-14- Von Zeitbomben und einem Stein III

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„Nein. Komm schnell hier raus. Sonst ist das wirklich dein Ende", die Stimme kam mir bekannt vor, auch wenn ich nicht wusste, woher.

„Aber ich will nicht. Ich habe hier Freunde. Ich bleibe hier", mein Protest wurde nicht beachtet. Ich wurde einfach am Arm gepackt und weg vom See gezogen.

„Hey", rief ich, „lass das. Ich bleibe hier!" Vergeblich versuchte ich, mich aus dem Griff zu befreien.

„Oh nein", die Rehgestalt stellte sich uns in den Weg, „Das ist unsere Freundin, du wirst sie nicht mitnehmen."

„Sie gehört euch nicht", sprach der, der mich am Arm hatte. „Sie hat das Wasser nicht getrunken."

„Aber sie hat etwas von uns", kam die Antwort, immer noch empfand ich es als die schönste Stimme, die ich je gehört hatte. Sie klang so melodisch.

„Das gehört euch auch nicht", sagte er. Jetzt wusste ich, wer es war. Arokin. Ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf.

Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich eine andere Gestalt vor mir. Sie hatte nur noch entfernt etwas von einem Reh. Der Kopf war unförmig, mit riesigen roten Augen. Lange spitze Zähne ragten aus seinem Kiefer. Es hatte vier lange, dünne Beine und einen kurzen, gedrungenen Körper. An den vorderen Beinen hatte es Pfoten mit langen Klauen, an den hinteren Hufen.

„Wir haben sie gefunden. Und sie hat gesagt, sie will bei uns bleiben." Die zweite Gestalt, die so aussah wie die erste nur mit zwei ungleichgroßen Hörnern auf dem Kopf, kam auf uns zu. Die Stimme klang verzerrt, schrill.

Die Umgebung hatte sich ebenfalls verändert. Nichts erinnerte mehr an die Schönheit von vor ein paar Augenblicken. Das Gras war vertrocknet und der Wald bestand lediglich aus den Skeletten kleiner abgestorbener Bäume. Der See war ein dreckiger Tümpel und als ich daran dachte, dass ich fast daraus getrunken hätte, stieg mir ein unangenehmer Geschmack in den Mund. Es roch nach abgestandenem Wasser.

„Ich habe es mir anders überlegt", brachte ich hervor.

„Hast du das gehört?", die Stimme der Gestalt ohne Hörner tat mir in den Ohren weh. „Sie hat es sich anders überlegt!" Der letzte Satz ging in ein Kreischen über.

„Wir sollten weg von hier", stellte Arokin fest und wollte losrennen. Doch die Gestalten fletschten die spitzen Zähne und machten keine Anstalten, uns durchzulassen. Dann kamen sie auf uns zu gerannt. Das Wesen ohne Hörner sprang mich an und wollte die Zähne in meinen linken Arm schlagen, doch ich wich im letzten Augenblick aus. Ich hörte die Kiefer neben mir zusammenschlagen.

Ich dachte an Raventos, wie gerne hätte ich mein Schwert bei mir gehabt. Aber es hing am Sattel meines Pferdes. Unmöglich, da heranzukommen. Immerhin hatte ich den Dolch. Ich zog ihn aus meinem Gürtel und kurz fühlte er sich schwerer an, fast wie ein Schwert. Es war besser als nichts.

„Du hast etwas, das uns gehört." Die Gestalt sprang erneut auf mich zu. Ich hielt den Dolch nach vorne, sodass das Wesen dort hineinsprang. Es kreischte so schrill, dass es sich anfühlte, als würden meine Ohren platzen. Das Tier lief zurück, meine Waffe ragte aus seiner Brust und blaues Blut lief auf den Boden. Das Gras schien an den Stellen, an denen das Blut es berührte, noch mehr zu verwelken. Ich sah Arokin, der an einer Stelle stand, als wäre er versteinert. Hatten sie nun ihn in seinen Bann gezogen?

Als ich Schritte hinter mir hörte und mich umdrehte, sah ich das Ungeheuer mit den Hörnern. Sie schienen weiter gewachsen zu sein. Was sollte ich jetzt tun? Mein Dolch steckte immer noch in der Brust des anderen. Auch dieses Wesen begann nun, mich zu umkreisen. Das war's dann wohl, dachte ich noch und duckte mich weg. Ein Kreischen, das die Luft zerriss, ließ mich aufblicken. Das Tier fletschte die Zähne, sah für mein Empfinden fast erstaunt aus, mit seinen weit aufgerissenen roten Augen, die von Weiß umgeben waren. Dann verschwand es aus meinem Sichtfeld, nicht, ohne vorher noch einmal zu schreien. Es hinterließ eine Spur aus blauem Blut und verrottendem Gras. Ein Pfeil ragte aus seiner Seite.

Lihambra - Geheimnis der RabenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt