-33- Von zerstörten Welten und Medaillen II

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Sie war leer. Lediglich das spiegelnde Wasser füllte die Höhle aus. Es schien sich schneller, unruhiger an den Wänden entlang zu bewegen als zuvor, ansonsten war alles unverändert. Hier gab es auf den ersten Blick kein Anzeichen der Zerstörung. Fast wirkte es normal. Fast. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die Höhle auseinanderbrach, dass das unruhige Wasser seinen Ursprung in dem unruhigen Grund darunter fand. Und dann diese Kälte, die mich frösteln ließ.

Mein Blick wanderte an der Felswand mit dem Moos entlang, bis zu dem Teich und dem Felsen in dessen Mitte.

Auch hier huschten die Schatten des Wassers über die Oberfläche, die so glatt war. Würde der Stein mir sagen können, wo Olivia war? Oder die bessere Frage: Würde er es sagen wollen? Wie viel hatte er letztes Mal für sich behalten? Würde er mir jetzt mehr zeigen?

Ich hatte mich überwältigen lassen von der Sorge um Asir, als ich ihn herrief. Der nicht wichtig war. An erster Stelle stand der letzte Teil meiner Seele. Ich musste Olivia wiederfinden. War sie mit dem Teil des Totenreiches davongedriftet, irgendwo zwischen den Welten? Wie sollte ich sie von dort aus noch erreichen? Ich musste es, irgendwie! Ich würde es! Bestimmt könnte ich den Xylath zwingen, mir zu zeigen, was ich brauchte.

Langsam lief ich los, setzte einen Fuß in das Wasser. Es war nicht mehr warm, sondern kalt. Tausende kleine Nadeln stachen durch meinen Schuh und meine Hose in meine Haut. Schmerzhaft, nicht angenehm wie letztes Mal. Ein schlechtes Zeichen?

Beklemmung, das war es, was diesen Ort hier ausfüllte, der er durch die Temperatur Ausdruck verlieh. Ich konnte es ihm kaum verübeln.

Es waren nicht viele Schritte durch das Wasser, doch sie gehörten mit Sicherheit zu den schwersten in meinem Leben. In Sarahs Leben, aber genauso in Animeras. Ich wusste nicht, was mich erwartete. Welche Aussagen waren wahr, welche gelogen? Ich war mir plötzlich nicht mehr sicher.

Gab es wirklich noch jemanden wie mich oder war alles, was Arokin gesagt hatte, eine Lüge, um mich abzulenken?

Ich wusste nicht mehr, was ich denken sollte.

Ein Schauer lief von meinen Füßen meine Beine empor, über meinen Rücken bis zu meiner Kopfhaut, die unangenehm kribbelte. Schließlich lief der Schauer wieder rückwärts, von meinem Kopf bis zu meinen Füßen. Wie eine Welle des Unbehagens, das aus dem Wasser aufstieg und durch mich fuhr, bevor sie sich wieder zurückzog.

Nicht von den Gefühlen des Ortes vereinnehmen lassen!

Ich lief weiter, unbeirrt, betrachtete für einen Augenblick den Stein, bevor ich mich setzte. Erneut kostete es mich Überwindung, obwohl ich das Gefühl schon kannte, den Bann vor der ersten Berührung gebrochen hatte. Der Stein kannte mich schon und ich ihn. Er kam mir ebenfalls kälter vor als letztes Mal. Es war eine merkwürdige Kombination. Irgendwie kannte ich das alles schon, dennoch war es so anders. Letztes Mal war die Stimmung hier beruhigend gewesen, diesmal bedrückte mich die Dunkelheit, das Licht entfaltete seine magische Wirkung nicht auf mich und die alles umfassende Kälte wirkte abweisend.

Sicherlich lag es auch daran, dass ich selbst nicht so ganz wusste, was ich diesmal von dem Xylath wissen wollte. Etwas über Arokin, Asir oder ... Doch. Es war mir klar. Nur eine Sache war jetzt wichtig. Darauf musste ich mich fokussieren, ohne nach links oder rechts zu sehen.

Olivia, dachte ich schließlich. Nichts anderes hatte ich das letzte Mal mit meinem Namen getan. Diesmal war es wirkungslos. Nichts geschah.

Noch einmal erinnerte ich mich an Olivia, schloss die Augen und beschwor gemeinsame Momente in meinem Inneren herauf. An unsere gemeinsamen Urlaube als Kinder, an unsere Shoppingtouren, an den ganz normalen Alltag.

Lihambra - Geheimnis der RabenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt