2. Hipster Café

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Drei Tage ist der Abend nun schon her und ich hatte viel in meinem Bett gelegen und mir Gedanken über die Situation gemacht. Vielleicht sogar zu viele. Wer wusste das schon? Langsam war die Wut in mir aufgestiegen. Ein Teil von mir war enttäuscht von mir selbst, dass ich in eine Schockstarre verfallen war. Oft hatte ich mit Freundinnen, die sowas erlebt hatten über die Situationen gesprochen und war immer überzeugt gewesen, dass ich mir im Notfall selber helfen könnte. Doch die bittere Realität war gewesen, dass ich komplett Machtlos gewesen war. Die Selbstverteidigungskurse hatten mir in der Panik nicht geholfen, doch trotzdem hatte ich das Gefühl es war besser sie gemacht zu haben. Es war ein scheiß Gefühl. Ich fühlte mich klein. Außerdem zerfraß mich der Gedanke was passiert wäre, wenn der blonde nicht gekommen wäre. Ich musste heftig den Kopf schütteln. Über sowas sollte ich am besten erst gar nicht anfangen zu denken.

An dem Abend hatte Finn mich ins Bett gebracht und ich hatte ihn gebeten, zu bleiben, bis ich eingeschlafen war. Ich wollte nicht alleine sein in dem Moment. Er hatte sich an mein Bett gesetzt und langsam beruhigend meinen Rücken rauf und runter gestrichen, bis meine Augen einfach zugefallen war. Am Sonntag hatte er mich dann überredet, ihm die Situation noch einmal selber langsam zu schildern. Er war überzeugt gewesen, dass es mir helfen würde, einmal darüber zu reden, um die ganze Sache danach so schnell wie möglich abschließen zu können. Ich war skeptisch gewesen, ob es mir helfen würde, doch das alles einmal auszusprechen, tat mir in dem Moment gut. Ich teilte meine Ängste und Gefühle mit ihm, was mich zwar an üÜberwindung gekostet hatte, aber letzten Endes gut getan hatte. Ich nahm mir selber vor, nicht zu viel an den Scheiß zu denken. Der Idiot sollte keinen Einfluss und keine Macht auf mein Leben haben.

Samuel und Finn probierten mich mit leckerem Esse, Spielen und Filmen so gut es ging auf andere Gedanken zu bringen. Am Sonntag Abend telefonierte ich noch mit Lea, welche die Woche über für einen Workshop in München war. Das alles lenkte mich einiger maßen ab. Doch ob ich es verarbeitete oder verdrängt hatte wusste ich nicht.
Am Montag ging es mir dann so weit gut, dass ich normal zur Arbeit konnte und genauso auch am Dienstag. Zwar hatten sowohl Lea als auch Finn mir gesagt es wäre vollkommen okay, wenn ich erstmal eine Auszeit benötigen würde, doch ich wollte wieder arbeiten.

„Von was bist du so abgelenkt?" fragte Miri und ich nahm ihre schnipsenden Finger in meinem Blickfeld war. „Hmm?" machte ich und schaute sie an. Sie band sich gerade ihre Schürze um und ihre Haare zu einem Zopf. Unsere Schicht hatte vor gut einer halben Stunde begonnen, doch sie hatte mir eine Nachricht geschrieben, dass sie etwas später kommen würde.
„Wo bist du denn mit deinen Gedanken Mäuschen?" fragte sie und goss den Milchschaum in eine der beiden bereitgestellten Tassen.
„Ach nichts besonderes" hörte ich mich selber sagen und schaute weiter zu dem Tisch, an welchem zwei Männer saßen und sich unterhielten.
„Du schaust die ganze Zeit zu dem Tisch dahinten, wo die beiden Typen sitzen" stellte sie fest und nickte unauffällig in deren Richtung.
„Kennst du einen von ihnen?" fragte sie weiter und wiederholte das Prozedere mit der Milch auch bei der zweiten Tasse.
„Ne, nicht so wirklich" murmelte ich vor mich hin. Ich war mir gar nicht sicher, ob er es überhaupt war oder ob mir meine Augen einen Streich spielten. Im Club war es schließlich dunkel gewesen und ich war betrunken.
„Wie meinste das?" hakte Miri interessiert nach und musterte die beiden Typen.
„Den einen hab ich glaube ich vor ein paar Tagen im Club gesehen" murmelte ich nur verlegen und drehte mich weg, um eine Kundin an der Kasse zu bedienen.
„Und was lief jetzt mit dem Typen?" fragte sie weiter, nachdem die Kundin gegangen war.
„Nichts lief mit ihm. Wir haben nicht mal wirklich geredet" gab ich zu und drehte mich von dem Tisch weg.
„Nicht mal bisschen knutschen?" bohrte sie nach.
„Nope" machte ich und ließ das p ploppen.
Ich dachte an die Situation von dem Abend und ließ mir sein Bild in Gedanken nochmal an meinem Inneren Augen vorbeiziehen. Der Mann an dem Tisch hatte enorme Ähnlichkeit mit ihm. Ich drehte mich wieder so, dass ich ihn unauffällig im Blick haben konnte. Gerade als ich wegschauen wollte, trafen sich unsere Blicke und seine blauen Augen fokussierten mich durch den ganzen Raum hindurch. Ich konnte meinen Blick von ihm nicht abwenden und schaute, gefangen von seinem intensiven Blick, zurück. Um mich herum schien ich plötzlich nichts mehr wahrzunehmen. Ich war mir sicher, dass er es war. Diese Augen hatten irgendwas besonderes an sich, sie waren unverkennbar. Ich erkannte seine blonden Haare, die breiten Schultern und das leichte Grinsen in seinem Gesicht. Leicht legte sich ein Schmunzeln auf seine Lippen und meine Mundwinkel zuckten, während wir den Blickkontakt hielten.

Fokus (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt