30.

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Lias Sicht

Bei Angelo war es schön warm und ich wurde freundlich empfangen. Seine Mutter machte mir eine heiße Schokolade und ich setzte mich mit Angelo ins Wohnzimmer. ,,Was hast du da draußen so alleine gemacht?", fragte er nach ein paar Minuten erneut. Seine Mutter kam nun auch dazu und brachte mir eine kuschelige Decke und ein Kissen. ,,Du kannst heute Nacht hier schlafen!", meinte sie freundlich und setzte sich nun ebenfalls auf die Couch. ,,Ich... möchte nicht so gerne drüber reden", gab ich zu. Eigentlich wollte ich nur schlafen und vor allem alleine sein, doch das ging hier in diesem Haus nicht so gut. ,,Vertraust du mir etwa nicht?", fragte er ein wenig geschockt. ,,Es liegt nicht an dir, wirklich, aber es ist mir einfach zu intim", versuchte ich den Beiden zu erklären. Den Beiden deshalb, weil seine Mutter die ganze Zeit mich anstarrte. ,,Bist du eigentlich gerne alleine?", fragte er als nächstes. ,,Warum?". ,,Naja, wenn wir irgendwas gemeinsam von der Klasse aus machen bist du nie dabei und auch sonst hängst du nur alleine rum". ,,Also erstens habe ich nie was von gemeinsamen Klassentreffen mitbekommen. Zweitens habe ich Freunde, sehr gute Freunde, nur die sind nun mal nicht auf unserer Schule und drittens -" ,,Deine Freunde von deiner alten Heimat?". Drittens wollte ich eigentlich noch hinzufügen, dass ich müde und schlapp bin und so, aber das klappte wohl nicht so ganz. ,,Nein", sagte ich trocken. ,,Wer dann?", hackte er nach. Sollte ich es ihm jetzt sagen oder nicht? Ich entschied mich für: sagen! ,,Du kennst doch sicherlich den THW Kiel, den Handballverein hier". ,,Jap! Zumindest schon mal gehört!". ,,Ja und ich bin eigentlich prima mit den Spielern befreundet, ich mag sie echt alle und hänge viel mit ihnen rum", meinte ich stolz. Er und seine Mutter schauten mich nur mit großen Augen an. ,,Warum sagst du das denn nicht?", wollte seine Mutter wissen. Ich zuckte nur mit den Schultern. ,,Bisher wusste es noch niemand, ich will da jetzt auch nicht angeben oder so, ja".

,,Sympathisches Mädchen", flüsterte Angelos Mutter ihm zu bevor sie aufstand und ging. Ich hörte es aber genau. ,,Gute Nacht", meinte sie noch und schon war sie weg. ,,Ist dein Vater auch da?", fragte ich Angelo. Er wurde etwas blass und unsicher. ,,Mein Vater, also der... Meine Eltern sind geschieden!", offenbarte er mir. Mir blieb der Mund offen stehen. Angelo suchte die Flucht, das merkte ich, aber ich hielt ihn auf. ,,Angelo warte! Bitte! Ich erzähle dir, was ich draußen an der Ostsee gemacht habe". Er drehte sich wieder um und setzte sich erneut neben mich hin. Ich schaute ihm einmal tief in die Augen und erzählte ihm dann die ganze Geschichte. Er hörte mir gespannt zu und meinte dann: ,,Weißt du Lia, so ähnlich war das bei mir auch, ich habe auch immer gedacht, dass ich der Grund für die Scheidung meiner Eltern war, aber irgendwann habe ich dann verstanden, dass es wirklich nicht so war. Es war einfach noch was Zusätzliches, aber ich war nicht der Grund und so wird es bei dir auch sein, das schwöre ich dir!", erzählte er. Ich nickte und in meinen Augen bildeten sich schon wieder Tränen. ,,Ich lasse dich jetzt besser auch mal alleine, schlaf gut und Gute Nacht!", meinte er noch, ehe auch er weg war und ich allein im dunklen Wohnzimmer zurückblieb. Angelo war echt nicht so wie ich erwartet habe. Man konnte wirklich mit ihm reden und das tat gut. Trotzdem würde ich jetzt lieber bei Rune sein, ich vermisste ihn schon richtig. Ob ich ihm wohl auch fehlte?

Runes Sicht

Die Nacht verbrachte ich auf Steffens Couch. An schlafen war bei mir nicht gedacht. Ich machte mir Vorwürfe und vermisste Lia schrecklich. Hoffentlich ist ihr nichts passiert. Mir kamen immer und immer wieder miese Gedanken und ich drehte mich von einer auf die andere Seite. Irgendwann piepste dann mein Handy. Ich dachte es könnte vielleicht Lia sein, die mir schreibt, doch sie hatte ja kein Handy bei sich. Vielleicht war es aber auch ein Mannschaftskamerad, der Lia gefunden hat und mich beruhigen wollte. Doch Fehlanzeige. Es kam nur:

Sie surfen jetzt mit einer reduzierten Geschwindigkeit, da ihr Datenvolumen aufgebraucht ist. Sie können Ihre Ausgangsgeschwindigkeit wieder unter...

Blablabla herstellen. Habe ich so viel verbraucht. Kam mir gar nicht so vor. Naja. Irgendwann schlief ich aber doch ein und wachte am nächsten Morgen durch Steffen auf, der versuchte mich zu wecken. ,,Moin Moin Rune", war seine Begrüßung. ,,Hast du was von Lia gehört?", war meine erste Frage. ,,Leider nicht, du auch nicht oder?". Enttäuscht starrte ich den Boden an. ,,Komm Rune, wir werden sie schon finden. Wir fahren als erstes in deine Wohnung, vielleicht ist sie ja dort!". ,,Sie hat kein Schlüssel!", erklärte ich Steffen. ,,Und bei ihren Eltern?". ,,Dort wird sie wohl kaum sein, das Gespräch war mit mir ja gestern beendet und ich glaube nicht, dass sie sich wieder vertragen haben". Wir saßen beide stumm da, bis uns auf einmal DIE Lösung kam:

,,SCHULE", riefen wir gemeinsam und plötzlich war meine Stimmung wieder besser. Ich schaute in ihrem Handy schnell nach einem Stundenplan und sah, dass sie heute bereits nach der fünften Stunde aus hatte. Steffen wollte mit gehen und somit verabredeten wir uns für viertel vor zwölf vor meiner Wohnung. Dann fuhr ich heim und machte mich erst einmal frisch und frühstückte. Training war zum Glück erst wieder heute Nachmittag.

Lias Sicht

Ich wachte in einem unbekannten Raum auf. Mir fiel aber schnell wieder ein, dass ich bei Angelo war und mir kam die Sache von gestern wieder in den Kopf. Langsam stand ich auf und suchte mein Handy. Ich suchte überall, doch ich fand es nicht. Da fiel es mir wieder ein. Ich habe es gestern auf den Boden geschmissen und dann bin ich weggelaufen. Rune hatte es also. Ich ohne mein Handy ist wie, wie Pommes ohne Ketchup! ,,Morgen Lia!", begrüßte mich Angelo in einem übertrieben freundlichen Ton. ,,Morgen!", sagte ich traurig. ,,Was ist los?". ,,Mein Handy ist bei nem Freund!", beschwerte ich mich. Er nahm mich in den Arm und es tat gut. Es tat wirklich gut. ,,Come on Baby, lets go!". Ich verstand nicht, warum er ständig Englisch redete, aber ich verstand meine ganze Klasse nicht, meine ganze Schule nicht, ganz Kiel nicht. Wie ich diese Stadt einfach nur hasste. Am liebsten würde ich einfach wieder zurück in den Süden, da wäre alles wieder in Ordnung. Hier hatte ich zwar Rune und Co, aber keine echte Freundin, die ein Mädchen einfach braucht. Ich vermisste meine alten Freunde schrecklich und wünschte wieder bei ihnen zu sein. Wir hatten zusammen Spaß, haben gelacht und alles gemeinsam getan. ,,Lia?". ,,Hä was?". ,,Ich habe dich gefragt, wohin du eigentlich willst!", meinte Angelo. Verwirrt antwortete ich. ,,Äh, in die Schule!" ,,Dann sollten wir aber hier ins Gebäude gehen!", lachte er. ,,Stimmt, war in Gedanken", gab ich zu. ,,Das hab ich gemerkt, soll ich dich zum Klassenzimmer führen?", fragte er. Stumm folgte ich ihm

Der Tag verging mal wieder im Schneckentempo, dann haben wir noch einen Vokabeltest geschrieben, von dem jeder was wusste, außer ich und dann habe ich noch eine 6+ in Chemie zurückbekommen. Das ist auch ein Fach, das für mich überhaupt keinen Sinn macht. Er braucht schon die molare Masse eines Atomstücks? Also ich nicht! Endlich war es 12.05 und es klingelte! Endlich! Freudig verließ ich das Schulgelände und sah auf der anderen Straße zwei bekannte Menschen stehen, die redeten. Sie schienen mich noch nicht bemerkt zu haben, deshalb schlich ich mich vorsichtig an.

,,RUUUUUUUUUUUUUUUUUUUNEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEE", schrie ich überglücklich und sprang im in die Arme. Erst jetzt bemerkte er mich ebenfalls und war ebenso perplex wie ich. ,,LIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA", schrie er fast noch lauter. ,,Was machst du nur für Sachen", fragte nun auch Steffen, der bei Rune stand. Ich lachte nur und gab keine Antwort. Ich war einfach nur mega glücklich wieder bei Rune zu sein und ich weinte vor Freude. Wir lagen uns noch immer in den Armen und Rune erzählte mir tausendmal, wie viele Sorgen er sich gemacht hat und wie Leid ihm alles tut. ,,Rune, ich glaube sie hat es verstanden", machte Steffen deutlich. Ich lächelte ihn nur an, Rune konnte es aber noch immer nicht lassen. Damit er endlich mal den Mund hielt, küsste ich ihn einfach und er erwiderte auch ziemlich schnell. Noch nie hat ein Kuss so gut getan wie der von gerade eben.



Schlimmer kann es eh nicht mehr werden!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt