Kapitel 63 - Ein bisschen Abenteuer

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Am nächsten Morgen schlief er aus, dennoch war er vor Jaz wach. Er holte Wasser, gammelte in der Küche herum und versuchte irgendwie die Zeit totzuschlagen und seinen knurrenden Magen zu ignorieren, bis  er endlich von oben Schritte hörte. Hastig schöpfte er sich einen Teller voller Reste, setzte sich an den Tisch und versuchte nicht soauszusehen, als hätte er das geplant.

Jaz wirkte alles andere als auf der Höhe, als er herunter kam, er hatte tiefe Augenringe und war bleich, vermutlich völlig verkatert. Ächzend liess er sich auf die Bank fallen und stützte den Kopf in die Hände. Unschuldig ass Falrey noch zwei Löffel voll, dann legte er das Besteck in den Teller und schob ihn Jaz hin. Jaz starrte ihn ausdruckslos an, ohne das Essen auch nur eines Blickes zu würdigen. Falrey starrte zurück. „Zwei Löffel", sagte er.

Jaz presste die Lippen aufeinander. „Mir ist jetzt schon schlecht."

„Ist mir egal", entgegnete Falrey.

Jaz blickte hinunter auf den Eintopf, zu Falrey, zurück zum Teller. Langsam ergriff er den Löffel. Falrey konnte sehen wie er leer schluckte und noch eine Spur blasser wurde, aber er füllte den Löffel und steckte ihn sich in den Mund. Einige Atemzüge verstrichen.

„Du musst es schon auch runterschlucken", bemerkte Falrey beinahe lachend.

„Ich weiff!", fuhr Jaz ihn an, den Mund immer noch voller Essen. Schliesslich schluckte er und er sah dabei aus, als hätte er sich lieber übergeben. Er liess den Löffel zurück in die Schüssel fallen und schob sie Falrey zu.

„Noch einen", meinte Falrey.

Jaz schüttelte den Kopf. „Ich krieg das nicht runter, ehrlich."

Falrey erbarmte sich seiner, ass den Rest des Tellers selbst und trank einen Becher Wasser. Danach stiegen sie aufs Dach. Es war fast sechs Wochen her, seit sie das letzte Mal trainiert hatten, und anfangs hatte Falrey Mühe, sich wieder auf das Tempo einzustellen, denn Jaz mochte schwächer geworden sein, aber nach wie vor war er schnell und verdammt effizient. Falrey ahnte, dass er vermutlich immer weit davon entfernt bleiben würde, ihm technisch das Wasser reichen zu können, auch wenn er es kraftmässig allmählich hinbekam.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten fand er die Bewegungsmuster wieder, die Jaz ihm eingebläut hatte, wich aus, blockte, trat, schlug, entwischte Hebeln, tanzte um Jaz herum im Versuch sich nicht in die Enge treiben zu lassen, ständig in Bewegung, um niemals ein einfaches Ziel zu bieten. Sie schenkten sich wenig und am Ende war Falrey fast so verschwitzt wie sonst nach der Arbeit. Ihm wurde bewusst, wie sehr er das vermisst hatte.

Emila war da, als sie nach unten kamen. Ihre Augen weiteten sich, als sie Falrey sah. „Meine Güte, was hast du mit deiner Nase gemacht?"

Falrey zuckte mit den Schultern. Was sollte er darauf schon erwidert? Er hatte wenig dazu beigetragen, dass sie gebrochen war, und der Verantwortliche seinerseits grinste nur schief. Emila bestand darauf, sie sich anzusehen, konnte aber im Endeffekt wenig tun ausser etwas kühlende Salbe auf die Schwellung aufzutragen und ihm dabei  Vorwürfezu machen, weil er nicht besser auf sich aufpasste. Jaz hielt sich wohlweislich im Hintergrund.

Emila schöpfte zwei Teller voll mit Eintopf, reichte einen davon Falrey und setzte sich mit dem anderen ihm gegenüber. Falrey fixierte Jaz. Der verdrehte die Augen und schien seine Worte vom Vorabend zu bereuen, aber er löste sich von der Wand, kam herüber und ass zwei Löffel voll, bevor er an seinen Platz zurückkehrte. Emila blinzelte verwirrt, bevor sie sich zu ihm umwandte. „Du kannst gerne einen eigenen Teller haben, wenn du magst, weisst du?"

Hastig schüttelte Jaz den Kopf. Emila war klug genug, nicht weiter nachzuhaken.

Jaz und Falrey brachen gleichzeitig auf, aber sie gingen getrennte Wege. Falrey klopfte an die Tür des Badehauses, aber Nemis Mutter teilte ihm nur mit, Nemi sei nicht da, also ging er weiter zum Marschall. Zum ersten Mal hatte Jeskin eine Nachricht für ihn. „Poss meinte, du sollst dich möglichst bald bei ihm melden", sagte er, als er Falrey sein dunkles Bier hinschob. „Innerhalb der nächsten Tage, aber nie nach Ore."

Niramun II - Mörder und BastardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt