Irgendwann waren wir in einem Haus angekommen. Es sah anderes aus als die Häuser in Drosk, moderner. Es hatte zwei Stockwerke und ein flaches Dach. Alle Häuser sahen so aus, nur bestanden sie aus einem Stockwerk. Nach dem steinernen Hafen kam eine kleine Fläche, bevor das kleine Örtchen anfing, sich vor unseren Füßen auszubreiten. Groß schien die Insel nicht zu sein, denn ich hatte das Meer auf der anderen Seite sehen können. Das war es, worauf ich mich konzentriert hatte, das Meer, das am Horizont fast eins mit dem blauen Himmel geworden war. Jetzt saß ich da, ließ meinen Blick von einer Seite auf die andere schweifen und wartete. Ich wusste nicht, was als nächsten passieren würde und das war das Schlimmste.
Die Frau war wieder nach draußen gegangen, nachdem sie mich in einen Raum auf den Boden geschubst hatte. Der Mann, der Sophie getragen hatte, hatte sie auf den Boden gelegt und sich dann an einem Schrank bedient. Jetzt stand er da, trank irgendein Gebräu und ließ uns dabei nicht aus den Augen. Den Stufen, die nach unten und oben führten, wandte er den Rücken zu. Es gab ein paar Regale an der Wand. Die Wände waren mit Holz verkleidet. Ansonsten war der Raum, bis auf einen kleinen Tisch an der Seite, leer.
Sophie bewegte sich, was mir trotz allem ein wenig Erleichterung verschaffte. Die allerdings sofort verflog, als etwas mit einem Krachen gegen die Wand schlug. Die Vibration übertrug sich durch den Boden bis zu mir.
„Was, habt ihr noch mehr für mich?“ Die Stimme, die durch den Flur drang, war zu tief für eine Frau, aber zu hoch für einen Mann. Es war seltsam. „Madira, du überraschst mich immer wieder.“
„Deswegen bin ich ja auch die Richtige dafür.“
„Und du bist dir sicher, dass das Schiff von Saros ist?“, fragte die andere Stimme.
„Wer sonst könnte so etwas? Meine Leute haben immer noch nicht herausgefunden, wie genau der Antrieb funktioniert.“
„Deine Leute?“, ich hörte die Mahnung in den Worten.
„Verzeih, Khori.“
Dann wurde die Zimmertür geöffnet. Oder eher aufgestoßen. Auch sie schlug gegen die Wand. Der Mann, der uns offensichtlich bewachen sollte, ließ sein Getränk beinahe fallen und stellte sich aufrecht hin. In der Tür erschienen die Frau, die allem Anschein nach Madira war, und ein Mann. Er hatte Narben im Gesicht, eine Glatze und trug ebenfalls ein rotes Halstuch.
„Und was genau hast du mit ihnen vor?“, fragte der Mann, der offensichtlich Khori war, und kam ein paar Schritte auf mich zu.
„Das liegt ganz bei dir. Schließlich bist du der Anführer.“
Das entlockte ihm ein Grinsen. Ich sah, dass ihm einige Zähne fehlten. „Und du bist die ausführende Hand. Ich habe heute schon zwei ausgezeichnete neue Schwerter bekommen und ein paar Pferde und ein Schiff, wenn auch ein kleines. Du hast sie gefunden, du darfst dir auch deinen Lohn nehmen.“
Der Mann sah auf den Boden. „Khori, darf ich mich entfernen?“ Der angesprochene machte eine abfällige Bewegung. „Natürlich. Geh schon.“ Er verschwand.
„Ich habe den Dolch hier“, sagte Madira und hielt ihn demonstrativ in die Höhe. „Das reicht eigentlich. Aber wenn ich mir es so recht überlege…“ Sie kam wieder auf mich zu und mein Herzschlag beschleunigte sich, als sie langsam in die Hocke ging. Dann nahm sie mein Gesicht in ihre Hand und drehte es von links nach rechts. Dabei fiel mein Blick auf einen Anhänger, den sie unter dem Halstuch trug. Es war eine silberne Kugel, die bunt schimmerte. „Ich nehme die andere. Ich möchte etwas ausprobieren. Wo auch immer die beiden herkommen, von hier scheinen sie nicht zu sein.“ Sie sah mir in die Augen, bevor sie endlich mein Gesicht losließ. „Mit ihr kannst du machen, was du willst.“
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Lihambra - Geheimnis der Raben
FantasíaSarah hat es in ihrem Leben nicht leicht. Nach dem Tod ihrer Schwester wird sie immer wieder von der Trauer eingeholt. Aber all das rückt in den Hintergrund, als wenige Tage vor ihrem Schulabschluss ein neuer Schüler in die Klasse kommt. Zeitgleich...