Schlimmer kann es eh nicht mehr werden!

82.

„Lukas?", fragte ich entsetzt und mit zittriger Stimme. „Haii", meinte er frech grinsend. „Was machst du hier?", zischte ich. „Du weißt doch, dass ich Fußball und den HSV liebe", antwortete er mir provokativ. „Wie geht es dir?", wollte er wissen und kam mir ein Stück näher. Ich musste mich zusammenreisen, dass ich nicht wieder weich werde und wieder in ihn verfalle. „Gut, aber ich muss jetzt gehen". „Ich bin noch ein paar Tage hier in Hamburg, vielleicht können wir uns ja mal treffen", schlug er vor und hielt mich an der Schulter fest, damit ich nicht weiterlaufen konnte. „Ja, vielleicht". Nach diesen Worten hätte ich mir selber eine reinhauen können. „Tschau", meinte er noch und ging dann ebenfalls. Oje. Wie dumm war ich eigentlich. Rune bringt mich um, wenn er davon erfährt.

„Hey, wo warst du denn so lange?", fragte Rune mich natürlich direkt. „Die Schlange war mal wieder so lang", log ich. OK, kurz war sie vielleicht wirklich nicht, aber sicherlich nicht so lange, dass ich den gefühlt halben Tag benötigen würde. „Alles OK bei dir? Du siehst so blass aus", meinte Steffen fürsorglich. „Jaja, alles gut", gab ich zurück. „Liegt wahrscheinlich an dem ungewohnten Lärm", lachte Alex und lenkte uns dadurch glücklicherweise auf ein anderes Thema über. „Wahrscheinlich meinst du den Lärm, den du produzierst", meinte Rune sarkastisch. „Wer beklagt sich denn immer, dass man mich auf dem Spielfeld nicht versteht?", hakte Alex nach. „Ja, auf dem Spielfeld bist du stumm wie ein Fisch, aber sobald das Spiel aus ist, geht das Gequassel los". Die Zwei diskutierten noch eine Weile. Und mit  einer Weile meine ich die ganze Fahrt bis zurück nach Kiel...

Rune war inzwischen beim Lehrgang der Nationalmannschaft und ich saß daheim in meinem Zimmer. Jenny war bei Disse, und Angelo musste nachsitzen. Plötzlich vibrierte mein Handy. Es war Lukas, der mir schrieb:

Lukas: Hey Lia♥ hast du heute oder morgen oder so Zeit?:) Würde mich gerne mit dir treffen:*

Lia: Wieso willst du dich mit mir treffen? Ich bin mit Rune zusammen!! Kapier das endlich!

Lukas: Nur freundschaftlich, so kumpelmäßig. Ich weiß doch, dass du mit Rune zusammen bist:)

Lia: Sicher?

Lukas: Ganz sicher♥ Versprochen:*

Lia: Von mir aus. Kommst du nach Kiel?

Lukas: Kann ich machen

Wir einigten uns auf heute, 16 Uhr. Heute Abend würde er dann wieder zurückfahren. Jetzt bekam ich irgendwie dennoch ein schlechtes Gewissen. Rune wusste nichts davon. Wäre er sauer, wenn er davon erfahren würde?

Gerade als ich das Haus verließ, kam mir Angelo entgegen. „Ach, geschafft?", fragte ich lachend. „Oh ja, war ganz toll". „Wegen was musstest du eigentlich nachsitzen?", fragte ich. Er zögerte kurz und meinte dann beschämend: „Hab Frau Maier geduzt und gesagt, dass es mir scheißegal wäre. Ich habe doch den Tisch eingeritzt". „So dumm, vielleicht lernst ja draus", gab ich ihm auf den Weg mit und musste danach schmunzeln. Irgendwie mochte ich Angelo inzwischen. Ich weiß nicht, aber seit er bei uns wohnt, verstehen wir uns irgendwie voll gut. OK, abgesehen von diesem kleinen Zwischenfall, aber sonst läuft das echt klasse bei uns.

Ich fuhr mit dem Bus bis zum Bahnhof und wartete dort auf Lukas, der jeden Moment kommen müsste. „Huuh", erschreckte er mich plötzlich von hinten. „Ey, du bist doof", beschwerte ich mich und boxte ihm leicht gegen die Schulter. „Bekomme ich wenigstens eine Umarmung?", fragte er. „Von mir aus"... „So, und was machen wir jetzt?", fragte er. „Also ich müsste noch in die Stadt gehen. Brauche noch ein paar Sachen", meinte ich. Wir liefen den kurzen Weg in die Holstenstraße, da heute schönes Wetter war und wir daher nicht in irgendeinem Einkaufszentrum sein wollten. Wir gingen in unterschiedliche Läden. Ich kaufte mir hauptsächlich Beauty-Artikel, da meine daheim so gut wie leer waren, aber auch bei H&M schlugen wir beide zu. „Bor, jetzt kann ich nicht mehr", stöhnte ich. Draußen war es nicht so kalt. Wir liefen Richtung Bootshafen und genossen den Blick auf die Förde hinaus. „Wunderschön", kommentierte Lukas den Ausblick. „Wenn jemand dabei ist, finde ich es auch schön, alleine ist Kiel doof". Für diesen Satz hätte ich mir schon wieder eine reinhauen können. „Dafür hast du ja jetzt mich", grinste Lukas und riss sich zusammen, nicht einen Arm um mich zu legen. Die Situation wurde mir irgendwie immer unangenehmer, daher meinte ich irgendwann: „Wir können ja mal weitergehen. Ich habe Hunger". „Oh ja, gute Idee, ich nämlich auch". „Vampiano?", fragte ich mit einem Hundeblick. „Gerne. Ich lade dich ein", lächelte er.

„Wie lange bist du eigentlich noch in Hamburg?", wollte ich wissen. „Also ich fahre am Wochenende wieder zurück, aber ich werde wahrscheinlich in Hamburg studieren, also werde ich im Sommer spätestens hierher ziehen", erzählte er. „Cool". „Ja, dann können wir uns vielleicht auch mal bisschen öfters noch treffen", schlug er vor. „Können wir ja dann mal sehen". „Ja genau". Irgendwie war mir die Lage noch immer etwas unangenehm. „Wollen wir heute noch was machen?", redete ich mich heraus. „Wie spät ist es?". „Kurz vor acht". „Mein Zug fährt in einer knappen Stunde", teilte er mir mit. Spontan fiel mir nichts ein, was wir machen könnten.

Wir liefen letztendlich noch eine Weile in der Stadt rum und tranken noch etwas in einer Bar. Danach begleitete ich ihn noch zum Bahnhof. „War echt schön heute", meinte er mit einem Lächeln. „Ja, fand ich auch". „Wenn ich nochmal komme, schreib ich dir wieder, dann können wir uns ja nochmal treffen". „Au ja".

Fuck. Wie doof bin ich eigentlich? Immer wenn Lukas vor mir steht, habe ich mich nicht mehr unter Kontrolle. Ich werde doch wohl nicht etwa noch immer in ihn verliebt sein. Bitte nicht...

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„Wo warst du den ganzen Tag?", wollte Angelo wissen, als ich heimkam. „Ähmm, hab was mit nem Kumpel gemacht", sagte ich mit zittriger Stimme. „Ach. Wer denn?", fragte er weiter. „Ähh, kennst du nicht", meinte ich und das stimmte ja auch. „Wie heißt er?". „Wieso willst du das wissen?", fragte ich zurück. Er zögerte kurz und fragte mich dann, ob Rune es wisse. „Darf ich mich mit niemandem treffen?", zischte ich ein wenig angepisst. „Natürlich darfst du das, aber ich möchte nicht, dass nochmal sowas passiert wie an Silvester, also dass du auf einmal mit deinem Ex oder so rumknutscht", klärte er mich auf. Plötzlich wurde es mir schlecht. Ich bekam ein mega schlechtes Gewissen und mir fehlten die Worte. „Ich geh ins Bad", redete ich mich schließlich aus der Sache raus und verschwand. Angelo rief mir zwar noch hinterher, aber ich war mit meinen Gedanken schon wo ganz anders. Ich stützte mich auf dem Waschbecken ab und betrachtete mein Gesicht im Spiegel. Ich sah ein böses Mädchen, das niemandem treu ist. Bin ich wirklich so? Ich hatte auf einmal so einen Hass auf mich selber, am liebsten hätte ich den Spiegel eingeschlagen. Ich wusch mein Gesicht mit kaltem Wasser und starrte mich wieder an. Plötzlich kamen mir die Tränen und ich sank auf dem Boden nieder. Ich war so ein schlechter Mensch.

Irgendwann setzte sich jemand neben mich und legte einen Arm um mich. An der Stimme erkannte ich, dass es Angelo war. Wieso war er auf einmal so fürsorglich? Ich schaute allerdings nicht auf. „Hey, was ist denn los? Pssscht", redete er sanft auf mich ein. „Ich... ich... bin... habe... ich... mit... also", stotterte ich. Er nahm mich in den Arm und ich weinte mich in seiner Halsbeuge aus. „Ist was passiert?", fragte er erneut. „Ich.. ich habe einen riesen Fehler ge... gemacht", schluchzte ich und meinte Tränen rannen weiter an meiner Wange hinab. Er schaute mich fragend und mit großen Augen an. „Ich... ich habe mich... mit meinem Ex getroffen". Als ich diese Worte draußen hatte, sank ich noch weiter auf dem Boden zusammen. „Du hast was?", meinte Angelo perplex und verharrte in seiner Position. „JA, HABE ICH UND ICH BEREUE ES!", schrie ich „und Rune weiß nichts davon", fügte ich noch hinzu, allerdings etwas ruhiger.

„Was ist denn hier los?", fragte meine Mutter plötzlich vom Türrahmen aus. „Ich glaube, ich lasse euch besser mal alleine", meinte Angelo und ging. „OMG Lia, was ist los?", fragte meine Mutter sogleich und setzte sich zu mir auf den Boden. „Ich habe mich mit Lukas getroffen". „Mit DEM Lukas?", hakte meine Mutter verwundert nach. „Natürlich mit DEM. Oder kennst du noch einen anderen Lukas?", gab ich angewidert zurück. „Seid ihr wieder zusammen?", fragte sie mit großen Augen. „Als ob. Ich bin mit Rune zusammen!". „Achso, stimmt ja". War das jetzt ihr Ernst? Ich erzählte ihr von meinen Ängsten und am Ende meinte sie dann: „Rune wird einfach nie was davon erfahren. Was glaubst du, was dein Vater alles nicht weiß, mit wie vielen Leuten ich früher rumgemacht habe, obwohl ich mit ihm zusammen war, das kannst du dir gar nicht vorstellen". „Nein, das will ich mir auch nicht vorstellen und das wird wahrscheinlich auch mit ein Grund sein, wieso ihr geschieden seid". „Ach, ich glaub nicht", lachte sie und begann weiter von ihren Affären zu schwärmen. „Danke Mama, aber ich glaube ich gehe jetzt schlafen", teilte ich ihr schließlich mit und machte mich auf den Weg in mein Zimmer. Ich beschloss aber noch Rune zu schreiben, dass ich ihn liebe, dadurch hatte ich wenigstens nicht mehr ganz so ein schlechtes Gewissen. Daher schlief ich dann auch mit einem Lächeln im Gesicht ein und schlief sogar ohne Zwischenfälle durch.