60. Wachgeküsst wie Rapunzel*

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Kayas Perspektive:

Ich war erstaunt als es an der Tür von meinem Hotelzimmer klopfe. Erst überlegte ich gar nicht erst aufzustehen, doch als es energisch wieder klopfte setzte ich mich langsam auf. Hatte ich nicht an der Tür das große >Nicht stören< Schild hängen?
Kraftlos trottete ich zu der Tür und fasste nach der Klinke. Es war mühsam sie runter zu drücken. Wie die letzten Tage hatte ich für nichts wirklich Kraft. Langsam ließ sich die Klinke komplett runter drücken und ich zog die Tür zu mir, um sie zu öffnen.
Ich wusste nicht, mit wem ich gerechnet hatte, aber sicher nicht mit ihm. In Jogginghose und Hoodie stand er vor mir und sah ehrlich gesagt ziemlich fertig aus. Er hatte tiefe Augenringe und rasiert schien er sich die letzten zwei Tage auch nicht zu haben. Erst danach erblickte ich eine zweite Person hinter ihm. Julian lächelte mich mitfühlend an und schob Felix ein Stück näher zu mir.
„Als sein Tourmanager zwinge ich euch jetzt zu reden. Sonst können wir Felix Tour auch gleich absagen, weil so bringt der sicher niemanden zum lachen" sagte Julian stumpf und gab Felix einen kleinen Ruck.
Dieser schaute dabei das erste Mal zu mir auf und ich erkannte, dass seine Augen nicht mehr so strahlten wie beim letzten Mal.
Auch er schien etwas geschockt von meinem Anblick zu sein. Ich trug seit dem Abend das gleiche. Geduscht hatte ich mich nicht und die meiste Körperhygiene hatte ich weggelassen.
„Ich sitze unten. Wenn ihr geredet habt kannst du runter kommen" entschied Julian und machte damit auf dem Absatz kehrt, um wieder in den Fahrstuhl zu steigen.
Betreten betrachteten wir beide den Boden vor uns. Wie sollte man dieses Gespräch nur beginnen? Irgendwie erwartete ich, dass er anfangen würde zu reden, aber wir beide schwiegen.
Gerade als ich in meinen Kopf nach etwas suchte, wie ich das Gespräch beginnen könnte, öffnete Felix seinen Mund.
„Darf ick rein komm?" war das einzige was er fragte und ich nickte einmal, bevor ich zur Seite trat, um Felix in mein Zimmer zu lassen.
Unsicher schaute er sich um. Das aussehen meines Zimmers entsprach ziemlich meinem Gemütszustand. Verwirrt und unordentlich. Woher sollte ich auch Kraft für Ordnung haben, wenn ich schon für alles andere keine Kraft hatte.
Um nicht komisch herum zu stehen, entschied ich mich dazu mich auf einen der zwei Stühle zu setzen. Felix tat es mir gleich.
Wieder schwiegen wir.
„Wenn du hier bist, um das alles zu beenden, dann können wir das schnell machen. Ich hol nach der Tour meine Sachen von dir und deine Neue kann einziehen" versuchte ich möglichst emotionslos zu sagen, doch spürte bei dem Gedanken, dass es mich zerriss.
Verwirrt schaute Felix mich an.
„Nein ick will das nicht beenden. Ich... ick bin hier um mich zu erklären" murmelte er und biss sich unsicher auf die Lippe.
„Erkläre? Dich erklären wie du vermutlich ausversehn nh andere gevögelt hast?" fragte ich etwas höhnisch und machte Ausrufezeichen in der Luft bei dem Wort "ausversehn".
Entsetzt schauten mich seine blauen Augen an.
„Kaya ich hab sie nicht gevögelt. Ich schwöre. Lass es mich erklären" bat er und ich musste schlucken, weil ich hörte, wie verzweifelt er plötzlich klang.
„Ich gebe dir 10 Minuten um zu erklären wieso ein fremder roter Bh in deinem Bad lag" sagte ich und schaute kurz auf die Uhr.
Felix setzte sich etwas in seinem Stuhl auf und atmete einmal tief durch.
„Also wir waren ja in Freiburg. Da wohnt... naja ick sag mal nh alte Freundin von mir und nh sehr gute Bekannte von Julian" setzte er an und fragend hob ich eine Augenbraue.
„Ick hab mit Tara zusammen in Marburg in der großen WG gewohnt. Wir haben uns jut verstanden und sind seit dem befreundet, aber durch dei Entfernung sehen wir uns natürlich fast nie. Aber da lief nie was" führte er aus und ich wusste nicht, ob ich ihm das einfach so glauben konnte.
„Also zwischen ihr und mir lief nie etwas. Julian und sie hingegen fanden sich schon immer irgendwie... irgendwie gut halt. Wenn wa auf einer Tour in Freiburg sind, sehen die sich immer und da läuft dann was, aber ick hatte nie etwas mit Tara!" sagte er und ich schaute auf meine Hände, während er weitererzählte.
„Ick mein ick kenn sie lange und sie ist eine gute Freundin, deshalb haben wir uns verabredet unten in der Hotelbar. Julian, sie und ick. Wir wollten zu dritt einen trinken. So wie wir es sonst auch machen wenn wir in Freiburg sind. Julian hatte noch nhn Telefonat wegen einer der Hallen und deshalb saßen Tara und ich zu zweit da und haben schon mal getrunken"
Würde das jetzt eine Erklärung werden wieso er sie gevögelt hatte? Würde er es auf den Alkohol schieben? Ich hörte gespannt und gleichzeitig ängstlich zu.
„Wir haben uns nur normal unterhalten. Dabei hat Tara es geschafft sich dat fast volle Glas Rotwein über die Brust zu schütten und alles war natürlich nass, abgesehen davon, dass das Oberteil hin war"
„Aha" machte ich nur skeptisch und war mir nicht sicher, ob es vielleicht eine perfekt ausgedachte Lügengeschichte war, welche er mir gerade auftischte.
„Wir sind dann hoch in mein Zimmer und ich hab ihr ein T-Shirt von mir gegeben, damit sie ihr weißes und vor allem nasses Oberteil im Bad ausziehen kann" sprach er unbeirrt weiter.
„Sie hat sich als umgezogen und kam mit meinem T-shirt an wieder raus. Ihr T-shirt und den Bh hat sie aufgehangen dort, nachdem ick es ihr angeboten habe. Sie konnte beides ja schlecht in ihre Handtasche tun"
„Hm" machte ich nur leise und Felix sprach weiter.
„Wir sind dann wieder runter und haben mit Julian getrunken. Es war nett sich einfach mal wieder zu sehen. Nachdem wir alle etwas getrunken hatten ist sie natürlich mit auf Julians Zimmer. Wir hatten beide vergessen, dass ihre Sachen noch bei mir sind. Ick war noch nicht wieder im Bad gewesen als du anriefst... naja und dann lag das halt noch im Bad..." erklärte er zu Ende.
Wir schwiegen eine Sekunde bevor ich ansetzte.
„Woher kann ich wissen, dass ich dir vertrauen kann?"
Felix schluckte einmal.
„Wir könnten hier und jetzt Tara anrufen oder unten Julian fragen. Ick hatte nie etwas mit ihr!" versicherte er mir und wirkte echt nervös, dass ich ihm nicht vertrauen könnte.
„Ich brauch kurz 5 Minuten" sagte ich dann und stand auf.
Mit großen Schritten lief ich auf die Tür zu, welche zu dem kleinen Balkon führte. Ich trat Barfuß nach draußen und schaute in die Ferne.
Sollte ich Felix vertrauen? Mein Bauchgefühl sagte mir dass ich ihm vertrauen sollte. Felix hatte mir nie zuvor einen Grund gegeben ihm zu misstrauen. Gleichzeitig hatte sich die letzten beiden Tage in meinen Kopf eingebrannt, dass er mir fremdgegangen sei. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Vielleicht würde es wirklich helfen, wenn ich diese Tara anrief oder zumindest Julian fragte. Wobei würde Julian im Zweifel wirklich objektiv sein? Ich zweifelte daran. Als Felix Bruder würde er zu ihm halten.
Ich atmete mehrere male tief durch. Felix Erklärung hörte sich doch eigentlich echt plausibel an. Doch ich verspürte in mir den Drang es irgendwie prüfen zu wollen. Ich wollte von dieser Tara hören, dass es wirklich so gewesen sei.

Fokus (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt