34. Regen

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Kayas Perspektive:

Zwei Tage war das zweite Date nun schon her und heute morgen hatte mir Felix geschrieben, ob ich nach der Arbeit Lust hatte mich mit ihm zu treffen. Er hatte einfach spazieren und Kaffe vorgeschlagen. Da ich nichts zu anderes vor hatte, hatte ich zugesagt.
Es began zu schütten, gerade als Felix und ich uns einen Kaffe ToGo geholt hatten. Ich mochte den Herbst nicht besonders. Dieses düstere und nasse war nicht meins. Zwar waren die bunten Blätter schön, aber bald würden sie als Matsche überall auf dem Boden liegen. Genervt schaute ich in den Himmel.
„Das kann doch jetzt nicht sein" beschwerte ich mich, während mir Regentropfen im Gesicht landeten. Weder er noch ich hatten eine Regenjacke oder ähnliches an. Irgendwie hatte das Wetter meiner Meinung nach nicht nach Regen ausgesehen, doch da hatte ich mich wohl getäuscht.
Felix holte sein Handy aus der Jeans und öffnete den Regenradar. Also in fünf Stunden ist die Wahrscheinlichkeit nur noch bei 75% lachte er und hielt mir das Handy hin. Na toll. 95% Regenwahrscheinlichkeit gerade. Genervt machte ich ein sonderbares Geräusch, weil ich mich aufregte. Morgen würde Felix fahren und ich konnte ihn zwei Wochen nicht sehen. Ich wollte, dass dieses Treffen toll wurde und nicht durch Regen zerstört.
„Wenn du willst können wir zu mir" schlug ich ihm vor, nachdem wir frustriert auf den Regenradar geschaut hatten.
Wieso keiner von uns beidem im Vorfeld darauf gekommen war zu schauen, ob es regnen sollte, wusste ich nicht. Nun war es aber eh zu spät. Fragend schaute ich ihn an.
„Also bei der Wahl zwischen hier nass werden oder zu dir, würd ick mich für zweites entscheiden" sagte er er und grinste, während ihm ein fetter Tropfen im Gesicht traf.
Ich unterdrückte mein kichern.
„Okay. Dann auf zu mir" sagte ich und bedeutete ihm in welche Richtung wir mussten.
Ich wusste, dass Finn und Samuel eigentlich bei einem Kumpel waren, weil dieser Umzog. Somit würde die WG wahrscheinlich leer.
Da wir uns nah an meinem Zuhause getroffen hatten, waren es zu unserem Glück keine zwei Minuten, denn der Regen wurde immer heftiger. Die letzten Meter bis zum Hauseingang fing ich an zu rennen und betrachtete wie Felix ebenfalls sein Tempo erhöhte.
„Ob das rennen wat gebracht hat, bezweifel ick" sagte er schmunzelnd und schüttelte sich kurz, während ich meinen Schlüssen heraus kramte und die Haustür öffnete.
„Zweiter Stock links" wies ich ihn an, als er vor mir die Treppen hinauf stieg.

Bevor ich die Wohnungstür öffnete warnte ich ihn jedoch noch vor.
„Wie gesagt, ich wohn in einer WG mit meinem Bruder und einem Kumpel. Es ist nicht unbedingt so ordentlich wie bei dir" gestand ich, doch er machte eine abwischende Handbewegung.
„In Marburg hab ich in einer 8er Wg gewohnt. Mich schockt nichts" meinte er nur und zog sich die nassen Schuhe vor der Tür aus, bevor er mir rein folgte.
„Hallo" rief ich laut in die Wohnung, doch es kam keine Antwort.
„Es sind beide weg" sagte ich und betrachtete Felix, welcher sich umschaute.
Sofort steuerte er auf Fotos zu, welche im Flur hingen.
„Das bist du oder?" wollte er wissen und zeigte auf ein Bild von mir, mit blauen Haaren.
„Jip. Nicht gerade die beste Haarfarbe" sagte ich und betrachtete das Bild etwas genauer.
Es zeigte mich im Sommer vor ein paar Jahren. In der einen Hand ein Bier, in der anderen ein Eis. Es war irgendwo in einem Park gewesen.
Grinsend betrachtete er noch ein paar weitere Bilder im Flur.
„Ist das dein Bruder?" fragte er dann und zeigte auf ein Bild, was erst paar Monate alt war.
„Jip. Also der linke ist Finn, also mein Bruder. Und das andere ist Samuel. Der wohnt hier auch. Ist ein guter Kumpel von ihm und jetzt auch von mir" erklärte ich.
„Und dass sind deine anderen Brüder?" fragte er interessiert, als er auf ein Bild zeigt, was meine Eltern letztes Weihnachten gemacht hatten.
„Ganz schön neugierig. Aber ja. Da neben mir steht Nils, der ist der älteste. Er ist 33. Dann kommt da Anton. Der ist nur zwei Jahre älter als ich. Und Finn ist mittlerweile auch 30" sagte ich und lachte.
„Wenn du willst zeig ich dir mein Zimmer" sagte ich, um ihn von den Familienfotos abzubringen und lief schon vor.
„Das hört sich an, als wären wir Kinder und zum spielen verabredet" lachte er und folgte mir dann.
Sobald er mein Zimmer betreten hatte schaute er sich wieder neugierig um.
„Schön" sagte er nach einiger Zeit und steuerte auf meine riesige Fotowand zu.
Natürlich wieder die Fotos, dachte ich und stellte mich neben ihn. Er betrachtete einige der Bilder und blieb dann an einem der Fotos hängen, welche mich und Jacob kurz vor seinem Tod zeigten. Ein Klos blieb mir im Hals strecken. Felix schaute nur auf das Bild, fragte aber nicht nach. Erleichtert atmete ich aus, als er seinen Kopf weiter bewegte und nun ein Kinderfoto von mir betrachtete.
„Du warst ein süßes Kind" stellte er fest und kassierte einen fragenden Blick von mir von der Seite.
„Was soll das heißen?" wollte ich schmunzelnd wissen.
„Naja. Dit du als Kind nicht hässlich warst" sagte er und zuckte bloß die Schultern.
Dann drehte er sich wieder zu mir um und war mir plötzlich ganz nah. Seine blauen Augen schauten mich an und ich erkannte die Tiefe in ihnen. Ich hatte das Gefühl, als würde die Luft zwischen uns zu knistern beginnen. Langsam machte ich einen kleinen Schritt auf ihn zu und ein Lächeln legte sich ein seine Lippen. Ich spürte, wie sein Blick zwischen meinen Lippen und Augen hin und her wanderte. Vermutlich war es bei mir nicht anders. Ich wollte ihn endlich küssen. Zu sehr hatte ich es vermisst. Als wir uns so nah waren, dass wir uns berühren konnten, legte er seine Arme um meine Taille. Plötzlich hielt ich es nicht mehr aus und streckte mich, um die wenigen Zentimeter zwischen und zu überbrücken.
Endlich spürte ich seine weichen Lippen auf meinen. Ich hatte das Gefühl vermisst. So sehr. Langsam bewegten sich unsere Lippen zusammen und ich spürte, wie weich sie waren.
Am liebsten wollte ich, dass es nie wieder aufhörte, doch das ging nicht und sachte löste er seine Lippen von meinen.
Ich betrachtete sein Gesicht wieder einmal aus der Nähe und leicht biss er sich seitlich auf seine Lippe. Ich wusste dass es die Stelle war, wo er früher den Piercing gehabt hatte. Das winzige Loch war noch zu sehen. Ich blickte wieder zu seinen blauen Augen und konnte das Strahlen in ihnen entdecken, was mich zum grinsen brachte.
„Ähm... willst du was trinken?" fragte ich ihn dann überfordert und er fing an zu lachen.
„Was?" fragte ich verwirrt.
„Du küsst mich und fragst dann, ob ich was trinken will?" fragte er entrüstet und ich zuckte bloß.
„Warum nicht?" wollte ich wissen.
„Nicht gerade sehr romantisch veranlagt" zog er mich auf und ich zeigte ihm meinen Mittelfinger.
„Also willst du was trinken?" wiederholte ich und er nickte, doch bevor ich in die Küche laufen konnte hielt er mich an der Hand fest und zog mich zu sich.
„Aber noch lieber will ick dich nochmal küssen" murmelte er bevor er für eine Sekunde unsere Lippen verband und dann zufrieden nickte.
„So jetzt will ick was trinken" entschied er und wollte schon aus meinem Zimmer gehen, als ihm ein Karton in der Ecke auffiel.
„Was ist das?" fragte er verwundert und schon kniete er sich hin.
Fuck, ich hatte vergessen, dass der Kalender hier offen rum stand. So war das eben, wenn man spontan Besuch mit nachhause nahm.
„Eis.de" las er schmunzelnd vor und drehte seinen Kopf zu mir.
„Du hast dir nhn Eis.de Advenzkalender gekoft?" fragte er, doch ich schüttelte eilig den Kopf.
„Sondern?" hakte er nach und betrachtete wie ich rot anlief.
„Lea und ich schenken uns im November immer einen Adventskalender und den hab ich dieses Jahr von ihr bekommen" gestand ich peinlich berührt.
Prüfend blickte mich Felix an.
Für einige Sekunden wurde es still, bevor er wieder seinen Mund öffnete und dreckig anfing zu grinsen. Ich machte mich jetzt schon auf einen Spruch gefasst.
„Dann wünsch ick dir viel Vergnügen im Dezember" sagte er trocken und blickte mich auffordernd an, doch ich konnte nicht anders als in schallendes Gelächter zu fallen.
„Werd ich bestimmt haben. Ich kann dir ja berichten" sagte ich spaßeshalber und zwinkerte ihm einmal zu.
„Ne passt schon, aber vielleicht können wir ja irgendwann mal was zusammen nutzen. Also wenn du wen zweites brauchst, meld dick einfach" sagte er schelmisch grinsend und sofort wich ich seinem Blick aus.
Wir hatten uns gerade erst wieder geküsst. Das ging schnell. Mein Gesicht musste mittlerweile richtig rot sein, was ihn zum Grinsen brachte.
„Ok reicht erstmal" sagte ich und schob ihn mit meiner Hand auf seiner Brust in meine Küche.
Ich wollte noch nicht über Sex mit Felix nachdenken. Das hier war gerade unser drittes richtiges Date. Okay wir kannten uns schon länger, aber beim dritten Date dachte man bestimmt noch nicht an sex oder? Andererseits war ich nicht abgeneigt. Mein Körper war schließlich verrückt nach ihm. Etwas in mir hatte jedoch auch angst. So lange hatte ich kein Sex mehr gehabt. Ob man das verlernen konnte wusste ich nicht, doch ich fürchtete mich davor.

Ich reichte ihm das Glas Wasser und füllte mir ebenfalls eins ein. Als ich mich zu ihm drehte, stand er mit dem Rücken lässig an das Regel gelehnt und betrachtete mich. Etwas überfordert nahm ich erstmal einige Schlücke aus dem Glas und ließ zu, dass er mich von Oben bis Unten musterte und anlächelte. Automatisch lächelte ich zurück. In mir machte sich das Gefühl breit, dass ich ihn wieder küssen wollte. Wenn er jetzt schon einmal in meiner Küche stand, wollte ich mir die Chance nicht entgehen lassen. Hinter mir stellte ich mein Glas ab und kam langsam auf Felix zu. Sein Grinsen wurde mit jedem Schritt größer. Als ich endlich die Küche durchquert hatte, empfing er mich bereits und beugte sich zu mir runter. Ich schloss meine Augen und unsere Lippen fanden sich blind. Meine Arme legte ich sanft um seinen Nacken, um ihn noch etwas mehr zu mir zu ziehen. Seine breiten Arme schlangen sich derweil um meinen Oberkörper. Er zog mich eng an seine Brust und durch mein und sein Oberteil spürte ich seine Wärme. Es war, als wäre dies unserer erster Kuss jemals. So stellten sich kleine Mädchen ihren ersten Kuss vor. Es war einfach bezaubernd. Vermutlich wären meine Beine zusammengesackt, wenn er mich nicht gehalten hätte.
Als wir uns von einander lösten, schauten wir uns tief in die Augen. Während ich mehrfach blinzelte, fiel mir auf, dass er es nicht tat. Ohne mit den Wimpern zu zucken betrachtete er mich. Dieses blau war einfach faszinierend.
Plötzlich brachen wir beide in schallendes Gelächter aus und lachten uns einfach an. Vermutlich einfach nur Ausdruck der ganzen Glücksgefühle in uns.
„Was machen wir denn jetzt?" fragte ich nervös, weil wir ohne Plan in meiner Küche standen.
„Also mir würden nh Menge Dinge in deinem Schlafzimmer einfallen" lachte er und zwinkerte mir zu.
„Nichts in meinem Zimmer" sagte ich schnell entschieden.
„Wir können natürlich auch hier..." scherzte Felix, doch ich unterbrach ich.
„Nein das auch nicht"
Kurz versuchte er ein schmollenden Gesichtsausdruck hin zu bekommen, doch überzeugend war er nicht gerade.
Einen Moment überlegte ich, was wir jetzt machen konnten. Film schauen war doch irgendwie auch langweilig, entschied ich und verwarf die Idee. Als mein Blick auf das Mehl hinter Felix im Regel fiel, kam mir die Idee.
„Wir könnten backen" schlug ich ihm enthusiastisch vor.
„Jehu" sagte er ironisch, nickte aber zustimmend.
„Aber du musst auch später einen Muffin essen. Versprochen?" wollte ich wissen.
„Kommt bisschen auf das Rezept drauf an" lachte er.
Mit der Antwort würde ich mich zufrieden geben. Schnell stöberte ich alle Schränke durch und stellte alle Zutaten auf den Küchentisch.
„Hast du nhn Rezept?" fragte er, sobald ich mich auf einem der Stühle niederließ.
„Nö, aber brauch ich auch nicht"
„Dann auf gehts. Aber wenn du irgendwas komisches darinn machst ess ick dat nicht" stellte er noch einmal klar und ich salutierte.

Eine halbe Stunde später waren die Muffins im Ofen und ich betrachtete Felix. Er hatte einiges an Mehl in seinem Gesicht und an den Klamotten. Vielleicht lag es daran, dass er mich ja unbedingt hatte küssen müssen, als ich das Mehl zu dem Teig geben wollte. So gesehen war er aber ja selber schuld.
Ich hoffte wirklich, dass die Muffins später schmeckten. Felix hatte es mit den Angaben die ich ihm gesagt hatte, immer nur so ungefähr genommen. Er hatte darauf bestanden, dass wir zum Schluss fast doppelt so viele Schokostreussel in den Teig gegeben hatten. Ich hatte es ihm nicht ausreden können und nach einem schnellen Kuss, war ich überzeugt gewesen.

Fokus (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt