Kapitel 60 - Jemanden zu mögen

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Als er nach Hause kam, hatte Emila gerade das Abendessen fertig. Sie setzten sich an den Tisch und assen gemeinsam. Falrey fiel auf, dass sie fröhlicher wirkte als meist und als er nach dem Grund dafür rätselte, wurde ihm einmal mehr bewusst, wie wenig er sie eigentlich kannte, dafür, dass er seit bald einem Jahr in ihrem Haus lebte. Mittlerweile mochte er einiges über ihre Vergangenheit wissen und er ahnte, dass sie sich für die Zukunft wohl vor allem ein geruhsames Leben erhoffte, aber er hatte keine Ahnung, was sie jetzt beschäftigte, was sie tat, was sie mochte. Ihm fiel ein, dass sie am Vorabend nicht dagewesen war und erst nach Hause gekommen war als er bereits halb geschlafen hatte.

„Gab es gestern Abend noch einen Notfall?", fragte er harmlos, während er sich einen Löffel Eintopf in den Mund schob.

„Nein", antwortete sie und eine Spur von Verlegenheit schwang in ihrer Stimme mit. „Ich war mit Freunden unterwegs."

„Unterwegs?", hakte Falrey überrascht nach. „Also bei jemandem zuhause? Oder in einer Schenke?"

„Wäre das so abwegig?", fragte Emila mit einer gehobenen Augenbraue, konnte aber nicht verbergen, dass sie leicht errötete.

Falrey verkniff sich das Grinsen nur halb. „Schon, wenn man bedenkt, wie wenig du von solchen Orten hältst."

Emilas Mundwinkel zogen sich nach oben. „Wie kommst du darauf, dass ich nichts davon halte?"

„Naja, du", begann er und stockte, als ihm klar wurde, dass sie tatsächlich nie etwas gegen Schankhäuser als solches gesagt hatte. Sie stauchte Jaz zusammen, wenn er sich betrank und prügelte, aber das war nicht dasselbe. Auch wenn es natürlich irgendwie zusammenhing. „Aber dort sind doch lauter besoffene und ungehobelte Leute."

Emila seufzte. „In den Lokalen, in denen Jaz sich herumtreibt, vielleicht. Aber es gibt auch Tavernen mit gesitteten Besuchern."

„Wo wart ihr denn?", fragte Falrey neugierig.

„Im Lichthaus", antwortete Emila.

„Wo liegt das?"

„Zwischen Min und Le, etwas nördlich von hier", antwortete Emila. „Früher war es eine Laternenmacherwerkstatt, jetzt ist es eine Taverne, in der oft Musik spielt. Gestern trat eine Gruppe auf, die wir schon einmal gesehen hatten, deshalb waren wir da."

„Was für eine Gruppe?", fragte Falrey essend.

„Mehrere Leute, die Musikinstrumente spielen", sagte Emila etwas irritiert von der Frage. „Eine Frau singt die Hauptstimme. Ich verstehe vermutlich nicht viel von Musik, aber ich schätze, sie ist ziemlich gut, denn es klingt wunderbar. Wie Vogelgesang."

Falrey versuchte es sich vorzustellen. „Was für Stücke spielen sie?"

„Viel Traditionelles", antwortete Emila. „Aber auch einige neuere. Ich glaube, einen Teil haben sie selbst geschrieben. Gestern war auch eines aus dem Norden dabei, von der Küste um Novit, denke ich. Das klang schräg."

Falrey schabte seinen Teller leer und blickte auf.

Emila lächelte. „Es ist noch mehr da."

Er liess sich nicht zweimal bitten, sondern stand grinsend auf, um nachzuschöpfen. „Trinkst du eigentlich Alkohol?", fragte erneugierig, während er seinen Teller füllte. Er konnte es sich eigentlich nicht vorstellen, allerdings hatte sie nie etwas in der Richtung gesagt. Gab es in Schenken überhaupt etwas anderes zu trinken?

„Nicht dem Alkohol zuliebe", antwortete Emila. „Und ich mag die meisten Getränke nicht vom Geschmack her. Besonders Bier stinkt grässlich nach Erbrochenem. Aber Liliatewein zum Beispiel ist ziemlich lecker. Das muss man dann auch nicht in sich hineinschütten, um es runterzukriegen, bevor man es schmeckt."

Niramun II - Mörder und BastardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt