Wir versuchten es noch ein paar Mal. Ich hatte keinen Erfolg. Auch, wenn mir mein Schwert nicht mehr aus den Händen geschlagen wurde.
„Vertrau Raventos, es weiß, was es tut. Verbinde dich mit ihm“, kam dann der Ratschlag. So langsam hatte ich keine Lust mehr. Bald würde es anfangen zu dämmern. Außerdem tat mein Arm schon seit mehreren Versuchen weh, aber das wollte ich nicht zugeben. Ich wollte durchhalten, bis Asir die Stunde beendete. Oder ich unwiederbringlich zu Boden ging.
Ich trat nochmal auf ihn zu und fühlte in mich hinein. Merkte, wie die Energie des Schwertes durch meine Adern floss. Jetzt fühlte es sich anders als vorhin an. Es war fast wie ein Rausch.
Asir und ich umkreisten uns.
„Du redest von Vertrauen. Aber wie soll ich denn vertrauen? Du beantwortest meine Fragen nicht und gibst mir immer neue Rätsel auf! Ich habe bis jetzt nur einem Menschen vertraut, und sie wurde mir genommen.“ Ein Stich fuhr mir ins Herz. „Außerdem will ich diese Verantwortung, die du da angedeutet hast, nicht!“ Ich wollte nicht steuern, wer die Macht bekam oder gar die Macht an sich. Ich hatte im Laufe des Tages erkannt, dass diese Möglichkeit bestand. Auf einmal machte ich einen Ausfallschritt und täuschte einen Schlag von rechts an. Stattdessen drehte ich mich blitzschnell um die eigene Achse und traf Asirs linke Schulter.
Um über meine eigenen Fähigkeiten erstaunt zu sein, blieb mir nicht viel Zeit. Er holte zu einem Gegenschlag aus, der mich an meinem Hals treffen sollte. Ich ging einen Schritt zurück und blockte ihn. Asir kam weiter auf mich zu, griff immer wieder an. So lange, bis wir nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt standen und ich nicht weiter zurückkonnte. Ich spürte die Rinde des Baumes in meinem Rücken. Die überkreuzten Klingen der Schwerter hingen zwischen unseren Gesichtern in der Luft. Meine Arme waren angespannt, wollten dem Druck, der von der anderen Klinge kam, standhalten. Sie fingen an zu zittern. Nicht nur die Arme, sondern mein ganzer Körper. Ich biss die Zähne zusammen und atmete schwer. Ich merkte, wie mir Schweiß den Nacken hinunterlief.
Auch Asir war außer Atem. Seine Haare hingen ihm ins Gesicht und Schweiß lief ihm über die Stirn. Da begann sie wieder, an die Oberfläche zu kriechen, diese Vertrautheit. Langsam, aber unaufhaltsam. Sein Blick war dem Kreuzungspunkt der Schwerter zugewandt. Auf einmal trat er noch einen halben Schritt auf mich zu. Ich hatte nicht mehr die Kraft, dagegenzuhalten. Schaffte es gerade so, meine Deckung nicht fallenzulassen. Mein eigenes Schwert, Raventos, war nur noch wenige Millimeter von meiner Nase entfernt.
Sein Blick glitt von den Schwertern in meine Augen und es löste sich etwas. Etwas, das ich seit Jahren stetig ausgebaut und das seit langer Zeit niemand mehr durchdrungen hatte. Dieser Blick traf mich direkt in meiner Seele und ich wusste, dass sich etwas verändert hatte. Für einen Augenblick hielten sich unsere Blicke fest und er drang immer tiefer. Holte so viel aus mir heraus, so viel, das ich begraben hatte. Begraben lassen wollte. Doch was genau es war, konnte ich nicht greifen. Es war wie ein nächtliches Erwachen, wenn man sich daran erinnert, geträumt zu haben, aber den Traum nicht greifen kann. Und ich selbst versank in diesen Augen, die so viel zu wissen schienen. Zitternd atmete ich ein. Und wieder aus. In diesem Moment war ich überzeugt, dass nichts und niemand mich je aufhalten könnte, dass ich jeder Herausforderung gewachsen sei.
„Ihr könnt das, weil ihr etwas Besonderes seid. Weil du etwas Besonderes bist!“ Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Ich spürte, wie der Druck, gegen den ich ankämpfen musste, weniger wurde. Dann wollte ich mich nach rechts wegducken, doch mir wurde der Weg versperrt. Aber der Druck, den ich mit meinen Händen standhalten musste, wurde noch etwas weniger. Ich schwang mein Schwert nach unten, drehte mich nach links weg und Asir stolperte und ließ sein Schwert fallen. Schnell bückte er sich, um es wieder aufzuheben. Ich nutzte die Zeit und machten einen Schritt auf ihn zu, Raventos auf ihn gerichtet.
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Lihambra - Geheimnis der Raben
FantezieSarah hat es in ihrem Leben nicht leicht. Nach dem Tod ihrer Schwester wird sie immer wieder von der Trauer eingeholt. Aber all das rückt in den Hintergrund, als wenige Tage vor ihrem Schulabschluss ein neuer Schüler in die Klasse kommt. Zeitgleich...