-15- Von Skeletten und einem Beben

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Nachdem wir eine Höhle erreicht und ein Lager errichtet, sowie etwas gegessen hatten, setzte ich mich auf meine Decke vor das Feuer und starrte hinein. Ich fand schon immer, dass Feuer etwas Hypnotisierendes an sich hatten. Durch die Wärme, die sie ausstrahlen, das helle Tanzen der Flammen in der Dunkelheit, das Knacken und Knistern und hin und wieder die Funken, die in die Luft flogen. Jetzt fand ich diesen Effekt nur noch verstärkt. Ich holte die Drachenschuppe aus einer Tasche meines Umhangs und hielt sie vor mich.

Auf dem Weg hatten wir immer wieder das Kreischen der Oika gehört, bis wir uns weit genug von den Tümpeln entfernt hatten. Es hatte uns begleitet wie ein Song in einem Supermarkt, egal wohin wir ritten, das Geräusch war immer da. Irgendwann waren selbst diese Rufe in der Ferne verklungen, und das helle Licht des Tages war langsam von der Dämmerung abgelöst worden. Vor uns hatte eine lange Felswand aufgeragt. Es dauerte nicht lange, bis wir eine Höhle gefunden hatten, in der wir alle unterkamen, inklusive der Pferde. Hier war es nicht mehr so heiß. Denn, wie mir Arokin erklärte, sogen die Felsen die Wärme in sich auf. In der Höhle herrschte eine angenehme Temperatur.

„Seht euch das an“, sagte ich, als Asir und Arokin ans Feuer kamen. Arokin war für einen Flug verschwunden, sein Bruder hatte die Pferde versorgt. „Die Schuppe hat ihre Farbe geändert.“ Sie war nicht mehr golden, sondern grün.

„Ja, das konnten Drachen. Sie haben ihre Farbe geändert. Je nachdem, was sie in diesem Moment empfanden. Oder sie haben einfach in die Farbe gewechselt, auf die sie gerade Lust hatten“, erzählte Arokin. Das Feuer warf unsere Schatten tanzend an die Höhlenwand und schien auf seinem Gesicht wider. Auch die Schuppe schien vom Feuer angezogen zu werden wie ein Magnet von seinem Gegenpol. Ich streckte die Hand ein wenig aus. Die Wärme, die sich auf meiner Haut ausbreitete, empfand ich als angenehm. Fast hätte ich sie den Flammen übergeben, vergrub die Schuppe schlussendlich dennoch schnell in meiner Tasche. 

Die Tatsache, dass ich einen Teil eines echten Drachen gefunden hatte, erfüllte mich immer noch mit kleinkindlicher Freude.

„Aber jetzt gibt es keine mehr, da muss ich dich enttäuschen.“ Asir klang nun nicht mehr kühl.

„Was ist mit ihnen passiert?“

„Sie sind verschwunden. Aber da es in Nuria immer wieder Spuren ihrer Knochen gibt, ist klar, dass sie ausgestorben sind. Leider.“ Er seufzte.

„Das sagst du zumindest. Ich glaube, es könnte noch welche geben. Irgendwo“, sagte Arokin. „Ich würde mich jetzt gerne ausruhen. Wer übernimmt die erste Wache?“

„Das mache ich. In ein paar Stunden wecke ich dich und danach ist Sarah dran.“ Asir stand auf und setzte sich näher an den Höhleneingang, sein Schwert nahm er mit und lehnte es neben sich gegen die Wand.

Ich legte mich hin und war schnell eingeschlafen, das lag garantiert nur daran, dass heute so viel passiert war, denn der Boden war sehr unbequem. In der Nacht träumte ich davon, dass Sophie auf einem Drachen ritt und die Welt erkundete. Und dann kam sie wieder zu uns, um uns von ihren Abenteuern zu berichten.

Eine Berührung an meinem Arm riss mich aus dem Schlaf.

„Du bist dran“, flüsterte Arokin mir zu. Knurrend erhob ich mich und ging auf den Höhleneingang zu. Raventos nahm ich mit. Dass mein Körper sowohl vom langen Ritt als auch durch den harten Boden schmerzte, ignorierte ich. Genauso wie die Schwere meiner Augenlider.

Draußen wehte ein kühler Wind durch eine sternenklare Nacht. Der Mond stand voll am Himmel. Es war kein Geräusch zu hören. So setzte ich mich an Ort und Stelle hin und blickte in die Nacht. Die Landschaft war hauptsächlich von Sand geprägt. Hier und dort meinte ich, einige kleine Pflanzen zu erkennen, die den Gegebenheiten trotzten. Hinter mir ragten die Felsen in die Höhe, die in der Wüste fast wie ein Gebirge wirkten. 

Lihambra - Geheimnis der RabenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt