sagte er trocken und nun weiteten sich meine Augen noch mehr.
Hatte ich ihn richtig verstanden? Felix hatte seine Nachbarin fickt und hielt es nicht für nötig mir davon zu berichten? Ich spürte, wie die Wut durch meinen Körper zuckte.
„Bitte was?" fragte ich, um wirklich sicher zu sein, ob ich das richtig verstanden hatte, doch nun sagte auch Julian nichts mehr, da Felix ihn böse anguckte.
„Du hast es ihr nicht erzählt?" hörte ich Julian leise fragen und spürte, wie meine Nasenwurzel verdächtig anfing zu kribbeln, was ein deutliches Zeichen dafür war, dass mir gleich Tränen kommen würden.
„Kaya ick-" fing Felix an, doch in dem Moment schob ich schon meinen Stuhl zurück und stand hektisch auf.
„Was Felix? Du fickst deine Nachbarin und hältst es nicht für nötig mir davon zu berichten?" rief ich wütend und verletzt.
Felix erhob sich ebenfalls und ich sah, wie er versuchte ruhig durch zu atmen, was mich noch wütender machte.
„Ich bin verdammt nochmal schwanger und du denket, du kannst eine andere ficken?" schrie ich ihm entgegen und war so unglaublich verletzt.
Vielleicht war es deshalb die letzten Wochen nicht zu Intimitäten gekommen. Vielleicht hatte er sich das wo anders besorgt, schoss es mir durch den Kopf.
„Stopp du verstehst da was falsch" unterbrach Felix mich, während er einen Schritt auf mich zu machte, doch ich wich zurück, was ihn anhalten ließ.
„Ick bin dir nicht fremdgegangen. Vor vier fünf Jahren hatte ich mal was mit ihr, aber dit ist lange her" versuchte er sich zu erklären.
Die Tränen brannten in meinen Augen.
„Ick schwöre dir Kaya. Ich hab seit dem keinen Kontakt mehr zu ihr" wollte er mir versichern, doch ich schüttelte mich nur.
Das war alles zu viel. Vielleicht waren es auch die Hormone, doch ich fühlte mich so schrecklich hintergangen.
„Und wieso hast du mir nie davon erzählt?" schluchzte ich und hatte keine Chance mehr die Tränen aufzuhalten.
Er wurde einen Moment still.
„Ick ... ick weiß es nicht. Vielleicht wollte ich dich nie beunruhigen oder dachte es sei nicht wichtig für uns" gab er zu und ich konnte den Anflug von Reue sehen, doch das reichte nicht.
„Das ist nicht dein ernst? Ich seh diese Frau im Treppenhaus, führe Smalltalk mit ihr und grüße freundlich und du bist nie auf die Idee gekommen mir zu erzählen, dass du sie mal gefickt hast?" schrie ich ihm weinend entgegen und wischte mir mit dem Ärmel hektisch die Tränen weg.
„Wie soll ich dir vertrauen können?" flüsterte ich fast schon leise hinterher, was Felix erstarren ließ.
„Ick hab es dir nie aktiv verheimlicht. Ich dachte nur es sei nicht wichtig" gestand er schuldbewusst, was mich ironisch auflachen ließ.
„Na dann ist es ja okay" lachte ich sarkastisch und mir flossen weitere Tränen die Wange hinab.
„Nein das nicht, aber ick wollte es dir nie verschweigen" sagte Felix erneut.
„Hast du aber" antwortete ich patzig und musste meine Nase einmal hochziehen.
„Jemand stalkt mich, schickt uns Fotos und Briefe und du kommst nicht darauf, dass es deine Ex sein könnte, die ganz zufällig noch im gleichen Haus wohnt?" fragte ich fast höhnisch.
„Sie ist nicht meine Ex!" versuchte Felix klar zu stellen, doch das war mir egal.
„Du hattest sex mit ihr verdammt" schrie ich und die Tränen rannen meine Wangen hinab.
„Was bekomme ich als nächstes noch zufällig raus, weil sich jemand verquatscht" rief ist frustriert und hob die Arme.
„Vielleicht erfahre ich, dass du schon ein Kind hast mit irgendeiner Frau. Vielleicht finde ich raus, dass ... keine Ahnung ey" rief ich und verbag mein Gesicht in meinen Händen, während ich anfing zu schluchzen.
Meine Wut wandelte sich langsam in Trauer um. Wieso hatte er mir nichts davon erzählt. Es wäre doch völlig okay gewesen. Ich wusste schließlich, dass Felix vor mir andere Frauen gehabt hatte. Nur dass er es mir verheimlichte verletzte mich so.
„Kaya es tut mir leid" hörte ich Felix leise und sah, wie seine Füße in mein Sichtfeld traten.
„Du musst mir wirklich glauben, dass ich nicht vor hatte es dir zu verheimlichen" beteuerte er.
„Aber du hattest auch nicht vor, es mir zu erzählen" stellte ich nüchtern fest und konnte sehen, wie er einmal schluckte.
Er erwiderte nichts. Er widersprach mir nicht, was einem Schlag in meinen Magen glich.
Ich konnte das gerade nicht mehr.
„Ich muss hier raus" murmelte ich entschuldigend und drehte mich auf dem Absatz, um nach meiner Handtasche zu greifen.
„Kaya, bitte hau jetzt nicht ab. Lass es uns klären" bat Felix hinter mir, doch ich schüttelte den Kopf.
„Es gibt nichts zu klären. Du vertraust mir nicht" sagte ich und schloss weinend die Wohnungstür auf.
„Kaya bitte-"
„Nein, ich kann das gerade nicht" schnitt ich ihm das Wort ab und zog mit einem lauten Knall die Tür hinter mir ins Schloss.

Fokus (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt