-30- Von Lihambra und Erinnerungen II

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Ich wusste, was er vorhatte, bevor ich das Zucken seiner Muskeln sah. So kam es erst gar nicht zu dem Feuerstrahl, der die Dunkelheit durchbrach. Ich unterdrückte ihn in ihm, bevor er eine Form annehmen konnte. Im Grunde wäre es egal gewesen, ob er mir sein Feuer entgegengeschleudert hätte oder nicht. Es würde mich nicht umbringen, nicht annähernd. Es wäre eher einem juckenden Mückenstich gleichgekommen. Nicht bedrohlich, aber nervig. Doch für ihn spielte es eine Rolle. Ich musste ihm zeigen, dass sein Handeln falsch war. Dass ich Macht über ihn hatte

Es gab einen Knall, als die ungenutzte Energie verpuffte. Sie musste sich entladen. Nichts verschwand einfach so. Es zeriss die Idylle dieses Ortes.

Das machte mich noch wütender.

Er kam näher, ich ließ ihn laufen, bis er vor mir stand. Was sollte schon passieren? Ich spürte bereits, dass ihn mein Schlag einiges an Kraft gekostet hatte. Würde er es noch einmal versuchen, würde ich die Sache klären, ein für allemal. Immerhin würde seine letzte Reise nicht weit sein. Diese Götterseele käme sofort ins Totenreich. Nicht so, wie manch andere Seele, die mehrmals in verschiedenen Welten leben konnte, bevor sie ihr Ende fand. Wenn sie es nicht mehr wollte.

„Noch kannst du es dir überlegen und umkehren. Dann tue ich dir nichts."

Meine Worte beeindruckten ihn nicht. Miron wich nicht zurück, sondern fixierte mich mit seinen sternengleichen Augen. Ich knurrte, und es versetzte ganz Lihambra, das ganze Universum, in dem wir uns befanden, in Schwingung. Ein bedrohliches Lied, welches die Klänge der Welten übertönte. Eine Melodie, die von Untergang kündete.

Miron rührte sich nicht, starrte mich nur weiter an.

„Oder eben nicht." Ich beschwor meine Macht herauf, hielt sie bereit. Wie eine Pistole mit gespannten Hahn, die nur darauf wartete, dass der Abzug gedrückt wurde.

Es geschah schnell.

... es ...

Es war anders als erwartet.

Es war nicht Miron, der vor Schmerzen brüllte. Sondern ich.

Er war aus meinem Blickfeld verschwunden. Nicht nur aus meinem Blickfeld, sondern vollständig. Er hatte Lihambra verlassen. Aber nicht, ohne Spuren zu hinterlassen. Er ließ etwas zurück. Etwas, das sich in meinen Rücken bohrte.

Schnell wandte ich mich um, doch ich sah nichts.

Ich spürte den Gott in einer anderen Welt, wollte ihm folgen. Es gelang mir nicht.

Die Bewegung führte dazu, dass sich der Schmerz langsam weiter durch mich schraubte, während ich brüllte. Vor Schmerz und Zorn. Es erschütterte die Existenz an sich, führte zu neuen Gräben in den Welten, doch das war mir egal.

Wie konnte er es wagen?

Es stach, pochte und zog. Schlitzte mich innerlich immer weiter auf. Stück für Stück, von innen heraus nach außen. Blut floss keines.

Das Gefühl, auseinanderzufallen, der Schmerz, ergoss sich durch meinen gesamten Körper.

Ich machte einige Schritte, ohne zu wissen, wozu oder wohin. Es war unmöglich, diesem Gefühl zu entkommen. Auch das Brüllen half nicht. Ich zerfloss.

Es tat weh. Ich spürte die Bedrohung. Sie war echt. Wie war ihm das gelungen?

Ich wollte aus dieser Welt verschwinden, Miron verfolgen. Es gelang mir nicht. Mein Körper war nutzlos, hörte nicht mehr auf das, was ich ihm befahl. Ich war machtlos. 

Nun gut, dann eben gedanklich. Ich musste feststellen, dass meine Gedanken fest in mir eingeschlossen waren, hinter Gittern, nicht fähig, außerhalb meiner selbst etwas zu suchen. Wenn sie so weit kamen. Die meisten zerfielen sofort wieder wie ein Schneeball, der nicht fest genug zusammengedrückt worden war, Ehe sie überhaupt entstehen konnten. Ich versuchte es einige Male. Es war sinnlos. Nichts geschah.

Lihambra - Geheimnis der RabenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt