1

699 32 2
                                    


Müde lehnte ich meine Stirn gegen die mit Regentropfen übersähene Scheibe. Ich hasste lange Autofahrten. Ich hasste es umzuziehen und ich hasste den Ort indem unser neues Haus stehen würde.
Wieso musste mein Vater auch versetzt werden? Nur weil er eine der besten Polizeisheriffs war, die die Welt je gesehen hatte, bedeutete das noch lange nicht, dass kein Anderer seinen Job übernehmen könnte.
La Push ein Reservat in der Nähe von Forks einer Stadt in Washington. Ich konnte noch immer nicht glauben, dass meine Eltern - nun ja Adoptiveltern mir und meinem kleinen Bruder Leon - das antaten. Schon seit ich denken konnte, lebten wir in Florida. Somit war die Sonne meine ständige Vertraute, doch von nun an würde ich sie nur selten zu Gesicht bekommen.
"Jetzt mach doch nicht so ein Gesicht, Valerie", versuchte mich meine Mutter aufzuheitern und drehte den Kopf zu mir. Am liebsten hätte ich ihr so viele Dinge an den Kopf geworfen, hätte ihr gesagt, wie sehr es mich ankotzte alles hinter mir zulassen. Nicht nur meine vertraute Heimat, sondern auch meine Freunde.
Allerdings hinderte mich ihr sorgenvoller Blick daran. Auch das hasste ich, denn ich wusste, dass ich weder ihr, noch meinem Vater, noch Leon jemals böse sein konnte. Seit ich mit zwölf Jahren erfahren hatte, dass sie mich adoptiert hatten, kam immer wieder dieses Schuldgefühl in mir auf und verpflichtete mich dazu dankbar zu sein. Also zwang ich mich zu einem schlappen Lächeln, ehe ich wieder nach Draußen schaute. Wie lange würde ich noch in diesem engen Auto sitzen müssen?

Gute vier Stunden und drei Nervenzusammenbrüche später, parkte mein Vater unseren Wagen endlich vor einem kleinen Haus. Schneller als der Rest meiner Familie sprang ich in die Freiheit und sog sogleich frische Luft in meine Lungen.
"Das hast du gut gemacht", lobte mich mein Dad und lächelte mir zu. Jeder in dieser Familie wusste, wie schlecht ich enge Räume vertrug, dass lag nicht in meiner Natur.
"Gut gemacht", echote mein kleiner Bruder, der erst vor einigen Tagen drei geworden war. Somit trennten uns dreizehn Lebensjahre, doch das machte mir nichts. Grinsend hob ich ihn auf meinen Arm und stupste ihn auf die Wange. „Danke kleiner Löwe."
Kichernd verbarg der kleine Engel sein Gesicht in meinen langen dunkelbraunen Locken. Ich lachte und folgte mit Leon auf den Schultern meinen Eltern, die sich bereits daran machten die Tür aufzuschließen.
Nun betrachtete ich mein neues Heim genauer. Die Fassade hatte einen ausgeblichenen Gelbton, der sich über beide Etagen des Hauses erstreckten. Zwei dicke Holzstämme stützten das dunkle Vordach. Bis dahin ähnelte es keineswegs meinem alten Zuhause, doch eine Gemeinsamkeit erkannte ich dennoch - viele große Fenster. Meine Eltern liebten es Licht in unser Leben zu bringen und da wir schon immer nahe der Natur gewohnt hatte, gab es auch nie ein Problem mit der Privatsphäre.
"Herein spaziert, herein spaziert", trällerte meine Mutter und ließ mir den Vortritt. Ohne, dass sie es sehen konnte, rollte ich mit den Augen. Noch immer war sie davon überzeugt, dass ich hier schnell neue Freunde finden würde. Schließlich würde ich ab Morgen auf die Schule in La Push gehen.
Wer's glaubt. Ich war noch nie gut darin gewesen Kontakte zu knüpfen und hatte meine Freunde immer eng beisammen gehalten. Mit dem Umzug waren sie mir gewaltsam genommen worden.
Immerhin war das Haus echt schön, wie ich nach einer kurzen Besichtigung feststellen konnte. Unsere modernen Möbel standen bereits und fügten sich zusammen mit dem Ocker und Holzelementen zu einem ungewöhnlichen Bild zusammen.
In der Zeit, in der ich zusammen mit Leon die Zimmer bestaunt hatte, hatten unsere Eltern bereits unser restliches Gepäck herein getragen. Stillschweigen nahm ich meine wenigen Kisten und trug sie hinauf in mein Zimmer.
Die Wände hier waren auf meinen Wunsch in einem hellen Grün gestrichen, sodass der Raum gleich freundlicher wirkte. Links von mir stand mein Bett, welches ebenso, wie die Kommode daneben und der Schreibtisch direkt vor dem Fenster aus einem hellen Eichenholz bestanden. Ich seufzte und ließ alles von mir fallen. Hier stand ich also in meinem neuen Zuhause und fühlte mich einsamer denn je.

MondgeheulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt