81.

631 18 2
                                    

Jennys Sicht

Nachdem ich mit meiner Tante, meinem Cousin und meinem Vater von Flensburg vom Shoppen kam, war es daheim still. Es war gerade mal halb neun. Im ganzen Haus war das Licht aus. Silke musste wohl schon schlafen, denn die Tür war angelehnt. Angelo und ich gingen hoch zu unseren Zimmern. ,,Ist Lia nicht da?", fragte er. ,,Sieht nicht so aus", stellte ich fest. Wir machten uns bettfertig und beschlossen dann noch, gemeinsam einen Film anzuschauen. Gemeinsam entschieden wir uns für Fack ju Göhte. Wir machten uns noch Popcorn und tranken Cola. Es war richtig gemütlich. Als der Film aus war, waren wir noch immer nicht müde und schauten gleich noch den zweiten Teil an, den wir heute gekauft hatten. „Ich mach noch ein paar Popcorn“, meinte Angelo und ging in die Küche. In dem Moment ging die Haustüre auf und Lia stolperte herein. Hinter ihr Rune. „Lia? Alles in Ordnung bei dir?“, fragte ich sofort nach. „Ja“, meinte sie nur knapp, doch ich nahm es ihr nicht ab. „Sie hat bisschen viel getrunken“, klärte Rune mich auf und brachte sie nach oben. „Ist Lia gerade gekommen?“, wollte Angelo sogleich wissen, der sich mit vollgepackten Händen wieder neben mich setzte. „Ja, aber irgendwas stimmt mit ihr nicht“.
Bevor wir uns darüber jetzt aber noch ewig den Kopf zerbrachen, starteten wir den Film und ließen uns wieder auf die Couch nach hinten fallen. Kurze Zeit später kam Rune wieder. Erst wollte er gehen, drehte dann aber doch nochmal um uns setzte sich zu uns. „Heey“, lächelte ich, fragte aber sofort nochmal nach Lia nach. „Wir haben gerade was getrunken. Sie fühlt sich nicht so gut. Sie ist gerade sofort eingeschlafen“, berichtete er. Irgendwas verheimlichte er mir aber, das merkte man, doch ich ging nicht weiter darauf ein und reichte ihm stattdessen die Popcorn rüber. So kam es dazu, dass wir den Film zu dritt zu Ende schauten. Gegen halb eins machte Rune sich dann auf den Heimweg und Angelo und ich gingen auch ins Bett
Lias Sicht
Am nächsten Morgen wachte ich schon um halb sieben auf und es war Sonntag. Na toll. An Schlafen war jetzt nicht mehr gedacht. Also stand ich leise auf, um Jenny nicht zu wecken. Ich ging nach unten in die Küche und dort traf ich auf meine Mutter. „Du auch wach?“, fragte sie. Ich nickte stumm. „Können wir reden?“, bat ich sie. Sie war einverstanden und nahmen am Esstisch Platz. „Wer weiß es?“, fragte meine Mutter mich mit einem ernsten Gesicht. Ich antwortete ihr ehrlich: „Nur Rune. Und ich habe ihm auch gesagt, dass er es für sich behalten soll“. Die Anspannung verfiel daraufhin schnell von meiner Mutter und sie atmete erleichtert aus. „Willst du das Kind behalten oder denkst du eher an Abtreibung?“, wollte ich wissen. „Wärst du arg sauer, wenn ich es behalten würde. Ich kann ein Lebewesen einfach nicht töten. Das bringe ich einfach nicht übers Herz“, machte sie mir klar. Begeistert war ich nicht davon, aber ich konnte sie verstehen. „Besser wie abtreiben, aber toll finde ich es nicht“. Danach schwiegen wir uns erstmal ewig an. „Hilfst du mir dann, wenn es mal auf der Welt sein sollte. Ich weiß nicht, ob ich das schaffe“, zweifelte sie schließlich. „Na klar, schließlich bin ich ja die Halbschwester. Und falls es bei mir mal nicht gehen sollte, wären ja immer noch Marco und Jenny da und ich hätte da im Notfall auch noch so ein paar Connections“. Ich nahm meine Mutter einmal in den Arm. „Wenn wir grad schon bei Marco sind“ fuhr ich fort „wann willst du es ihm sagen?“. „Frühestens nach dem dritten Monat. Bis dahin kann nämlich noch immer irgendwas schief gehen, zumindest ist die Chance dann größer“, teilte sie mir mit. „Ich werde Jenny auch nichts sagen“, versprach ich ihr noch. „Danke. Danke. Du weißt gar nicht, wie viel mir das bedeutet. Ich war gestern genauso geschockt wie du. Mir tut es Leid. Ich war in letzter Zeit manchmal so gemein zu dir und jetzt schreie ich wieder nach deiner Hilfe. Ich habe es nie ernst gemeint. Ich war einfach nur überfordert mit meiner Situation. Es tut mir so Leid“, entschuldigte sie sich, doch ich winkte nur ab: „Schon OK. Ich war auch nicht immer so vorbildlich“.
Am Nachmittag holte mich Rune ab. Die Jungs haben ein paar Tage frei bekommen und bevor er wieder zur Nationalmannschaft musste, wollte er noch gemeinsam was mit mir unternehmen. Er brachte auch noch Alex und Steffen mit und so fuhren wir zu viert nach Hamburg. „Da hätten wir heute ja eigentlich gespielt“, lachte Steffen. „Du vor allem“, meinte Alex und brachte uns alle zum Lachen. „Was machen wir hier jetzt eigentlich?“, wollte ich wissen. „Also. Alles ist genau geplant. Erstmal machen wir eine Hafenrundfahrt. Die geht eine Stunde. Dann machen wir einen kleinen Spaziergang und gehen in irgendein Café und dann werden wir zum HSV-Spiel gehen. Also heute mal Fußball“, erzählte Rune. „Ich hasse Fußball“, nörgelte ich, doch das war den Jungs egal. Das konnte ja noch ein Tag werden… Vorfreude pur!!
„Wann kannst du eigentlich wieder spielen, Steffen?“, wollte ich während der Hafenrundfahrt wissen. Irgendwann wurde es mir nämlich langweilig. „Ich hoffe so auf April“, meinte er. „Und wann ist Disse wieder dabei?“, fragte ich weiter. „Der müsste eigentlich schon wieder bei den nächsten Spielen dabei sein. Bei ihm sieht es gut aus“, erzählte er. „Cool“. „Steffen versucht ja vor Disse wieder dabei zu sein. Der trainiert wie nie zuvor“, zwinkerte Alex ihm zu und lachte dabei. „Ach, deshalb hat er nie Zeit für mich“ spielte Rune mit und checkte mit Alex ab. Ich hingegen nahm Steffen ein wenig in Schutz. Ich wollte nicht, dass alle gegen ihn schießen. „Soweit ich weiß, trainiert Disse auch ganz schön viel. Zumindest sagt Jenny das“. „Das sagt sie vielleicht, weil Disse ihr es sagt. In Wirklichkeit ruht er sich wahrscheinlich in einem Café aus und zieht sich eine Käse-Sahne-Torte rein“, konterte Alex und motivierte dadurch Rune. „Eine wird nicht reichen“, vermutete er und die Beiden bekamen erstmal einen Lachflash, von dem sie sich nicht so schnell erholten. „Die sind heute irgendwie sehr gut gelaunt. Zu gut“, raunte Steffen mir zu und nun lachten auch wir. „Wenn Sie dann bitte aussteigen würden. Die Fahrt ist vorbei“, erinnerte uns irgend so ein Typ an Bord. Wir mussten nochmal nachfragen, weil wir vor lauter Lachen nicht verstanden, was er von uns wollte. Nachdem wir dann wieder an Land waren, lachten wir erneut los. Diesmal aber alle über dieselbe Sache. „Wenn sie dann bitte aussteigen würden…“, äffte Alex den Mann nach. „Nein, wir bleiben sitzen“.

Nachdem wir eine Weile durch die Stadt gelaufen sind, nahmen wir in einem Café Platz und bestellten uns was zum Trinken und einen Kuchen. „Jetzt machen wir es wie Disse“, fuhr Rune mit unserem Gesprächsthema fort und zog Alex wieder sofort in seinen Bann. „Die verhalten sich echt wie Kleinkinder“, meinte ich zu Steffen, der nur zustimmend nickte. Dann kam die Bedienung wieder: „Eine Käse-Sahne-Torte“. „Ja, für mich“. Alex! War ja klar, dass er das bestellt. Wir Anderen bekamen auch unsere Kuchen und wir begannen zu Essen.
Danach machten wir uns auf den Weg ins Volksparkstadion zum Spiel HSV gegen Hertha BSC. „Wer ist von denen besser?“, wollte ich wissen. „Also Berlin ist auf jeden Fall weiter vorne in der Tabelle“, klärte Rune mich auf und griff nach meiner Hand. „Uii Steffen, das machen wir auch!“, meinte Alex und nahm Steffen ebenfalls an die Hand. „Seit wann haben wir denn Homos in der Mannschaft?! Schön, dass ich auch mal was erfahre“, lachte Rune. Steffen schien sich das gleiche zu fragen: „Das wüsste ich auch gerne“. Doch Alex lief weiterhin händchenhaltend mit Steffen durch die Gegend. „Alter, hast du schwitzige Hände“, beschwerte sich Alex dann nach einiger Zeit. „Ich kann doch nichts dafür, wenn du Hände hast, die auch am Nordpol als solche akzeptiert werden würden“, rechtfertigte Steffen sich sogleich. „Ist ja gut. Ich lasse dich los. Ab jetzt gehen wir getrennte Wege. Wir lassen uns scheiden und werden uns ab sofort ignorieren!“, zog Alex daraufhin einen Schluss, nachdem bei den beiden Streithähnen kein Licht mehr zu sehen war. „Habt ihr’s dann mal?“, hakte Rune nach. „Jaaaaa“.

Schließlich gingen wir dann ins Stadion und der Lärm war meiner Meinung nach unaushaltbar. Wir liefen, nachdem die drei Jungs sich ein Bier gekauft haben, zu unseren Plätzen, die sich hinter dem Tor befanden. "Lia kommt neben mich", quängelte Rune und riss Steffen die Karte aus der Hand, denn laut Sitzplatz wäre Steffen neben mir gesessen. "Mir ist egal neben wem ich sitze", gab ich ihnen zu verstehen, doch Rune meinte: "Mir aber nicht". Nachdem auch das geklärt war, konnten wir uns Voll und Ganz auf das Spiel konzentrieren, das Hamburg letztendlich auch 2:0 gewann. So schlecht fand ich das Spiel gar nicht mal. "Rune? Hast du nicht gesagt, dass Berlin besser ist?", fragte ich in den letzten Spielminuten noch. "Laut Tabelle schon, aber es ist wie bei uns im Handball. Da kann auch der Letzte mal den Tabellenersten schlagen", redete er sich heraus.
Als das Stadion dann etwas leerer wurde, standen wir auch von unseren Sitzen auf und liefen zum Ausgang. "Ich gehe noch schnell auf die Toilette", teilte ich den Jungs mit und drehte wieder ab.
Als ich rauskam, legte sich plötzlich eine kalte Hand auf meine Schulter. Defintiv nicht die von Rune. "Ach, du auch hier?", fragte diese Stimme, die mir sehr bekannt vorkam. Ein kalter Schauer lief meinen Rücken herunter und ich drehte mich vorsichtig um...

Schlimmer kann es eh nicht mehr werden!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt