-33- Von zerstörten Welten und Medaillen IV

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Der Stein unter mir überzog sich mit Eis. So kalt und glatt, obwohl sich nichts verändert hatte, zumindest an dem Xylath nicht.

In meinem Inneren herrschte eine Kälte, wie ich sie noch nie gespürt hatte. Sie ließ mich schlottern. Gleichzeitig war mir bewusst, dass nur ein weiterer Schlag nötig war, um das Eis, aus dem ich nun zu bestehen schien, zu zersplittern.

Er hatte mir die Luft zum Atmen geraubt, sie mit sich genommen, als er verschwunden war. Nicht Asir, sondern Mocurix, wie er in Wahrheit hieß. Ich drohte, zu ersticken, denn die wenige Luft, die übrigblieb, war so dick, dass es unmöglich war, sie zu atmen.

Ich war allein. Ganz allein. Asir war nicht hier, Sophie war nicht hier, Arokin war nicht hier. Ich hatte niemanden mehr, mit dem ich diese Reise begonnen hatte.

Ich hatte nichtmal mich selbst.

Ich musste nicht erst warten, bis mein inneres Eis zerschmettert wurde. Er hatte mich schon längst zerstört, vor einer halben Ewigkeit. Zweimal, wenn es einmal auch nur ein Teil von mir war.

Er hatte zugesehen, wie ich ausgeblutet war. Mehrmals, und jedes einzelne Mal auf eine andere Art.

Ich war paralysiert, vollkommen unfähig, mich zu bewegen, bis auf diese unkontrollierten Zuckungen. Ich musste mir nichts vormachen. Von dem Feuer der Rache, das mein Antrieb gegen Arokin gewesen war, war kein Funken mehr übrig. Alles war erstarrt, außer dieser unsagbaren Kälte blieb mir nichts.

Ich fiel von dem sicheren Stein, auf dem Asir und ich gestanden hatten, damals, und doch gerade eben erst, als meine Erkenntnisse mich zu überrennen drohten. Wäre es schlussendlich besser gewesen, wäre ich nicht zu ihm auf den Stein geklettert, sondern hätte mich überrennen lassen? Vielleicht wäre die Erkenntnis von selbst über mich gekommen, wenn ich einfach alle Gedanken zugelassen hätte. Ich entschied mich dazu, sie nicht zuzulassen, sondern seine Hilfe anzunehmen. Dadurch war er es nun, der mich zuerst in Sicherheit gewiegt und mich dann losgelassen hatte. Mir war bewusst, dass er meinen Sturz genoss und zusah, wie ich zertrampelt wurde.

Diesmal gab es keine Zuflucht mehr für mich.

Es war ein schreckliches Erwachen. Es war schmerzhaft.

Aber es ist nötig.

In mir herrschte eine seltsame Ordnung, die das Chaos ablöste. Es war eine Ordnung, wie sie die ganze Zeit über hätte herrschen sollen, die so abwegig für mich war, dass sie für mich falsch war. Es war noch immer genauso durcheinander wie zuvor. Und doch irgendwie geordnet. Als wäre ein Fremder in mein altes Haus gekommen und hätte alles nach seinen Ideen umgebaut.

Alles, jeder Schritt, den ich getan hatte, seit ich Asir begegnet war, war ein einziger großer Fehler.

Lihambra zerbrach weiter. Das Grollen, das sich durch die Erde zog, die Erschütterung, die an dem Felsen zerrte, die ihn splittern ließ. Wie passend, dass meine liebste Welt ausgerechnet jetzt zerbrach.

Woher hätte Sarah es wissen sollen? Aber ich hätte es früher erkennen sollen, früher erkennen müssen! Ich hatte es nicht, also wieso Sarah die Schuld dafür geben? Es war so, wie es wohl den meisten Menschen ging, die den Louvre in Paris besuchten. Oder zumindest war es Sarah so gegangen. In dem Raum, in dem die Mona Lisa hing, hatten alle nur Augen für dieses eine kleine Gemälde, während die Gemälde an den anderen Wänden viel größer waren, aber viel weniger oder keine Aufmerksamkeit bekamen. Sie waren da, unübersehbar und doch hatten wir sie nicht bemerkt.

Ich hatte vieles nicht bemerkt. Dass Olivia seit ihrem vermeintlichen Tod, nachdem wir sie befreit hatten, so nah bei mir gewesen war. Sie war nie im Totenreich angekommen. Er hatte sie. Er hatte sie die ganze Zeit über, außer einmal, als er ihr altes Gefängnis, die Kugel, Madira gab. Damit ich sie als die Böse sah.

Lihambra - Geheimnis der RabenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt