„Sag, dass das nicht wahr ist, bitte, bitte, ich flehe dich an", meinte ich geschockt. Ich konnte es irgendwie nicht glauben. „Tut mir Leid, aber ich finde es genauso scheiße", verriet sie. Ich vergrub meine Hände in meinem Gesicht und dachte angestrengt nach. „Kriegen wir jetzt etwa noch ein Geschwisterkind oder was?". Darauf sagte Jenny nichts mehr, dachte sich dabei aber wahrscheinlich ihren Teil.
„Vielleicht habe ich es ja wirklich falsch verstanden. Ich finde, wir sollten jetzt auf andere Gedanken kommen. Warten wir auf die Jungs und dann wird so richtig gefeiert würde ich sagen", entschied Jenny von der einen auf die andere Sekunde. Diese Einstellung gefiel mir und ich war sofort dabei. Im Hintergrund schwirrten aber noch immer ihre Worte durch meinen Kopf.
„Oh wie ist das schön, Oh wie ist das schön, so was hat man lange nicht gesehen! So schön! So schön!", grölten die Jungs, als sie kurz drauf aus der Kabine kamen. Jenny und ich stimmten natürlich gleich mit an. Dann ging es weiter in ein Restaurant in Krakau, wo die Party mal so richtig startete, Dagur war nicht mehr wieder zu erkennen. Der sonst so ruhige Trainer flippte richtig aus und feierte fast mehr als die eigentlichen Sieger. Es wurde gesungen, gelacht und geredet und es war ein wunderschöner Abend. Natürlich haben wir auch ziemlich viel getrunken. Nach meinem dritten Bier war allerdings Schluss bei mir, ich war schon ziemlich angetrunken und das Vierte wäre dann wahrscheinlich mein Ende gewesen. Jenny war nach ihrem vierten Bier aber auch einsichtig geworden und lehnte das nächste ab. Zudem wurden verrückte Bilder gemacht und kuriose Videos gedreht und wir waren erst in den frühen Morgenstunden zurück im Hotel. An Schlafen war zwar nicht mehr wirklich gedacht, aber für zwei, drei Stunden reichte es noch. Rune und ich schliefen aufeinander ein, da ich zu müde war, um in mein eigenes Zimmer zu gehen.
„Aufstehen! Guten Morgen Rune! Guten Morgen Lia!", weckte uns Steffen später aus dem Tiefschlaf. „Was?", gähnte ich verschlafen, auch Runes Augen waren noch sehr klein und das sah einfach niedlich aus. „Wir fahren bald, ihr müsst noch packen", ermahnte Steffen uns. Also quälten wir uns aus dem Bett und ich schlurfte in mein Zimmer. Auf dem Bett lagen Jenny und Disse verteilt. Das musste einfach fotografiert werden. Es sah einfach zu niedlich aus. Quer übereinander lagen die beiden, verteilt auf zwei Betten. Durch das Klicken meiner Handykamera zuckte Jenny leicht zusammen, schlief dann aber seelenruhig weiter. Irgendwie musste ich die beiden wachbekommen, doch das war nicht so einfach. Während ich meine Tasche packte, dachte ich angestrengt nach. Entweder Wasser über den Kopf kippen oder auf die beiden draufspringen. Diese zwei Möglichkeiten hatte ich. Da das mit dem Draufspringen wegen Disses Verletzung allerdings nicht so sinnvoll wäre, entschied ich mich für die Variante mit dem Wasser. Ich wollte aber vorsichtig sein, damit wir später nicht noch die Betten putzen mussten. Am Fenster entdeckte ich meine angefangene Sprudelflasche von gestern. Die eignete sich perfekt. Vorsichtig schlich ich zu den Zwei hin, ich hätte aber genauso gut normal gehen können, da die eh nichts mitbekamen, und goss Disse und Jenny vorsichtig etwas Wasser auf ihren Bauch. Sofort schreckten die Beiden auf und schauten mich verwirrt müde an. „Was tust du?", fragte Jenny verschlafen. „Euch wecken. Wir müssen bald los", erklärte ich. „Was... wann... müssen... wir... hier...we...weg?", krächzte Disse aus dem letzten Loch. „Wohl bisschen zu lang gefeiert", stellte ich mit einem Zwinkern fest. „Kann sein", heulte er wie ein Wolf, aber der Wolff, wo war der eigentlich. Ich wollte ihn noch was fragen.
Ich schnappte mir also schnell meine gepackte Tasche und stellte sie unten zu den anderen Taschen, die bereits eingeladen wurden. „Wo ist Andreas?", fragte ich Lütti in der Hotel Lobby, er wusste es wahrscheinlich am ehesten. „Keine Ahnung, ich habe ihn heute noch nicht gesehen", meinte er. Oder auch nicht.
Schließlich fand ich vor dem Bus. „Andreas?", fragte ich. „Ja?". „Du kommst ja im Sommer nach Kiel, das haben Rune und Steffen mir erzählt", begann ich. „Ja, richtig". Ich zögerte kurz, sagte dann aber: „Weißt du, ich habe in den letzten Tagen echt Spaß am Handball bekommen und ich würde eigentlich gerne anfangen selber zu spielen. Aber halt nicht auf dem Feld, sondern im Tor, so wie du, du bist ein echtes Vorbild von mir geworden und jetzt wollte ich fragen, ob du mich vielleicht bisschen unterstützen kannst und mir dann auch Sachen beibringen kannst uns so". Neugierig wartete ich auf seine Antwort. „Klar, gerne, freut mich echt, dass dir Handball gefällt. Das können wir auf jeden Fall machen, wir sehen uns ja bestimmt nochmal davor", meinte er mit einem fetten Grinsen. „Danke", flüsterte ich und umarmte ihn ausgiebig.
Jennys Sicht
„Ich. Bin. Müde", stöhnte ich die ganze Zeit, während Disse mir meine Sachen zusammenpackte. „Ich doch auch, aber das hilft auch nichts", meinte er immer und immer wieder zu mir. Doch was gebracht hat es nicht. Die Sache mit Lias Mutter und meinem Vater ließ mir keine Ruhe, immer wieder dachte ich an das gestrige Telefonat mit meinem Dad. Mir kamen auch immer wieder Zweifel. Vielleicht habe ich es ja doch irgendwie falsch verstanden und die Beiden hatten gar nichts miteinander, das wäre aber richtig peinlich gewesen. Solche Vorwürfe sind auch nicht ohne. Irgendwie hatte ich ein schlechtes Gewissen. „Erde an Jennifer!", sagte auf einmal Disse. Er fuchtelte wild mit seinen Händen vor meinen Augen herum. „Äh was?", zuckte ich erschrocken zusammen. „Wo bist du mit deinen Gedanken heute eigentlich, das war jetzt nicht das erste Mal", stellte er klar. „Ja, ich weiß", meinte ich daraufhin. „Alles OK bei dir?", fragte er fürsorglich. „Jaja, alles gut, was willst du?". „Naja, wenn du meinst, ich habe dir gesagt, dass wir jetzt gehen können, ich habe alles eingepackt", grinste er verschlafen. „OK", sagte ich nur knapp und war schon aus der Tür verschwunden. Ich konnte jetzt mit niemandem drüber reden, nicht mal mehr mit Lia.
Disses Sicht
Irgendwie benahm Jenny sich heute merkwürdig. Sie war die ganze Zeit so abwesend zu mir, ich habe heute noch keinen einzigen Kuss von ihr bekommen und wenn man mit ihr redete, merkte sie es nicht. Also irgendwas war an der Sache faul. War sie irgendwie sauer auf mich? Habe ich etwas Falsches getan oder was Falsches gesagt? Ich konnte mich auf jeden Fall nicht erinnern. „Hey Disse, was geht?", fragte mich Erik auf dem Weg nach unten. Wir verstanden uns recht gut, da wir früher mal gemeinsam zusammen gespielt haben. „Irgendwie ist Jenny heute komisch, ich überlege schon die ganze Zeit, ob ich irgendwas Falsches gesagt habe", offenbarte ich ihm. Ich hatte großes Vertrauen in ihn, von dem her fiel es mir nicht schwer, offen mit ihm über die Sache zu reden. „Ach, die wird nur ihre Tage haben, sie ist ein Mädchen, morgen sieht die Welt schon ganz anders aus", vermutete er. „Ja, das wird's sein, danke", lächelte ich und konnte wenigstens mit einem halbwegs guten Gewissen in den Bus einsteigen. Lia saß bereits drin, hinten bei Andi Wolff. Die beiden hatten sich scheinbar einiges zu erzählen. Ich setzte mich ziemlich mittig auf einen freien Platz. Kurz drauf kamen Rune und Steffen, die sich zu mir setzten. Dann erst kam Jenny. Sie sah uns und auch Lia, doch ohne einen weiteren Kommentar ließ sie sich auf den nächstbesten Platz in der zweiten Reihe fallen. Sie zuckte ihr Handy, kramte die Kopfhörer aus ihrer Jackentasche und ließ Musik laufen. Mein Gewissen verschlechterte sich wieder. „Ist irgendwas zwischen euch?", fragte Steffen und schaute dabei die ganze Zeit in Jennys Richtung. „Keine Ahnung, ich weiß auch nicht", beantwortete ich ihm seine Frage. „Sie geht ja nicht mal zu Lia", stellte nun auch Rune fest. „Merkwürdig", nuschelte Steffen. „Du bist aber auch nicht bei Lia", machte ich Rune klar und versuchte damit die Stimmung etwas aufzulockern. Wir waren schließlich Europameister. „Die hat ja einen neuen Gesprächspartner", rechtfertigte sich Rune „und außerdem ist da hinten eh kein Platz mehr". Er schaute sie so lange an, bis sich ihre Blicke trafen und sie sich einen Luftkuss schenkten. Dann betraten Johannes und Tobias den Bus und schlagartig kam wieder Stimmung auf.
„Aber scheiß drauf, Polen ist nur einmal im Jahr, olé olé, und schalala", stimmte er an und wir alle stiegen ein. Alle außer Jenny. Sie schaute aus dem Fenster und regte sich nicht. Lia hingegen war voll in Partystimmung. Vielleicht sollte ich ja mal mit ihr reden, wenn ich schon nichts aus Jenny rausbekomme.
Auf der gesamten Busfahrt, dem gesamten Flug und auch noch kurz danach verhielt Jenny sich immer distanziert und redete mit niemandem. Ihre Kopfhörer legte sie nur beim Check in am Flughafen ab und dann war sie auch schon wieder verschwunden. Auf einmal tauchte Lia neben mir auf. Perfekt. Vielleicht konnte sie mir weiterhelfen: „Du Lia?" „Ja". „Weißt du was mit Jenny ist?". Sie schien das noch gar nicht bemerkt zu haben, denn sie fragte erstmal nach, was denn mit Jenny überhaupt sei. „Stimmt, irgendwie hast du ja Recht" stellte sie dann nach meiner Erklärung auch mal fest. „Hast du ne Idee?", wollte ich wissen. „Ja...also... es ist so... also ich kann mir schon vorstellen, was mit ihr ist", stammelte sie. Erwartungsvoll starrte sie mich an, aber anstatt es mir zu erzählen, zog sie mich in eine Ecke, wo uns niemand belauschen konnte. „Ich weiß nicht ob es wirklich so ist, aber ich vermute es, du darfst es aber niemandem sagen, versprochen?", forderte sie. Das machte mich jetzt echt neugierig. „Versprochen", meinte ich noch zu ihr, bevor sie anfing zu erzählen...
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Schlimmer kann es eh nicht mehr werden!
FanfictionIch bin Lia und wohne erst seit ein paar Wochen in Kiel. Ich hasse hier alles. Doch als ich bei einem THW Kiel Spiel Rune Dahmke kennenlernte gefiel mir Kiel auf einmal. Ich wollte hier nicht mehr weg und hatte plötzlich wieder Spaß am Leben, auch w...