Ich lag auf dem Stein in der Höhle. Er war noch immer warm und nicht unbequem, aber ich spürte jeden Zentimeter meines Körpers, der darauflag. Mein Kopf schmerzte, sowohl von innen, durch die ganzen Eindrücke, als auch von außen, durch den harten Untergrund. Mein Körper fühlte sich seltsam fremd an, als würde er nicht zu mir gehören. Und doch war er alles, was ich hatte.
Das Wasser war mir bis auf die Haut gekrochen, da ich mir meine Füße nicht abgetrocknet hatte. Jetzt durchdrang mich die Kälte der Nässe, trotz der Wärme, die von dem Stein ausging. Mein Atem ging schnell und stoßweise, als hätte ich gerade den längsten Lauf hinter mich gebracht, den es in all diesen Welten gab. Gewissermaßen hatte ich das. Wie die Wolken einer Dampflok stieg mein Atem in die Luft, bevor er verpuffte. Ich sah die Reflexionen des Wassers, die an der Decke entlanglitten, ohne zu wissen, was genau es war.
Ich wagte kaum, Luft zu holen, obwohl mein Inneres nach Sauerstoff schrie, ich atmen musste. Doch rührte ich mich keinen Millimeter.
Was bedeutet das? Die Frage war überflüssig. Ich wusste es. Das Wissen linderte meine Überwältigung nicht ansatzweise.
Die Bedeutung dessen, was ich gesehen hatte, drohte, mich unter sich zu begraben wie eine Schneelawine. Es würde eine Weile dauern, den Schnee zur Seite zu schieben, doch irgendwann, früher oder später, würde ich es begreifen. Spätestens wenn der Schnee schmolz. Würde begreifen, wer ich war.
Etwas anderes rührte sich. Ihr Verlust hatte mich nicht nur so aus der Bahn geworfen, weil sie meine, Sarahs, Schwester war. Sie war für mich so viel mehr als eine Schwester. Sie war ein Teil von mir, nicht nur gefühlt sondern buchstäblich. Ein Teil, der weg war. Verschwunden. In das Reich der Toten? Wenn dem so wäre, wäre sie nicht weit weg. War es mir möglich, dorthin zu kommen?
Das und nichts anderes, war die Lösung für alles. Ich wusste es mit solcher Sicherheit, wie die Sonne auf der Erde aufging. Wenn ich meine Seele wieder vollständig besaß, käme die Macht von allein zu mir. Egal, wie viel Blut Arokin mir, Sarah, nehmen würde. Ich wusste, durch die Schuppe, durch meine Schuppe, hatte er auch einen kleinen Teil meiner Seele bekommen, die darin ruhte. Ihn musste ich wiederhaben. Und Olivia. Den Teil, der noch immer in Lihambra war, direkt vor meiner Nase, würde ich mir sofort holen. Das ist der leichte Teil.
Mit einem Schlag wurde mir die Bedeutung dessen, was ich gesehen hatte, wirklich klar. Es fuhr in mich wie der Blitz, der meinen Verstand versucht hatte zu wecken, als ich das erste Mal hier gewesen war. Kurz, bevor ich wieder in Sarahs alte Welt zurückgekehrt war. Ich war blind gewesen, hatte es nicht erkannt. Selbst dann nicht, als ich eine Erinnerung von mir, Animera, gesehen hatte. Das änderte nichts daran, dass ich mich nicht rühren konnte; im Gegenteil. Es verstärkte das Gefühl der Überwältigung.
Ich wollte einfach nur hier liegen und alles sortieren.
Eine alte Angst kroch in mir empor. Eine Urangst, die so lange in mir geruht hatte. Vor Miron. Doch er war tot. Er konnte mir nichts mehr anhaben. Ich musste unbedingt herausfinden, wie er es geschafft hatte, meine Macht von mir zu trennen, einen Teil meiner Seele abzuspalten und meinen Körper vergehen zu lassen. Damit mir so etwas nie wieder passieren konnte.
Wenn man meine Seele in genug Einzelteile zerschlug, könnte man mich dann ein für allemal besiegen? Für immer? Ein beunruhigender Gedanke, wie ich mir eingestehen musste.
Die nächste Erkenntnis brach über mich.
Es änderte alles. Das Rufen, das mich hier die ganze Zeit begleitete, das Gefühl der Heimat. Alles kam daher, weil es meine Macht war, die zu mir wollte. Weil ein Teil meiner Seele in diesem Land steckte.
Ich war eine Göttin. Ich hatte all das erschaffen, was ich als Sarah gesehen und erlebt hatte. Alles. Das Wort meißelte sich schwer in meine Gedanken. Ich musste es immer wieder ansehen, immer wieder anfassen, um es zu begreifen. Und doch konnte ich es nicht.
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Lihambra - Geheimnis der Raben
Fantasi!!! WIRD ENDE FEBRUAR VON DER PLATTFORM GENOMMEN - KANN DANACH NOCH AUF INKITT GELESEN WERDEN!!! Sarah hat es in ihrem Leben nicht leicht. Nach dem Tod ihrer Schwester wird sie immer wieder von der Trauer eingeholt. Aber all das rückt in den Hint...