In den Ställen stand eine Frau, die so groß war, dass sie mich um fast zwei Köpfe überragte. Sie hatte kurze braune Haare, trug einfache, braune Kleidung und war nicht gerade das, was allgemein als Schönheit bezeichnet wurde. Trotz allem strahlte sie eine Würde aus, die an die eines hübschen Pferdes erinnerte.
„Ihr braucht Pferde für eure Reise, nicht wahr? Arokin hat mir davon erzählt." Sie deutete in die kleine Stallgasse, von der auf jeder Seite zehn Boxen abgingen. Der Stall musste neben dem Haupthaus das größte Gebäude in Drosk sein.
„Brauchen trifft es wohl ganz gut. Wollen will ich nämlich nicht", Sophie blickte abschätzig in die nächstgelegene Box, in der ein kleines Pferd mit goldenem Fell und blonder Mähne stand. Er beäugte sie ebenso misstrauisch.
„Seht euch nur um", meinte die Frau.
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Langsam und andächtig setzte ich einen Fuß vor den anderen, nahm den Geruch des Stalles und den der Pferde tief in mich auf und lauschte auf das Kauen der Tiere, die Heu knabberten. Das Stroh, das in der Gasse lag, raschelte bei jedem Schritt unter meinen Füßen.
Erst jetzt wurde mir richtig bewusst, wie sehr mir das alles gefehlt hatte. Früher hatte ich viel Zeit auf einem Reiterhof verbracht, der nicht weit von uns entfernt gewesen war. Doch dann musste ich mein liebstes Hobby aufgeben, da es nicht mehr in mein Leben gepasst hatte. Die Schule und all das andere hatten zu viel Zeit erfordert. Dabei hätte es bestimmt geholfen, mich in schwierigen Zeiten nicht selbst zu verlieren.
Die Box neben dem Haflinger war leer. Und dann kam ein wahres Prachtexemplar. Ein großes, schwarzes Pferd mit langer gewellter Mähne und dem glänzendsten Fell, das ich je gesehen hatte. Es schien das wenige Licht, das durch die Lücken im Holz drang, verstärkt zu reflektieren.
„Wenn ihr Rasalas wollt, müsst ihr euch wohl mit unserem Fürsten anlegen", die Frau, die sich immer noch nicht vorgestellt hatte, kam herbei. Natürlich hatte ich wieder das Unerreichbare gewählt. Oder es mich? Aber selbst ein Fürst kann nicht gegen so eine wichtige Aufgabe gewinnen. Der Gedanke von mir streifte mich nur kurz, dennoch erschrak er mich.
„Das muss ja jetzt nicht sein", ich ging weiter.
„Die beiden da", die Frau deutete auf die beiden Boxen gegenüber, „haben Arokin und Asir sich ausgesucht. Ansonsten habt ihr freie Wahl." In den Boxen standen ein braun-weiß geschecktes Pferd und ein Schimmel mit schwarzer Mähne. Beide glänzten, aber nicht so sehr wie der Rappe von Durijan. Der Schecke hatte ein blaues und ein braunes Auge.
„Hier. Ich nehm' den", rief Sophie und zeigte auf den Haflinger. Sie sah immer noch nicht begeistert aus. Das Pferd mit dem goldenen Fell hatte sich wieder seinem Futter zugewandt.
„Eine gute Wahl. Das ist Sirius. Er wird dir bis zum Ende folgen." Die Frau lächelte und wandte sich zu mir um. „Und du?"
Ich ging weiter. Da standen noch ein Fuchs und ein braunes Pferd. Nebenan sah ich einen Rappen und einen Grauschimmel. Die anderen Boxen waren leer. Bei dem zweiten Rappen blieb ich stehen. Er beachtete mich nicht, sondern kaute weiter. Dann ging ich zu dem Fuchs. Er hatte eine Blässe und einen weißen Fleck am Bauch. Er schaute aus seiner Box heraus und pustete mich an.
„Ich glaube, ich habe meins gefunden." Das Pferd stupste mich mit seinen weichen, weißen Nüstern an.
„Kirinso...Wenn du dir sicher bist. Er scheint dich zu mögen. Eigentlich dauert es lange, bis er sich an neue Menschen gewöhnt. Bei dir scheint das anders zu sein...Er ist aber nicht ganz einfach...Also gut. Dann solltet ihr die nächsten Tage nutzen, damit ihr ein Team werdet."
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Lihambra - Geheimnis der Raben
FantasíaSarah hat es in ihrem Leben nicht leicht. Nach dem Tod ihrer Schwester wird sie immer wieder von der Trauer eingeholt. Aber all das rückt in den Hintergrund, als wenige Tage vor ihrem Schulabschluss ein neuer Schüler in die Klasse kommt. Zeitgleich...