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,,MORGEN!", schrie jemand neben meinem Bett. Genervt und müde zugleich öffnete ich meine Augen und sah Jacky, wie sie vor mir herumtanzte. ,,Was geht bei dir ab?", wollte ich wissen. ,,Ach, keine Ahnung, hatte Bock dich zu wecken", gestand sie. ,,Du hast dich einfach nicht geändert, Süße", sagte ich und ihr Kommentar dazu war: ,,Tja, so bin ich halt". Wir gingen, nachdem sie mich wachgerüttelt hat, gemeinsam zum Frühstück nach unten. Gut gelaunt wurden wir von ihren Eltern begrüßt. Es gab frische Brötchen und Bretzeln♥♥♥ Wie lange hatte ich schon keine Bretzeln mehr? Ich stopfte mir gleich zwei davon in den Magen. Dazu gab es echten Allgäuer Käse und echte Allgäuer Wurst. ,,Ich vermisse das Essen hier", gab ich zu. ,,Im Norden isst du nur Fisch oder was?", fragte Jacky. ,,Joaa, so ungefähr, aber stell dir vor, ich liebe Fisch inzwischen. Aber es geht trotzdem nichts über eine frische Bretzel aus dem Allgäu!", schwärmte ich.

Nach dem Frühstück beschloss ich mich mal wieder bei meiner Familie blicken zu lassen. Das war vielleicht angemessen. Also machte ich mich auf den Weg und klingelte. Meine Mutter öffnete mir die Türe und war gerade dabei zu telefonieren. Netter Empfang. ,,Ach, Hallo Lia", lautete ihre Begrüßung. Danach widmete sie sich wieder voll und ganz ihrem Handy. ,,Ja, ich dich auch... Auf jeden Fall... Gerne... Wir können uns da sicher mal erkundigen... Ja, das machen wir auf jeden Fall... Ne, ich würd auch sagen, dass wir es erstmal für uns behalten... Ja... Ja... Genau... Also bis dann... Ja, ich mich auch".

,,Hallo Lia?", wiederholte ich meine Mutter. ,,Was?", fragte sie völlig überrascht. ,,Ne, ne, ich bin dir scheißegal! Hast du dir überhaupt mal überlegt, wo ich sein könnte? Hat dich überhaupt gejuckt, warum ich abgehauen bin? Warum denkst du, bin ich wiedergekommen? Schon mal drüber nachgedacht, dass ich vielleicht davon ausgehe, dass du dir Sorgen um mich machst? Vielleicht damit du beruhigt bist? Dann komme ich heim und alles was mit mir geredet wird ist Hallo Lia?!", entgegnete ich stocksauer und zugleich enttäuscht. ,,Ich habe mir schon gedacht, dass du zu einer deiner Freundinnen gegangen bist", rechtfertigte sie sich. Sollte das jetzt ihre Erklärung sein? ,,Ich erinnere dich nur zu  gerne an den Tag, wo ihr mich im Krankenhaus wiedergefunden habt. Da habt ihr auch gedacht, ich wäre sicher nur bei Rune. Dämmert's?", fuhr ich sie an. In der Zwischenzeit waren meine Oma und mein Opa auch da. ,,Lia!", riefen sie gleichzeitig. ,,War ich euch auch scheißegal?", schrie ich die Beiden an. Sie schauten ziemlich geschockt. ,,Lia, jetzt bleib doch mal da", forderte meine Mutter, doch ich war schon wieder halb aus der Türe draußen und schrie: ,,Lasst mich einfach. Ich bin doch eh nur eine Qual für euch. Lasst euch durch mich das Fest nicht zerstören, ich bin hier doch eh nur überflüssig. Ich wohne, nur zu eurer Info, die nächsten Tage bei Jacky und... ich hasse euch einfach". Dann knallte ich die Tür zu und rannte zurück zu Jacky.

,,Ich bin wie Luft für die", schniefte ich. ,,Bei uns bist du keine Luft. Wir schätzen dich und sind froh, dass du hier bist. Wirklich. Vergesse einfach mal deine Familie und konzentriere dich auf uns". Ich überlegte, ob ich Jacky von diesem Vorfall mit Niclas berichten sollte, dann wüsste sie, dass das nicht zum ersten Mal so war. Von der Trennung von meinen Eltern wusste sie bereits, doch nicht genau warum.

,,Jacky? Kann ich dir was anvertrauen, was wirklich niemand wissen darf. Nicht mal deine Eltern und nicht mal unsere Freunde?". Sofort schaute sie mich erwartungsvoll an. ,,Ja, ich werde es für mich behalten. Ist es was Schlimmes?", fragte sie. Ich nickte. Sie legte einen Arm um mich und ich erzählte ihr tatsächlich von der Fast-Vergewaltigung von Niclas und von meinem Krankenhausaufenthalt als ich verprügelt wurde. Sie war die erste, die davon wusste. OK, Disse und Rune noch, aber die waren ja schließlich dabei. Sonst wusste jeder entweder eine falsche Version der Geschichte, nur die Hälfte oder eben gar nichts. ,,OMG", sagte sie ein wenig hilflos und brach dann in Tränen aus. Ich konnte mich gerade noch beherrschen nicht mit zu heulen, aber nur weil Niclas und ich ja inzwischen gute Freunde sind. ,,Das ist voll schlimm. Ich bin froh, dass es dir noch gut geht", meinte sie und drückte mich wie ein Kuscheltier an sich heran.

Inzwischen war es schon wieder Nachmittag und ich bekam gerade die Bestellbestätigung für die Tickets nach Köln. Wir schlossen mein Handy mit ihrem Laptop an und druckten die E-Mail aus. ,,Dein Freund ist einfach so cool. Ich freue mich schon, wenn ich ihn kennenlerne. Das darf ich doch, oder?", fragte sie zuckersüß. ,,Na klar", versprach ich ihr. Wir skypten gleich mit den Anderen, die ebenfalls mitkommen wollten und alle waren begeistert und freuten sich total. Das war schön zu sehen.

Abends schauten wir noch Ich einfach Unverbesserlich an und gingen anschließend schlafen. Auch den nächsten Tag verbrachten wir eher gechillt. Nachmittags schaute Theresa noch bei uns vorbei und am nächsten Morgen war es dann endlich soweit. Da es Sonntag war, war auf den Straßen noch nicht viel los. OK, es war auch erst halb sechs, aber wir wollten ja den Tag in Köln noch bisschen nutzen. Wir trafen uns alle am Bahnhof. Meiner Mutter sagte ich nichts davon, sie interessierte sich ja eh nicht für mich. Also war es ihr auch sicherlich egal, wo ich mich rumtreibe. Alle waren bereits da und der Zug kam gerade angerollt. Bei Jacky sorgte ich ja dafür, dass sie pünktlich war. Natürlich hätte sie sonst wieder verschlafen und hätte erst zwei Stunden später nachreisen können. Flo hatte natürlich wieder Süßigkeiten ohne Ende dabei und die erste Packung Chips war auch fast schon wieder leer. Unser erster Halt war München. Dort hatten wir eine halbe Stunde Zeit, welche wir zum Frühstücken nutzten. Wir setzten uns in einen Bäcker und bestellten uns unterschiedliche Sachen. Ich natürlich eine frische Bretzel. Dann ging unsere Reise weiter. Zum Glück mussten wir nicht mehr umsteigen. Nach viereinhalb Stunden Fahrt kamen wir dann endlich in Köln an. Inzwischen war es halb zwölf. Flo hatte schon wieder Hunger. Daher gingen wir erstmal zum nächsten Bäcker. Er hat ja im Zug auch nur zwei Tafeln Schokolade und ein Päcken Gummibärchen gegessen...

,,So und was machen wir jetzt", fragte Scarlett in die Runde. ,,Also ich habe Rune gesagt, dass ich mich melde wenn wir da sind und ich würde vorschlagen, dass wir jetzt erstmal zu denen ins Hotel gehen. Er und noch ein Anderer wollten nämlich mitkommen", sagte ich. Ich schrieb Rune schnell und er schickte mir gleich die Adresse. Mit der Straßenbahn waren wir in zehn Minuten da und vor dem Hotel sah ich schon zwei mir bekannte Gesichter. ,,Rune! Disse!", schrie ich überglücklich und rannte auf die Beiden zu. Rune bekam erstmal einen langen und intensiven Kuss und Disse eine liebevolle Umarmung. Meine Freunde waren in der Zwischenzeit auch da und ich stellte sie gegenseitig vor. ,,Also, das hier sind Disse und mein Freund Rune und das da sind Jacky, Theresa, Steve und Sclarlett. Moment mal, wo ist Flo schon wieder?". ,,Also gerade stand er noch neben mir", berichtete Steve. ,,Hier bin ich Leute", winkte Flo und kam mit einem Döner in der Hand zu uns zurück. ,,Wo hast du den denn wieder her. Ich dachte, du hättest dir eben am Bahnhof was gekauft", fragte Theresa. Mit einem unschuldigen Blick antwortete er: ,,Ja, aber einem Döner kann ich einfach nicht wiederstehen. Guck, da hinten ist so ein Laden. Man riecht es einfach in der ganzen Straße", Jacky schnappte ein paar Mal nach Luft und meinte dann überzeugt: ,,Also ich rieche nichts!"

,,Ach Lia, bevor ich es vergesse, Niclas wollte sich sehen, er ist irgendwo im Eingangsbereich", erklärte Rune und deutete mit seinem Finger zur Tür. Also machte ich mich auf den Weg ins Hotel. ,,Lia!", rief Marko und umarmte mich. ,,Hey Marko, weißt du wo Niclas ist?". Er beschrieb mir kurz den Weg und so fand ich ihn auch gleich. Er drehte mir den Rücken zu, sodass er mich nicht sah. Niklas, der bei ihm saß, sah mich bereits, doch ich gab ihm ein Zeichen, dass er ruhig sein sollte. Die Beiden unterhielten sich auf Schwedisch und Dänisch. Das hörte ich und ich finde es immer wieder aufs Neue witzig, wie das problemlos klappte. ,,Hu", erschreckte ich Niclas. Er zuckte zusammen und lächelte, als er sah, dass ich es war. ,,Lia, erschreck mich doch nicht so", beschwerte er sich. ,,Ach komm, du bist doch sonst immer so hart im Nehmen", machte ich ihm klar. Ich umarmte die Beiden ebenfalls und wandte mich dann wieder Niclas zu. ,,Rune hat gesagt, dass du mich irgendwie sehen wolltest". ,,Ja genau, ich wollte mich nochmal richtig für dein Weihnachtsgeschenk bedanken. Das hat mich echt riesig gefreut. Ich hätte wirklich mit allem gerechnet, aber nicht damit. Hast du meine Nachricht eigentlich verstanden?", fragte er am Ende noch. ,,Naja, nicht ganz, durch Google Übersetzter dann aber schon", lachte ich und er und Niklas stiegen mit ein. ,,Das wird schon noch", versprach er mir.

,,Kommst du kurz mit in mein Zimmer. Da habe ich noch was für dich. Rune hat ja bereits angekündigt, dass du kommen wirst", meinte er irgendwann. Ich folgte ihm also und er drückte mir ein kleines Päckchen in die Hand. ,,Du kannst es ruhig gleich auspacken", schob er noch hinterher. ,,OK... OMG Niclas, du bist doch verrückt!"



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