Kapitel 51 - Nicht mehr zwölf

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Als er im Liliths eintraf, wartete Jelerik bereits auf ihn. Er reichte Falrey eine Hand voll Münzen, bevor er sich hinter seinem winzigen Tisch niederliess. „Ich vertraue darauf, dass du die nächsten zwei Abende trotzdem noch auftauchst."

Falrey verstand. „Also sind es die letzten?"

Jelerik nickte.

Ein Teil von Falrey wollte ihn fragen, ob er sich sicher war mit seiner Entscheidung. Ob er wirklich glaubte, dass Djora in der Lage war, diesen Job zu machen. Falrey empfand ihn gegenüber zwar nicht mehr dieselbe Geringschätzung wie bei ihrer ersten Begegnung, denn im Grunde war Djora auf vielen Ebenen ganz in Ordnung, aber niemand, dem er Verantwortung übertragen hätte. Schlicht, weil er ihr nicht gewachsen war, und weil er sie vermutlich auch überhaupt nicht wollte. Djora wirkte, als wäre er manchmal mit seiner eigenen Existenz schon überfordert. Gut, das konnte man vielleicht auch über ihn selbst sagen, aber er war immerhin dazu in der Lage – zumindest hätte er es so formuliert, auch wenn es etwas überheblich klang – diese Überforderung zurückzustellen, wenn es um seine Arbeit ging, sich eine Maske überzuziehen und alles, was sonst in seinem Leben lief, auszublenden. Djora konnte das nicht. Er war wie ein Blatt im Wind, das ständig hin und her gewirbelt wurde.

Es ist nicht deine Angelegenheit, zwang er sich zu schweigen. Schliesslich kannte Jelerik Djora besser und er blickte auf viel mehr Erfahrung zurück. Ihn auf so etwas hinzuweisen wäre etwa gleich sinnlos und dämlich gewesen, wie Jaz vor Laflabem zu warnen. „In dem Fall", meinte er deshalb nur. „Es war angenehm, hier zu arbeiten."

„Es war angenehm, jemanden hier zu haben, der alles im Griff hat und sich mit den Mädchen versteht", erwiderte Jelerik, stand auf und schüttelte ihm die Hand. „Ich wünsche dir alles Gute in Zukunft."

„Ebenfalls", meinte Falrey und erwiderte den Händedruck. Dann verliess er das Büro.

Gewohnheitsmässig zählte er auf dem Weg nach oben das Geld nach, das Jelerik ihm in die Hand gedrückt hatte, bevor er es einsteckte. Es war wesentlich mehr als nur sein Lohn für die verbleibenden Schichten.

Ezali seufzte nur, als sie ihm in Unterwäsche öffnete und sein blaues Auge sah. „Komm rein", meinte sie und hielt ihm die Türe auf.

Er schritt an ihr und dem Bett vorbei und setzte sich gewohnheitsmässig auf den Stuhl, aber anstatt ihren Pinsel zu holen, musterte sie ihn nur, die Hände in die Seiten gestützt, und meinte schliesslich: „Weisst du, langsam wird mir das zu blöd. Wenn du schon nicht in der Lage bist, dich nicht verprügeln zu lassen, dann kannst du deine Veilchen in Zukunft auch selber überdecken."

Er sah sie gross an. „Aber... ich weiss nicht, wie das geht."

Sie warf ihre hellblonden Haare über die Schulter zurück. „Aufstehen!"

Ahnungslos gehorchte er und sie schob den Stuhl hinüber vor ihre Kommode und platzierte einen Handspiegel darauf. „Hinsetzen!"

Falrey folgte der Aufforderung und sie knallte Farbtöpfchen und Pinsel vor ihn hin.

„Ich weiss nicht, wieviel das noch bringt, Ezali", meinte er kopfschüttelnd. „Jelerik hab mir eben Bescheid gegeben. Übermorgen bin ich das letzte Mal hier."

Sie sah ihn an. „Und? Du hörst ja nicht auf zu existieren, nur weil du aufhörst, hier zu arbeiten. Irgendwie wirst du weiterhin deine Brötchen verdienen und ich wüsste nicht, was du tun willst, ohne dabei wenigstens halbwegs anständig aussehen zu müssen."

Die Logik war nicht abzustreiten. Falrey musste sich eingestehen, dass er von Glück reden konnte, dass andere Leute manchmal ein bisschen weiter dachten als er. Er warf einen Blick in den Spiegel, der im Moment aber aus seiner Perspektive nur Decke zeigte.

Niramun II - Mörder und BastardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt