Anrufen? Meine Eltern anrufen? Nein, das geht nicht. Diese Idee musste ich ihr aus dem Kopf schlagen. Wenn meine Eltern jetzt noch zusätzlich wüssten, dass ich so schlecht in der Schule bin, dann wäre es das Ende für mich. Dann wäre mein Zimmer wie ein Knast und ich würde Rune tatsächlich nie mehr zu Gesicht bekommen. ,,Anrufen? Heute Nachmittag? Das geht nicht. Meine Eltern sind gerade beide auf Geschäftsreise und kommen erst nächste Woche wieder". Ich hoffte, dass sie das überzeugen würde, doch Fehlanzeige. ,,Ach, das ist ja nicht schlimm. Ich kann ihnen ja noch immer eine E-Mail schreiben oder dir einen Zettel mitgeben, dann machen wir das halt erst nächste Woche". ,,Meine Eltern arbeiten aber beide immer bis spät in die Nacht. Sie haben kaum Zeit und ich denke das wird schwierig!", log ich erneut. ,,Dann machen wir das so, ich gebe dir einen Zettel mit und dann sollen sich deine Eltern einfach bei mir melden, wenn sie wieder daheim sind und sie Zeit haben!".
Ich dachte, wenn ich den Zettel einfach nicht zeigen würde oder so was wie 'kein Bedarf' oder so drunterschreiben würde, würde das sicherlich gehen. Also willigte ich ein und steckte diesen kleinen pinken Zettel in meine Tasche.
Der restliche Tag wurde nicht viel spannender, Angelo versuchte ständig mit mir Blickkontakt aufzunehmen, doch ich ignorierte ihn oder schaute weg. Ich war froh, als es nach der sechsten Stunde endlich klingelte und ich wieder zu Mini konnte. Dort traf ich allerdings nur Isi an. Sie sagte mir, dass Dominik noch im Training sei und er aber bald zurückkommen würde. Sie verabschiedete sich daraufhin ebenfalls von mir, da sie selber auch noch ins Training musste. Collin überließ sie mir. Ich spielte ein wenig mit dem Kleinen und dann ging ich noch eine Runde mit ihm spazieren. Doch das hätte ich besser bleiben lassen sollen.
Mini wohnte nicht unheimlich weit weg von meinem eigentlichen Zuhause und so kam es dazu, dass ich von hinten angehupt wurde. Ich dachte erst, ich sei gar nicht gemeint, zog Collin dennoch ein Stück zur Seite und als ich mich dann umdrehte, der Schock - mein Vater! ,,Lia, was fällt dir eigentlich ein. Du haust einfach von zuhause ab und jetzt finde dich hier mit einem kleinen Kind an der Hand auf der Straße wieder. Wer ist das? Warum machst du sowas? Wir machen uns Sorgen und du verarscht uns von vorne bis hinten. Ich kann dir gar nicht sagen, wie enttäuscht wir von dir sind! Wir sind immer noch deine Eltern und haben das Recht dir zu sagen, was du darfst und was nicht. Du kommst jetzt mit nach Hause!" ,,Nein!". ,,Nein? Was soll das heißen. Du wohnst bei uns und nirgendwo anders! Ist das klar! Und wenn du nicht mitkommst, dann zerre ich dich jetzt hier in das Auto rein oder ich hole die Polizei!", drohte mir mein eigener Vater. ,,Die Polizei hättet ihr ja holen können, als ich nicht mehr heimkam. Daran habt ihr nicht gedacht. Wer wird Millionär ist euch wichtiger als ich. Ich kann das einfach nicht mehr. Ich werde nicht mitkommen. Du kannst machen was du willst. Außerdem würde ich somit Collin hier entführen!" ,,Das ist mir doch egal. Und das hat nichts damit zu tun, Lia, du kommst jetzt mit uns, du weißt ja, was sonst passiert"
,,PAPA", schrie Collin auf einmal und zuerst verstand ich es nicht. Also Papa würde ich den Typ da vor mir nicht unbedingt nennen. Auf einmal wurde mir klar, dass diese vier Buchstaben meine Rettung waren. Und dann sah ich meine Rettung auch schon auf mich zukommen. Ich ließ Collin los und er rannte in Minis Arme. ,,Hey, Lia, wer ist das?", fragte er mich. ,,Mein Vater. Können wir bitte heimgehen!". Mini kannte die ganze Geschichte, Rune hat ihm alles erzählt, ich habe es damals einfach nicht geschafft. Daher wusste er auch, dass ich einfach nur weg von hier wollte. Er reichte meinem Vater die Hand und meinte. ,,Guten Tag, ich bin Dominik Klein. Ihre Tochter wohnt vorübergehend bei mir und das ist OK so, machen Sie sich also keine Sorgen, ich kümmere mich schon um sie." Mein Vater fuhr wutentbrannt davon und ich war einfach nur froh, dass Dominik im richtigen Moment am richtigen Ort war. ,,Danke", meinte ich nur knapp, doch damit drückte ich mehr als nur dieses eine Wort aus. ,,Kein Ding. Komm wir gehen jetzt", meinte er.
Die darauffolgenden Stunden saß ich nur in 'meinem' Zimmer rum, schrieb mit Rune und Disse und verarbeitete das Gespräch mit meinem Vater. Am Abend kam Mini dann zu mir und fragte, ob wir uns das Spiel gemeinsam anschauen wollten. Ich bejahte und folgte ihm ins Wohnzimmer. Er hatte den Laptop mit dem Fernseher verbunden, sodass man das Spiel in Großbild schauen konnte. Die Jungs spielten eine sehr gute erste Halbzeit und eine mittelmäßige Zweite, gewannen ihr Spiel am Ende dennoch verdient mit 23-27! ,,Ich geh schlafen!", meinte ich direkt nach dem Schlusspfiff und verschwand. ,,Gute Nacht", rief Mini mir hinterher. Ich gratulierte Rune noch schnell zum Sieg und fiel kurz darauf in einen unruhigen Schlaf. Ich hatte verschiedene Albträume und immer wieder kam mir Angelo in den Kopf, der dunkelhaarige und immer perfekt gestylte Italiener aus meiner Klasse!
Durch meinen Wecker wurde ich am nächsten Tag wieder wach und stand verschlafen auf. ,,Morgen", begrüßte ich Isi, die bereits frühstückte. Mini schlief noch. ,,Morgen", grüßte sie mich freundlich. Ich machte mir einen Kaffee um wach zu werden, das half sogar. Anschließend räumte ich noch mein Zimmer auf und machte mich dann auf den Weg zur Schule. Mal wieder. ,,Viel Spaß, schaffst du schon", munterte Isi mich auf, doch das half nicht so viel.
,,Lia?" Genervt drehte ich mich um. Angelo. ,,Angelo?", sagte ich schnippisch. ,,Hast du ein kleinen Bruder?", fragte er. ,,Ne, warum?". ,,Ich habe dich gestern mit so einem kleinen Kind gesehen. Da dachte ich, dass du vielleicht die Schwester bist" ,,Bin Einzelkind", gab ich zu und meinte dann noch. ,,Das war das Kind von einem guten Kumpel von mir". ,,Wie alt sind denn deine Kumpels oder ist das so ein Frühkind?" ,,Was denn für ein Frühkind. Mein Kumpel ist schon über dreißig, ich darf doch trotzdem mit dem befreundet sein oder etwa nicht", erwiderte ich unfreundlich. ,,Ne, ich mein ja nur so. Hast du heute schon was vor?", fragte er nun direkt. Eigentlich hatte ich vor den Tag mit Rune zu verbringen. Auf ein Date mit dem hatte ich echt keine Lust. ,,Ne, hab schon was vor". ,,Schade, vielleicht wann anders dann?" Das war als Frage gemeint, doch ich beließ es beim Aussagesatz und ging dann einfach.
Nach der Schule wartete schon Rune am Eingang auf mich. Ich sprang ihm voller Freude in die Arme und küsste ihn liebevoll, es wurde jedoch immer verlangender. Nach einer Weile lösten wir uns wieder und ich drückte ihn nochmal ganz fest. ,,Glückwunsch zum Viertelfinale. War ein tolles Spiel gestern", gab ich zu. Rune strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Wir fuhren als erstes zu Mini um meine Sachen zu holen. Wir blieben noch zum Essen da. Es schmeckte wirklich gut. Währenddessen berichteten wir von der Begegnung mit meinem Vater. ,,So kann das nicht weitergehen, Lia. Wir müssen da jetzt wirklich was unternehmen. Die Sache wird gerade nur noch schlimmer"
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Schlimmer kann es eh nicht mehr werden!
FanficIch bin Lia und wohne erst seit ein paar Wochen in Kiel. Ich hasse hier alles. Doch als ich bei einem THW Kiel Spiel Rune Dahmke kennenlernte gefiel mir Kiel auf einmal. Ich wollte hier nicht mehr weg und hatte plötzlich wieder Spaß am Leben, auch w...