25. UNO Flüchtlingshilfe

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Felix Perspektive:

Nach dem Vorfall heute Nacht hatte ich Kaya angeboten, dass sie bei mir schlafen könne, wenn sie nicht zurück zu sich wollte. Fast schüchtern hatte sie dem zugestimmt und schweigend waren wir zu mir gelaufen. Ich hatte ihr natürlich mein Bett angeboten und war selber aufs Sofa gewandert.
Zwar hatten wir schon einige Mal im selben Bett geschlafen, doch ich wollte die Situation nicht ausnutzen oder ihr ein komisches Gefühl geben. Es wäre einfach sonderbar gewesen, nun neben ihr zu schlafen, wo unser Verhältnis der Freundschaft gerade unklar war. In den Nächten wo wir in einem Bett geschlafen hatten, war die Situation zwischen uns anders gewesen. In erster Linie ging es gerade darum, dass sie sich sicher fühlte und dafür tat ich mein bestes.

Möglichst leise schloss ich die Terrassentür hinter mir und holte mein Feuerzeug aus der Hosentasche. In ruhe zündete ich mir die eben gedrehte Kippe an und atmete den Rauch ein. Was eine verfickte Nacht. Dieser Wichser hatte mich wirklich noch im Gesicht getroffen, da ich zu langsam ausgewichen war. Ich schob es auf den Alkohol, doch trotzdem war meine Schläfe angeschwollen und das Auge etwas blau. Die Ausmaße hatte ich erst heute morgen im Bad begutachten können. Besonders nach dem duschen war es deutlich zu sehen gewesen, aber es war ja nichts, was nicht wieder heilen würde. Also kein großes Ding. Gestern hatte es nur stumpf etwas weh getan, aber ich hatte den Schmerz schnell durch das Adrenalin und den Alkohol ausgeblendet. Hoffentlich hatte ich den Wichser wenigstens ordentlich getroffen. Von meinen Schlägen sollte er noch möglichst lange etwas haben, hoffte ich und pustete den Rauch in die Luft.
Schuldgefühle hatte ich dabei keine. Er hatte es verdient für das, was er mit Kaya im Club damals getan hatte. Auch wenn ich sonst nicht für Selbstjustiz war, doch gestern waren bei mir paar Synapsen durchgebrannt.
Einerseits befriedigte es mich, dass ich den Typen wirklich noch einmal gesehen hatte und ihm somit gerechterweise hatte schlagen können. Gleichzeitig sorgte ich mich aber auch um Kaya. Sie hatte kaum noch geredet als wir auf den Rückweg gewesen waren und fast dauerhaft war sie am zittern gewesen. Die ganze Sache schien ihr nahe gegangen zu sein.
Ob sie mit irgendwem von ihren Freunden oder sonst wem über den Vorfall damals im Club gesprochen hatte wusste ich nicht. Ich hoffte es für sie. Der Prozess das zu verarbeiten würde so bestimmt deutlich leichter fallen. Doch darüber hinweg war sie sicher nicht. Wie sollte jemand über sowas hinweg kommen? So etwas prägte einen wahrscheinlich und ich vermutete dass die Angst, sowas noch einmal zu erleben, immer bleiben würde. Umso mehr wünschte ich mir, dass ich ihr heute Nacht wenigstens etwas helfen und sie beruhigen konnte. Ihr Bild, zitternd und weinend, schoss mir wieder in den Kopf. Ich zuckte kurz, Die Angst, mit der sich mich angeschaut hatte, ließ mein Herz gefrieren. Ich wollte immer für sie da sein. Doch wie konnte ich das? Wieso hatte ich genau bei ihr verkackt?
Das es vorher zwischen uns vielleicht komisch gewesen war, hatte ich in dem Moment komplett vergessen gehabt. Mein ganzer Fokus hatte auf ihr gelegen. Alles was ich gewollt hatte war, dass sie sich sicher bei mir fühlte.
Als dann alle Dämme bei ihr gebrochen waren und sie ihren Tränen freien lauf gelassen hatte, hatte ich gespürt, dass sie das benötigt hatte. Vermutlich hatte sie es die ganze Zeit über in sich hineingefressen und nicht richtig verarbeiten können was damals passiert war. Den Wichser zu treffen war natürlich scheiße gewesen, aber vielleicht würde sie nun mit jemanden darüber sprechen, was sie belastet. Ich wünschte es mir für sie. Nachempfinden wie sich eine Frau Nachts oder in Clubs fühlte konnte ich nicht. All dies würde ich nie selber erfahren, umso mehr war es mir jedoch wichtig, dass es auch keine andere Frauen mehr erleiden mussten. Wichsern wie ihm, sollte es nicht mehr gelingen so mit anderen Personen umzugehen. Wo blieb da bitte die Zivilcourage von Anderen die sich nicht einschalteten?
Ich musste an die Situation in dem engen Flur mit Kaya damals denken. Es wahren mehrere Typen auf Toilette gewesen, welche vor mir raus gegangen waren. Hatte keiner von ihnen gesehen was da abgegangen war? Vermutlich hatte es einfach keiner sehen wollen. Ich ekelte mich. Es gab wirklich einen Haufen an Arschlöchern.
Ich nahm den letzten Zug meiner Kippe und drückte sie in dem Aschenbecher aus, bevor ich wieder das Wohnzimmer betrat. Es war erst halb ölf, was für mich wirklich noch früh war. Mit meinem Mac setzte ich mich aufs Sofa und entschied, etwas an den neuen Bits zu arbeiten. Ich musste mich ablenken. Einige der Bit Ideen hatten Potential, während andere der reinste Müll waren.

Fokus (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt