20. Prollige Gucci Sachen

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Felix Perspektive:

Heute war wieder eine Show und wir waren dafür nach Erfurt gereist. Kawus hatte darauf bestanden bei mir mitzufahren und Julian war ebenfalls im Auto gewesen. Um die Plätze hatte es dieses Mal keinen Stress gegeben, da Kaya und Nadja bereitwillig in den Bulli gegangen waren. Die beiden verstanden sich wirklich gut, was mich freute. Von Anfang an waren die beiden gut ausgekommen. So gesehen war Nadja ja auch die einige andere Frau. Becci zählte nicht wirklich, sie war so beschäftigt die ganze Zeit, dass sie fast eh nie anwesend war. Gestern hatte ich kurz mit ihr und Julian gesprochen und ihr vorgeschlagen zurück nach Köln zu reisen, wo sie wohnte. Sie war mit ihrer Künstlerargentur >Klartext< so beschäftigt und auch unter Stress, dass sowohl Julian als auch ich uns etwas Sorgen machten. Becci hielt viel aus, doch momentan war sie wirklich immer öfters angespannt. Wir beide hatten ihr klargemacht, dass sie mit ruhigem Gewissen abreisen könnte, damit sie ihre anderen Künstler betreuen konnte. Vor allem da wir ja auch Kaya noch im Team hatten, welche sich mit Management auskannte. Somit musste sich Becci eigentlich wirklich keene Gedanken machen. Wie Becci eben war hatte sie natürlich erstmal alles abgestritten, doch später hatte sie eingelenkt und mir gesagt sie würde es sich überlegen.

Heute nach der Show würde es noch weiter nach Stuttgart gehn, da ich dort morgen ein Interview Termin hatte und übermorgen auftreten würde. Ich wusste dass das Hotel dort gut sein würde, da wir schon ein paar Mal dort übernachtet hatten und ich freute mich. Die späte Fahrt würde zwar anstrengend werden, doch Julian hatte bereits gesagt, dass er fahren würde und auch Belz hatte sich bereit erklärt. Somit gab es mindestens zwei Fahrer. Außerdem sagte Becci eh immer, dass sie bereit sei zu fahren. Belz Fahrstil war zwar gewöhnungsbedürftig und nur ungerne würde ich ihn hinter mein Steuer lassen, aber immer noch besser, als wenn sonst wem die Augen zufallen würden. Nachts würde aber hoffentlich eh nicht mehr viel los sein.

In einer halben Stunde würde ich auf der Bühne sein. Kawus wurde gerade von Bruder geholt und zur Bühne geschickt. Soundcheck und alles andere waren heute wirklich gut gelaufen, was mich hyped machte. Nun waren Kaya und ich alleine im Backstage. Der Raum war nicht besonders schön eingerichtet, aber mir war das meist egal. Vor den Shows war ich eh fokussiert. Kaya saß auf dem kleinen abgeranzten Sofa, welches an der Wand stand und war am Handy, während ich unentschlossen vor den Klamotten hin und her lief. Ich hatte noch nicht entschieden was ich gleich anziehen sollte und tigerte durch den Raum. Da rauchen hier drin erlaubt war, hatte ich meine Kippe noch nicht angezündet in der Hand. Ich lief zum geöffneten Fenster und holte mein Feuerzeug aus der Hosentasche. Scharf zog ich den den Rauch ein, bevor ich ausatmete. Ich wollte nicht das ganze Zimmer voll qualmen.
Es war noch angenehm hell draußen und der Himmel färbte sich langsam rosa rot, als ich die Kippe in dem Aschenbecher ausdrückte und mich nachdenklich zurück zu den Klamotten drehte.
„Kannste dich mal wieder nicht entscheiden" neckte Kaya mich, blickte auf und legte ihr Handy beiseite. Sie hatte mir auch gestern schon helfen müssen. Julian hatte es zwar nicht so cool gefunden, dass nun nicht mehr er es war der mir half, aber egal. Kayas Blick war neckend und gleichzeitig lächelte sie so, dass es mir das Herz erwärmte. Mit der Faust rieb ich mir einmal über die Brust, um das Gefühl wegzubekommen, doch es blieb. Es verunsicherte mich, sowas hatte ich sonst noch nicht oft gespürt.
Ich entgegnete „Du hast leicht reden, musst ja nicht gleich vor paar tausend Leuten stehn", um meine Unsicherheit zu überspielen.
Ich war selten unsicher. Es überforderte mich irgendwie. Es war wie ein Gefühl, was ich nicht gut kannte.
„Ich sag mal so. Selbst gewähltes Leid" meinte sie frech, da ich mich nicht entscheiden konnte und fing an zu lachen.
„Samma, seit wann biste so frech?"
Sie zuckte lediglich ihre Schultern und streckte mir ihre Zunge raus.
Ich lief empört auf sie zu und zog sie an ihren Armen hoch, um sie hochzuheben. Leicht warf ich sie über meine Schulter und fing an zu lachen bei dem Geräusch, welches sie machte. Sie war leicht und nicht besonders groß, weshalb das ganze möglich war. Mit ihr über der Schulter lief ich etwas im Raum hin und her.
Allgemein hatte sich die letzten Tage dieses Vertrauen zwischen uns aufgebaut und ich fühlte mich, als würde ich sie schon ewig kennen. Ich kannte sie bereits viel besser, als noch am Anfang der Tour und lernte mit jedem Tag ihre Art mehr schätzen. Auch die Zweisamkeit der letzten Tage hatte uns gut getan, zumindest aus meiner Sicht. Zwar hatten wir noch ein paar Mal rumgeknutscht, aber zu mehr war es nie gekommen, was auch gut so war. Ich war erstaunt, dass ich das, was auch immer das war, langsam angehen lassen wollte. Es war mir wichtig. Sie war mir wichtig.
Keiner von uns hatte die letzten Tage etwas überstürzen wollen, sondern wir hatten uns einfach noch besser kennengelernt. Schmunzelnd musste ich an gestern beim Billard denken und wie sehr ich sie aus dem Konzept gebracht hatte.
Lachen hing sie nun über meiner Schulter und fing an auf meinen Rücken einzuschlagen, damit ich sie wieder runter ließ, doch ich dachte gar nicht ran. Viel zu sehr amüsierte mich ihr gequieke.
„Felix mir wird schlecht" rief sie nach einiger Zeit und ich stellte sie natürlich sanft wieder auf ihren Füßen ab. Über beide Ohren grinsten wir uns gegenseitig an, auch wenn ihr Gesicht wirklich etwas an Farbe verloren hatte.
Schnell beugte ich mich zu ihr runter und gab ihr einen kurzen Kuss auch ihr rosa Lippen. Bevor wir den Kuss verlängern konnten zog ich mich zurück und betrachtete wieder die Klamotten. Langsam musste ich mich wirklich entscheiden, was ich anziehen wollte.
„Aber haste jetzt nh Idee fürs Outfit?" fragte ich sie ganz diplomatisch, als hätte es das rumgealber und den Kuss nicht gegeben.
Sie schüttelte kurz ihren Kopf, was so aussah als würde sie ihre Gedanken ordnen wollen. Ihre Locken flogen um den Kopf.
„Wie wärs mit dem?" Sie nahm ein weißes Oberteil vom Kleiderständer und hielt es prüfend in die Luft.
„Is das nich zu öde?" fragte ich kritisch und als Reaktion schüttelte sie den Kopf.
„Auf jeden Fall besser als die prolligen Gucci Sachen" stichelte sie und grinste.
Das war wohl der verdiente Seitenhieb wegen gestern. Erst wollte ich ihre Beratung und dann entschied ich mich gegen ihren Tipp.
„Ach so sieht das also aus. Gegen den blauen Balenciaga Pulli hattest du aber doch auch nichts" erinnerte ich sie und sie lächelte beschämt.
Den Pulli hatte ich ihr vor Wochen mal geliehen. Ich wusste, dass sie ihn sogar mit auf Tour hatte und sie hatte ihn mir bereits zwei Mal wiedergeben wollen, doch ich mochte die Vorstellung, dass sie einen Hoodie von mir hatte. Getragen hatte sie ihn zwar noch nicht, wenn alle dabei waren, was wahrscheinlich auch gut war, zumindest Julian würde sofort erkennen, dass es mein Pulli war. Das würde nur zu komischen Fragen führen, aber er hatte schon auf ihrem offenen Koffer gelegen, als ich bei ihr im Zimmer gewesen war.

Fokus (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt