-26- Von Wahrheit und Soße I

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„Kommst du auch mal runter.“ Die Kälte in der Stimme meiner Mutter hätte mich fast erschreckt, bevor ich mir bewusst wurde, dass sie meistens so mit mir sprach.

Nein, nicht meine Mutter. Sabine.

„Wie war denn die Prüfung?“ Thomas wirkte freundlicher. Es machte den Eindruck, als würde ihn die Antwort tatsächlich interessieren. Sein Blick ruhte auf mir.

„Ganz gut“, log ich, während ich mich neben Bob setzte. Sie sollten nicht erfahren, dass ich nie an der Prüfung teilgenommen hatte. Das wäre ja noch schöner.

Stille kehrte ein, in der das Klappern der Teller zu hören war, die Sabine aus dem Schrank holte. Es war ein ganz normaler Abend.

Noch.

Bis ich ihn zunichtemachen würde. Ich allein entschied, wie lange es so harmonisch blieb.

Bob lud sich seinen Teller mit Nudeln voll, gefolgt von einem kleinen Klecks Soße.

Bevor jemand anderes ein neues Thema anschneiden konnte, erklärte ich: „Da ist etwas, das ich euch fragen muss.“

„Ich habe ihnen schon gesagt, dass jemand bei dir war", sagte Bob.

Warum musste er das verpetzen? Auch egal. Es tat nichts zur Sache.

„Sieht man diesen jemand auch mal?“ Sabine klang nicht sonderlich interessiert. Als würde sie belangloses von der Arbeit erzählen.

„Darum geht es jetzt nicht. Ich…“, mein Blick senkte sich auf meine Hände. Es wurmte mich, nicht mehr die Kontrolle über das Gespräch zu haben. Ich musste sie wieder an mich reißen!

Dieser normale Abend endet in drei ... zwei ... eins ..., dachte ich bei mir, bevor ich die alles verändernden Worte ausstieß und den Kopf wieder hob.  „Ich bin nicht euere Tochter, nicht wahr?“

Die Lunte war gezündet. Ich freute mich bereits jetzt darauf, das Feuerwerk aus Erklärungsnot, Überraschung und Verblüffung zu sehen.

Ich wurde nicht enttäuscht.

Der Löffel, mit dem sie sich eben Nudeln aus dem Topf holen wollte, glitt ihr aus der Hand. Er landete klappernd in dem Behälter.

Sabine starrte mich an. „Wer hat dir das gesagt?“ Die Atmosphäre in der Küche war so angespannt, als wäre sie ein Luftballon kurz vor dem Platzen. Nur noch ein kleiner Stoß.

„Spielt das eine Rolle?" Ich fixierte sie mit verengten Augen.

Still holte ich Asir dazu. Ein leichtes Zupfen an dem Faden, der uns verband. Ich wollte nicht mehr alleine hier stehen. Sollten sie alle sehen, wer mir die Wahrheit gesagt hatte, während sie mein Leben auf einer Lüge aufgebaut hatten. Auf einer so elementaren, dass die Auflösung nun alles in sich zusammenfallen ließ. Ein instabiler Keller, der dafür sorgte, dass das ganze Haus zusammenfiel. Jedoch war ich nicht diejenige, die unter dem Schutt begraben wurde.

Die Stufen knarzten.

„Das war ich.“ Er blieb im Türrahmen stehen, verschränkte die Arme vor dem Körper und beobachtete Sabines Reaktion mit leicht schiefgelegtem Kopf. Wie ein Raubtier, das mit seiner Beute spielte.

„Ich weiß weder, wer du bist, noch woher du diesen Unsinn hast. Aber verschwinde!“ Sabine blickte Asir an. Ihre Stimme schwankte, sie fuhr sich mit einer schnellen Bewegung durch die Haare. Ich wusste, dass sie sich in die Ecke getrieben fühlte. Nicht wusste, was sie machen sollte. Gut so. 

Als Asir keine Anstalten machte zu gehen, setzte Sabine noch einmal nach. „Das du hier bist, ist übrigens Hausfriedensbruch.“

„Nein“, fuhr ich dazwischen. „Ich hab ihn  reingelassen!“

Lihambra - Geheimnis der RabenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt