Zehn Tage später zündete er eine Lampe an, die ausgegangen war, als Yonay auf ihn zukam. „Falrey?"
Er blickte auf.
„Da... ist wer in der Küche für dich."
Sein Blick wanderte zu den beiden Freiern, die eben eingetreten waren, und dann zurück zu Yonays von schwarzen Haaren umrahmten Gesicht. „Was? Wie für mich?"
„Es... wurde nach dir gefragt", antwortete sie, und ihm fiel ihr Gesichtsausdruck auf. Als fragte sich ein Teil von ihr, ob es eine gute Idee war, ihm das auszurichten. Aber es überwog derjenige, der sagte, dass es eine schlechte gewesen wäre, es nicht zu tun.
Falrey nickte verwirrt. „Ich gehe gleich."
Er stellte die Lampe zurück in die Nische und wischte sich die Hände an der Tunika ab, als er nach hinten trat. Wer zur Hölle sollte nach ihm fragen? Um die Zeit? Oder überhaupt? Er kannte niemanden im Viertel, und er bezweifelte selbst, dass die Frau am Fladenbrotstand sich mehr als flüchtig an ihn erinnerte, obwohl er seit fast drei Wochen regelmässig sein Mittagessen bei ihr holte. Die Gegend war nicht wie die Steingasse, wo die halbe Nachbarschaft nichts besseres zu tun hatte als sich über jede neue Nase „Gedanken" zu machen und sie jedem, der dumm genug war stehen zu bleiben, weiter zu erzählen. Die Leute hier blieben mehr für sich, und die meisten schienen Diskretion zu schätzen. Und selbst wenn, niemand von ihnen hatte einen Grund, ihn nachts bei der Arbeit in die Küche zu zitieren. Hoffte er zumindest.
Sein nächster, ziemlich irrationaler Gedanke, sprang aus irgendeinem Grund zu Kreon, aber er verwarf ihn wieder. Kreon war ihm von vorne bis hinten zutiefst unsympathisch und er kannte sein Gesicht, aber warum sollte er die Mühe auf sich nehmen, ihn ausfindig zu machen? Gleiches galt für die anderen Jäger. Das Naheliegendste war eigentlich, dass es Jelerik war, der ihn irgendetwas fragen wollte. Aber dann hätte Yonay nicht so komisch dreingesehen, als versuchte sie zu verbergen, dass sie... Angst. sie hatte Angst gehabt. Sie war sich selber nicht sicher gewesen, ob die Angst gerechtfertigt war oder ob sie paranoid wurde, aber die Angst war dagewesen, irrational und instinktiv, wie die Furcht der Beute vor dem Jäger. Ihm wurde klar, wer da war.
Ein kalter Schauer kroch seinen Nacken hinunter und am liebsten hätte er rechtsumkehrt gemacht und wäre zurück in den Empfangsraum gelaufen. Er wollte ihn nicht sehen, sich schon gar nicht mit ihm unterhalten. Was wollte er überhaupt hier? Bis jetzt hatte er in den ganzen drei Wochen nie etwas von ihm gehört oder gesehen, und er war davon ausgegangen, dass es das jetzt gewesen war, immer noch nicht ganz sicher, ob dabei der positive oder der negative Teil überwog. Wieso kam er jetzt plötzlich her?!
Du wirst es nur wissen, wenn du ihn fragst.
Er hätte ihn einfach stehen lassen können und warten, bis er irgendwann wieder ging. Er wäre nicht nach vorne gekommen, da war er sich ziemlich sicher. Aber verdammt, so ein Feigling war er auch wieder nicht. Du kriegst das hin. Er atmete durch und setzte die Maske auf. Dann brachte er die letzten Schritte hinter sich.
Jaz stand in der Mitte der Küche und wandte sich um, als er den Raum betrat. Falrey blieb im Türrahmen stehen, die Arme verschränkt, und starrte ihn an. „Was ist?"
Seine Stimme klang kühl, aber er hatte den Verdacht, dass das spätestens, wenn er mehr herausbringen musste, als zwei Worte, kläglich in sich zusammen fallen würde. Er war nicht sicher, was er empfand. Freude darüber, dass Jaz offensichtlich noch lebte? Angst vor der Frage, warum er hier war? Zorn darüber, dass er ihn nicht einfach in Ruhe liess? Was herauskam war eine merkwürdige Mischung aus Verwirrung und Wut. So oder so hatte er Mühe irgendeinen Gedanken zu fassen, der nicht mit dem Wunsch zu tun hatte, sofort zu verschwinden, und dass Jaz nicht antwortete, sondern ihn lediglich anstarrte, machte es nur schlimmer. Seine Augen waren kein bisschen weniger schwarz geworden, sein Blick kein bisschen wärmer. Er war der Jäger. Falrey spannte sich fast unbewusst an.
DU LIEST GERADE
Niramun II - Mörder und Bastard
FantasyFalrey hat das Vertrauen in Jaz verloren. Mit dem Job als Aufpasser im Liliths kann er sich über Wasser halten und auch wenn er keine Freunde mehr hat in Niramun, so zumindest auch keine Feinde. Aber am Ende sind weder unruhestiftende Freier noch di...