𝐾𝐴𝑃𝐼𝑇𝐸𝐿. 15

3.9K 70 0
                                    

Stunden vergehen.

Ivan hat mich wieder in mein Zimmer eingesperrt. Die Situation ist mir nur noch unangenehm.

Verdammt peinlich.

Seufzend fahre ich mir durch die Haare und kann nur an seine Berührung denken. Scheiße, wie göttlich es sich angefühlt hat. Und seine Stimme... einfach überwältigend.

Ich stehe auf und gehe an die frische Luft. Ich kann hier nicht länger bleiben. Ein Fluchtplan ist dringend erforderlich.

Ich schaue mich um. Vier Männer von Ivan stehen in der Nähe. Zwei auf der Hauptstraße. Es wird schwierig sein, an ihnen vorbeizukommen, vor allem wegen der Kameras, die überall installiert sind.

Doch dann entdecke ich eine kleine Tür, die direkt auf die Hauptstraße führt. Ein Funken Hoffnung leuchtet in meinen Augen auf.

Vielleicht kann ich es schaffen, von hier zu entkommen. Heute Nacht, genau um Mitternacht, werde ich hier verschwinden.

Ich schaue auf die Uhr und ziehe mir unauffällige Kleidung an. Lange sitze ich dort und warte auf den perfekten Moment.

Als ich im Flur Schritte höre, bin ich mir sicher, dass Ivan erneut seine Männer vor meine Tür postiert hat.

Es ist genau ein Uhr morgens. Ich stehe auf und lasse die Kleidung, die ich zu einem Strick zusammengebunden habe, über den Balkon hinunterfallen. Langsam klettere ich hinunter.

Der Boden unter meinen Füßen gibt mir ein Gefühl von Stabilität, das meine zitternden Arme stärkt.

Mit einem schnell schlagenden Herzen und Adrenalin im Körper schleiche ich mich an den Wachen vorbei zur kleinen Tür.

Die Tür ist verschlossen. Frustriert seufze ich und klettere darüber. Als ich es auf die andere Seite geschafft habe, renne ich los.

Ich renne so schnell ich kann die Straße entlang, bis ich nicht mehr kann. Der Wind peitscht mir durch die Haare, mein Herz schlägt schnell und mein Atem ist flach. Schließlich bleibe ich stehen und stütze mich auf meine Beine.

Es fühlt sich an, als würde meine Lunge in die Form einer Eichel zusammenziehen.

Ich schlucke schwer und setze meinen Weg fort, als ich den Central Park erreiche. Nach Hause zu gehen, wäre zu riskant.

Ich sehe mich verzweifelt um und laufe langsam durch den Park, ohne ein konkretes Ziel vor Augen. Erst jetzt bemerke ich, wie gruselig diese Gegend in der Nacht ist. Die Kälte und die fremden Obdachlosen machen mir Angst.

Zu dieser späten Stunde treiben sich die unheimlichsten Leute in der Stadt herum. Also mache ich mich so schnell wie möglich auf den Weg.

Die Autos fahren an mir vorbei. Plötzlich wird mir klar, dass ich ohne Plan geflohen bin. Ich hätte mir unbedingt einen Fluchtplan überlegen sollen.

Wenn Ivan schon alles über mich weiß, kann ich nicht einfach zu Lilly oder jemand anderem gehen. Ich kaue nervös auf meinen Lippen.

„Alles in Ordnung?" Eine Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Ich sehe nach links und erblicke einen gut aussehenden Mann. Er hat dunkelblonde, sehr kurze Haare, einen muskulösen Körper und eine Narbe am Auge. Doch er wirkt nichts im Vergleich zu Ivan.

Warum vergleiche ich diesen Mann mit dem Psychopathen? Ich schüttle den Kopf. „Ähm... ja, alles bestens."

„Sicher? Du siehst nicht danach aus." Er steht vor einer Bar und scheint ein Telefonat geführt zu haben.

Ich kann keinem fremden Mann vertrauen, auch wenn er gut aussieht. Ich habe kein gutes Gefühl bei ihm.

Ich gehe an ihm vorbei. Der Fremde starrt mir nach. Ich laufe weiter die Straße entlang, ohne über meine Situation nachzudenken.

„Warte." Ich spüre eine Hand an meinem Arm. Erneut blicke ich zu dem Fremden. „Fass mich nicht an.", „Entschuldigung." sagt er und zieht seine Hand zurück. „Hast du dich verlaufen?"

„Huh? Wie kommst du darauf?"

„Es sieht so aus, als wärst du einen Marathon gelaufen, und dann noch diese späte Uhrzeit, dazu hast du keine Schuhe an.", „Ähm... sagen wir, ich bin auf der Flucht?" Der Fremde lacht auf. „Bist du eine Kriminelle?", „Nein.", er nickt lächelnd. „Kannst du nirgendwo unterkommen?", ich schüttle den Kopf. „Du kannst bei mir schlafen, falls du keinen Ort hast," bietet er an. „Warum sollte ich einem Fremden vertrauen?"

„Glaub mir, wenn ich dir etwas tun wollte, hätte ich es längst getan. Es ist reine Höflichkeit. Ich kann keine Frau in dieser Zeit hier alleine lassen und mit ruhigem Gewissen schlafen.", wie süß. Jedenfalls scheint er kein Psychopath zu sein. Was habe ich für eine Wahl?

Ich reibe mir die Augen. „Okay."

„Komm, mein Wagen steht dort drüben." Ich folge ihm zu einem Porsche.

„Bist du reich oder so?" frage ich überrascht.

„Sagen wir, ich habe ziemlich gute Geschäfte am Laufen," erklärt er. „Mafia?"

„Ich leite eine Firma," antwortet er und schüttelt den Kopf. Nun, ich sehe keinen Grund, warum er lügen sollte.

Nach einem kurzen Zögern steige ich ein, und der Mann fährt los. „Mein Name ist Elliot.", stellt er sich vor.

„Alice." sage ich knapp und sehe aus dem Fenster. „Also, vor wem flüchtest du, Alice?"

Ich schaue zu Elliot. Ich kann ihm kaum sagen, dass ich gekidnappt wurde oder ähnliches. „Ähm... hast du ein Handy?" lenke ich vom Thema ab.

„Klar.", sagt er und reicht mir sein Handy.

Ich tippe Lillys Nummer ein und rufe sie an. „Hallo?"

„Lilly, ich bin's."

„Oh mein Gott, Alice. Verdammt, wo warst du?! Wir haben uns solche Sorgen gemacht."

Im Hintergrund höre ich Winston, der ans Telefon geht. „Wo bist du, Alice?! Hast du eine Ahnung, was du uns für Sorgen gemacht hast?"

Ich seufze und reibe mir die Stirn. „Es tut mir leid. Ich war nur—" Was soll ich als Ausrede anführen? „Es ist etwas dazwischengekommen."

„Ich hole dich ab."

„Nein, Winston. Es ist schon okay. Ich wollte euch nur sagen, dass es mir gut geht. Ich nehme mir ein paar Tage frei."

„Was ist los, Alice?"

„Wir reden ein anderes Mal darüber. Ich muss auflegen." Mit diesen Worten beende ich das Gespräch und reiche Elliot sein Handy zurück. „Danke."

„Ist es etwas, worüber ich mir Sorgen machen sollte?" fragt Elliot.

Ich lächle schwach. „Nein."

Wir erreichen eine wunderschöne Villa. Im Vergleich zu Ivans Gefängnis ist dieses Haus kleiner und heller. Elliot wird von seinen Leuten begrüßt. „Du kannst bleiben, so lange du willst."

Irgendwie kommt mir diese Situation sehr bekannt vor. Viel zu bekannt.

Ich schlucke schwer. „Weißt du, ich äh..."

Elliot lächelt aufmunternd. „Mach dir keine Sorgen, Alice. Morgen früh können wir zur Polizeistation gehen, wenn es unbedingt nötig ist."

Ich sehe ihn verwirrt an. Diese Mimik, diese Haltung. Auch wenn ich Medizin studiert habe, umfasst das auch Psychologie. Ich erkenne die Zeichen.

Er lügt.

Mein Herz schlägt schneller. Meine Lunge zieht sich zusammen und meine Hände beginnen zu zittern.

Ich bin so verflucht am Arsch.

IVAN||✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt