11. Tourbeginn

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Ganz nervös war ich schon vor meinem Wecker wach. Ich hatte nicht besonders gut geschlafen in der Nacht, da heute die Tour beginnen würde.
Meine Koffer waren bereits seit gestern Nachmittag gepackt. Lea war extra vorbeigekommen, nachdem ich im Café gearbeitet hatte. Zum Glück hatte auch meine Chefin dort kein Problem damit, dass ich erstmal nicht weiterarbeiten können würde. Sie hatte mir, mit dem Versprechen mich wieder einzustellen, ans Herz gelegt erstmal zu Kündigen, damit sie jemand neuen suchen konnte. Natürlich hatte ich das getan. Sie hatte mir zwar probiert zu erklären, wieso sie nur eine bestimmte Anzahl an Mitarbeitern haben konnte, doch ich hatte es nicht ganz verstanden, jedoch hatte ich die Kündigung unterschrieben. Etwas traurig war ich natürlich, dass ich nun erstmal nichtmehr hier arbeiten würde, denn es machte immer unglaublich viel spaß. Was als Nebenjob angefangen hatte, um Geld zu verdienen, war mir mittlerweile wirklich etwas ans Herz gewachsen.
Susanne, meine Chefin im Café, war einfach eine so liebenswerte Anfang sechzig jährige Frau. Ich konnte mich noch genau daran erinnern, wie ich damals in ihrem kleinen etwas ollen Cafe angefangen hatte. Mit Hilfe von mir uns zwei weiteren jungen Mitarbeitern hatte sie damals entschlossen das Cafe moderner zu machen und wenn man es sich heute anschaute, gehörte es zu den hippen Cafés hier in der Gegend.
Dass in der Küche unter anderem eine alte Dame stand und backte, wussten die wenigsten der Kunden. Die meisten dachten, es wäre eins der typisch neuen Cafés, welche so selbstverwirklichungs Hipster aufmachten, doch das war es null. Susanne war eine typische Berlinerin und dies hörte man ihr auch noch richtig an.
Auch wenn Miri, meine Arbeitskollegin, etwas sauer gewesen war, dass ich sie drei Monate alleine arbeiten lassen würde, freuten sich alle über die Chance für mich.
Von Susanne hatte ich das Versprechen, dass sie mich jeder Zeit wieder einzustellen würde, wenn ich Zeit und Lust hatte oder einfach Geld brachte, sogar Schriftlich bekommen, was mir wirklich viel bedeutete. Mit dieser Bestätigung im Rücken, fühlte es sich etwas besser an auf Tour zu gehen, aber unsicher war ich trotzdem.

In eile duschte ich. Ich wollte auf keinen Fall zu spät kommen und schlüpfte in meine bereits rausgelegten Klamotten. Der August zeigte gerade nochmal volle Kanne, was er wettermäßig so drauf hatte und es waren um die 27 Grad draußen. Ich hatte mir vorausschauend für die lange Fahrt nach München eine kurze hellgraue Jogginghose rausgelegt. Dazu ein weißes schlichtes Top. Natürlich kamen meine Vans als Schuhe mit und ich steckte die letzten Kleinigkeiten in meinen Koffer.
„Kaya, Kaffe is fertig" rief Samuel laut aus der Küche. Er war bereits wach, da er schon zur Arbeit musste um diese Zeit. Wenn ich früh aufstehen musste, frühstückten wir meist zusammen, während mein Bruder immer noch schlief.
Fröhlich über den Kaffe lief ich in die Küche und erblickte Finn auf einem der Stühle hängen. "Hängen" beschrieb es ganz gut, denn er schien noch halb zu schlafen und war nur so semi anwesend.
„Ich hatte doch gesagt, dass du nicht aufstehen musst" lachte ich und wuschelte ihm durch seine Haare.
Leicht öffnete er die Augen.
„Wenn ich nicht wüsste dass es die Allergie ist, würde ich glatt denken, du weinst wegen meinem Abschied" lachte ich und nahm dankend die Tasse von Samuel an. Finns Augen waren rot umrandet und etwas angeschwollen, was ihn so aussehen ließ, als hätte er stundenlang geweint.
„Willste was esse? Ich würde sogar Rührei machen, wenn du noch Zeit hast" bot Samuel an, doch ich wank ab.
„Ich hol mir gleich auf dem Weg was" sagte ich „aber vielleicht verträgt dieser Morgenmuffel was" lachte ich meinen Bruder etwas aus. Wie er dort hing, war einfach nur lustig anzusehen.
Gleichzeitig fand ich es aber total lieb, dass er extra aufgestanden war. Ich wusste, dass alles vor 10 Uhr nicht seine Zeit war und besonders nicht etwas vor 8 Uhr. Er konnte wirklich froh über seinen Job sein.
„Ne ich leg mich gleich wieder hin und esse später. Aber wann musst du denn los?" mischte er sich nun auch ein und griff nach dem Glas Wasser, was ich ihm aufgefüllt hatte.
„Ich geh so in 5 Minuten los" erklärte ich. Für essen wäre somit eh keine Zeit mehr gewesen.
Verstehend nickte er, bis er wie von der Tarantel gestochen auf sprang.
„Ich hab ja noch wat für dich" rief er und die Müdigkeit schien für kurze Zeit der Euphorie weichen zu müssen. Mit seiner Polaroidkamera kam er zurück in die Küche gelaufen und grinste aus seinen zugeschwollenen Augen. Ich war die einzig fertiggemachte aus unserer Gruppe. Samuel trug noch sein olles Schlafoberteil mit Kaffeeflecken und Finn war eh eine Sache für sich. Dies schien für das Foto jedoch egal zu sein. Finn streckte seinen Arm von uns weg und drückte einfach auf den 'Auslösen' Knopf. Völlig unerwartet schauten wir zur Kamera. Der helle Blitz sprang hervor und kurz darauf wurde das weiße Foto aus der Kamera geschoben. Fast erblindet blinzelten wir alle mehrmals, um uns wieder an das Licht zu gewöhnen.
„Erst im Auto anschauen" sagte Finn, als er mir das Foto mit einem Lächeln in die Hosentasche schob.
„Ähm ja... danke" sagte ich verwirrt von dem Tempo, was er gerade an den Tag gelegt hatte. Es war deutlich mal was neues um diese Uhrzeit, doch anscheint hatte er sich vorgenommen dieses Bild zu machen, um es mir als Erinnerung mitzugeben.

Fokus (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt