𝐾𝐴𝑃𝐼𝑇𝐸𝐿. 1

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"Guten Morgen, Josh." begrüße ich den Wachmann Josh und nicke ihm zu. Seine Augen sind müde, aber er lächelt höflich zurück. "Guten Morgen, Alice." Gerade als ich weitergehen will, höre ich plötzlich jemanden meinen Namen rufen. Als ich mich umdrehe, sehe ich Billy auf mich zukommen. "Alice, ich hab hier neue Akten für dich. Es gibt ein paar neue Gefangene." Ich nehme die Akten von ihm und lächle leicht „Danke, Billy."

In meinem kleinen Behandlungszimmer angekommen, lege ich meine Tasche ab und werfe die Akten auf den Tisch. Ein weiterer Tag in diesem grauenhaften Gefängnis. Die Müdigkeit hängt wie eine schwere Last auf mir, und alles, wonach ich mich sehne, ist mein Bett.

Vor fünf Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich mal hier arbeiten würde. Seitdem ich angefangen habe, hat sich nicht viel verändert. Ich hasse diesen Ort immer noch. Aber eine Sache habe ich gelernt: Die Welt ist voll von Menschen, die zu grausamen Dingen fähig sind.

Ich verlasse mein Behandlungszimmer und gehe in den Gemeinschaftsraum, um mir einen Kaffee zu machen. Der erste Schluck vertreibt zumindest ein bisschen die Müdigkeit. Hier halten alle Mitarbeiter ihre Pausen ab, und es ist fast immer jemand da. Ich greife nach der Zeitung und blättere durch die Nachrichten aus New York.

Wieder mal eine Horrorgeschichte nach der anderen. Es scheint, als würde die Stadt jeden Tag mehr durchdrehen „Mit dem falschen Fuß aufgestanden?" Lilly kommt lächelnd auf mich zu und umarmt mich kurz. Für einen Moment lasse ich mich in die Umarmung fallen und entspanne mich etwas.

Lilly kümmert sich hier um die Büroarbeit „Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen." murmle ich und greife nach meinem Kaffee. Sie schaut mich verständnislos an, während sie sich ebenfalls einen einschenkt "Wegen Ethan?" Ich nicke nur "Vergiss den Typen, Alice. Er ist es nicht wert." Natürlich weiß ich das.

Ethan war meine erste große Liebe, aber irgendwann wurde aus allem Schönen nur noch Schmerz. Ich hasse ihn dafür, aber es fällt mir schwer, ihn wirklich loszulassen.

"Na, Alice. Alles gut?" Lilly und ich blicken zur Tür, wo Winston hereinkommt, wie immer mit einem breiten Lächeln "Ja, bei dir, Wini?", er verdreht die Augen. ", ich hab dir doch gesagt, dass du aufhören sollst, mich so zu nennen.", ich lache leicht und werfe einen Blick auf die Uhr. Es ist Viertel nach acht. "Sind die kleinen Mücken schon wach?" frage ich „Ja, sie frühstücken gerade." antwortet Winston, und ich lehne mich zurück.

Gerade als Lilly und ich weiterreden wollen, werden wir unterbrochen „Alice, wir haben zwei Verletzte." ruft Bob hektisch. Sofort mache ich mich auf den Weg zurück in mein Behandlungszimmer, wo Tim schon wartet.

Er grinst mich an, obwohl sein Gesicht blutverschmiert ist und er eine Wunde am Bein hat. Neben ihm steht Lincoln ruhig und wartet "Warte draußen, Lincoln." sage ich, und er nickt und stellt sich vor die Tür. Ich ziehe mir Handschuhe an und spüre Tims Blick auf mir. "Also, Tim, was hast du diesmal wieder angestellt?" frage ich. "Nur meinen Job gemacht." antwortet er grinsend.

"Zieh die Hose aus." weise ich ihn an, und er gehorcht, ohne sein Grinsen zu verlieren. Tims Körper ist voll mit Tätowierungen und sein Boxerschnitt zeigt noch mehr Symbole auf seinem Kopf. Trotz der Wunde scheint er sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. "Ich warte immer noch auf den Tag, an dem du mir sagst, dass du mich liebst." sagt er mit einem Zwinkern.

Ich verdrehe die Augen und begutachte seine Wunde. Es ist eine Schnittwunde, nichts Lebensgefährliches aber es muss behandelt werden. Routiniert reinige ich die Wunde und versuche, nicht auf seine Anmache einzugehen "Da kannst du lange warten." sage ich trocken.

"Ich liebe dich trotzdem Püppchen und mir gefällt es nicht, wie die anderen Männer über dich reden." murmelt er.

Ich weiß, dass die Männer hier über mich reden. Lilly und ich sind die einzigen jungen Frauen in diesem Gefängnis und für viele sind wir einfach nur frisches Fleisch.

Es ist unangenehm, aber ich habe gelernt, damit umzugehen. Ich beende die Behandlung und reiche ihm ein Glas Wasser mit Schmerztabletten "Trink das und versuche das Bein nicht zu belasten. In zwei Tagen kommst du zur Kontrolle wieder." Tim steht auf, grinst noch einmal und sagt: "Ich werde dich vermissen, Püppchen.", ich winke ab. "Das wirst du sicher, Tim. Kein Zweifel." antworte ich, bevor Lincoln ihn wegführt.

Es ist immer die gleiche Routine. Ich behandle Verletzte, höre mir dumme Sprüche an und gehe dann weiter zum nächsten Patienten. Als einzige Ärztin hier bin ich ständig im Einsatz, oft bis spät in die Nacht.

Ich fahre mir durch meine Haare und reibe mir die Augen. Die ersten Anzeichen von Kopfschmerzen machen sich bemerkbar, also nehme ich schnell zwei Schmerztabletten. Ich warte, bis das Pochen nachlässt und mein Herzschlag sich beruhigt.

Diese verdammte Krankheit.

IVAN||✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt