1. zwielichtiges Licht

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„Kaya kommst du? Wir wollen los" rief Samuel aus dem Flur.
„Eine Minute noch" schrie ich zurück und schlüpfte schnell in mein dunkel grünes Kleid, welches ich mir rausgesucht hatte.
Das Kleid gehörte zu meinen lieblings Kleidungsstücken, wenn ich mal etwas schicker aussehen wollte und ich fühlte mich in ihm pudelwohl. Von meiner Kommode griff ich mir noch ein paar schlichte Ohrringe und betrachtete mich im Spiegel. Meine Ketten hatte ich nach dem Joggen wieder angelegt und nun lagen sie kühl an meiner warmen Haut. Ich zupfte etwas an ihnen herum, bis mir gefiel, wie die drei Ketten zusammen lagen. Meine oberen Haare hatte ich zu einem Dutt auf meinem Kopf zusammen gebunden, während der restliche untere Teil meiner braunen Wellen mir offen über die Schultern hing. Selbstbewusst nickte ich mir noch einmal zu und ging in den Flur, wo Samuel und Finn auf mich warteten. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass wir wirklich gut in der Zeit lagen. Laut Samuel mussten wir erst um 21 Uhr am Treffpunkt sein.
„Ist das nicht etwas kalt?" fragte Finn und zog eine Augenbraue hoch.
„Ich dachte wir gehen in Club". Es war halb Frage, halb Feststellung.
„Wollen wa ja auch" sagte Samuel. Die beiden trugen jeweils Jeans und ein Hoodie dazu.
„Da is man doch zum tanzen. Ihr schwitzt euch tot, wenn ihr euch so den ganzen Abend bewegen wollt" stellte ich fest und beide nickten langsam.
„Stimmt schon" hörte ich Samuel murmeln.
„Wann wart ihr Beiden das letztes Mal in der Disco?" fragte ich belustigt und zog eine Augenbraue hoch.
Es war eine der Angewohnheiten, welche ich im Laufe des Zusammenlebens von Finn übernommen hatte. Nebenbei fing ich an, meine Handtasche zu packen.
„Wir sind nicht alt, falls du darauf hinaus willst" stellte Samuel sofort klar und ich nickte nur.
„Klar" murmelte ich nur leise und griff als Letztes mein Portmonee.
„Ich zieh mir wirklich noch schnell nhn T-Shirt drunter" meinte Finn und verschwand in sein Zimmer.
„Ich freu mich, dass du mit kommst" meinte Samuel, welcher noch mit mir im Flur stand und lächelte mich an.
„Wirklich freiwillig war es ja nicht. Du hast mich regelrecht gezwungen" warf ich meinen Einwand ein.
„Aber ich kann dich doch nicht den ganzen Abend frustriert zuhause liegen lassen. Du musst einfach auf andere Gedanken kommen" stellte er klar und legte mir die Hand auf die Schulter.

Es hatte etwas tröstendes und trotzdem spürte ich die Unzufriedenheit, welche ich schon heute Mittag in mir gespürt hatte, als mein Chef mir gesagt hatte, dass nicht ich als Eventmanagerin für einen Star zugeteilt wurde, auf den ich mich schon hatte vorbereiten sollen. Paar Tage vorher wurde mir die Aufgabe einfach wieder entrissen. Stattdessen sollte meine Kollegin Mariebell diesen Job übernehmen, da wo ich schon den Großteil der Arbeit gemacht hatte.
„Geht es schon wieder um diesen doofen Auftrag der dir weggenommen wurde?" fragte nun auch Finn, als er in T-shirt aus seinem Zimmer kam. Ich nickte nur.
„Kopf hoch. Das nächste coole Event organisierst du" sagte er und nickte zuversichtlich.
„Jetzt wird darüber nicht mehr geredet und heute Abend kein Gedanke mehr daran verschwendet!" entschied Samuel und ich musste ihm einen kleinen Finger Schwur geben, bevor wir uns die Jacken überzogen und die Wohnung verließen.

„Da is er ja" johlte Samuel und lief freudig auf vier junge Männer zu, wobei er sich auf einen von ihnen halb drauf warf und ihn herzlich umarmte. Da Besagter jedoch fast zwei Meter war, machte es keine Umstände, dass Samuel ihn so freudig begrüßte. Wir liefen ebenfalls, nur etwas langsamer auf die drei zu. Samuel hatte Malec in der Zeit wieder losgelassen, in der wir angekommen waren.
„Jo alles gute zum dreißigsten" sagte nun auch Finn und klatschte mit Malec ab.
„Hey, von mir auch alles Gute" sagte ich und stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihn zu umarmen.
„Danke dir" sagte er und lächelte mich freundlich an. Ich kannte ihn grob, da er einige male schon bei uns in der WG gewesen war.
"Sollten wir kleine Schwestern mitbringen? Ich hab meine voll vergessen" scherzte Phillip und grinste breit.
„Du schon wieder" lachte ich genervt und verdrehte die Augen.
„Lang nicht gesehen Madame" sagte er und nahm mich in den Arm.
„Stimmt. Aber gewachsen biste ja nicht seit dem" scherzte ich.
Schon früher hatten wir uns meist zum Spaß gezankt, wenn er bei Finn zu besuch gewesen war oder ich mich mit seiner jüngeren Schwester verabredet hatte. Als ich dann in die Pubertät kam, hatte ich mich in ihn verknallt. Wie hätte es auch anders seien sollen? Er war so oft bei uns gewesen und hatte gut ausgesehen. Außerdem war mein jüngeres Ich von älteren Typen damals begeistert gewesen. Während ich gerade mal so anfing Bier zu trinken, konnten er und Finn ja schon Auto fahren. Da war einfach keine andere Möglichkeit gewesen, als Interesse an ihm zu entwickeln. Nach paar Monaten war es auch verflogen und niemand hatte davon etwas mitbekommen. Jetzt war er eher wie ein vierter großer Bruder oder so für mich.
Umso mehr freute ich mich, ihn mal wieder zu sehen.

Fokus (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt