Kapitel 15 - Neue Chancen

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Langsam wandte er sich um. „Hey."

Er wich ihrem Blick aus und sie tat das selbe, stellte nur ihren Eimer auf das Gitter und griff nach dem Pumphahn, aber er spürte, dass sie nicht so gleichgültig war, wie sie sich gab. Mehrmals holte er Luft, rang nach Worten und schliesslich zwang er sich, auch den Mund zu öffnen und sie auszusprechen. „Es tut mir leid."

Sie hob den vollen Eimer vom Gitter und stellte den anderen darauf, ohne ihn anzusehen. „Was tut dir leid?"

Er suchte nach der richtigen Antwort darauf, aber schliesslich blieb ihm nichts anderes übrig als die einzige zu nennen, die ihm einfiel: „Dass ich mich nicht mehr gemeldet habe. Obwohl ich gesagt habe, ich mache es und dass wir uns wieder treffen."

Nemi hielt inne und sah ihn an, nachdenklich. „Misty hat gesagt, du warst weg. Zuerst nur mit dem Kopf. Dann ganz."

Farley blickte überrascht auf. Interessante Wortwahl, aber... es hatte etwas. Er sah seine Hände an. „Ich bin wieder da."

Nemi erwiderte nichts darauf, sondern begann wieder zu pumpen.

„Es tut mir leid", murmelte er abermals, aber ihm wurde plötzlich klar, dass das nichts änderte. „Ich... wenn du magst... ich bin ein Idiot, aber... ich würde dich gerne... nochmal treffen wieder..." Er versuchte die Stimme zu ignorieren, die ihm im Takt seines Herzschlages das Wort Idiot durch den Kopf hämmerte, und traute sich überhaupt nicht den Blick zu heben. Was tat er da?

Nemi hatte aufgehört zu pumpen, aber sie sagte auch nichts. Oder hatte er es verpasst? Oder war sie einfach weggegangen? Vorsichtig zuckte sein Blick hoch und er stellte fest, dass sie ihn immer noch ansah, den Griff des Eimers in der Hand. „Wann?"

Sein Kopf raste und trotzdem konnte er keinen klaren Gedanken fassen. „Um... um Silur, morgen. Oder übermorgen, wenn dir das besser..."

„Morgen ist gut." Sie lächelte. Ein wenig schüchterner als auch schon, ein wenig zurückhaltender, aber dennoch freundlich, zuversichtlich. Er sah in ihre Augen, versuchte es festzuhalten, ihr Lächeln, ihren Blick, bevor sie sich wieder umdrehen und gehen würde.

Aber sie ging nicht. „Also warst du wirklich weg?"

Er nickte, fügte aber erklärend hinzu: „Also... nicht weg weg. Ich war schon in der Stadt. Nur nicht hier."

„Warum? Was hast du gemacht?"

„Ich..." Er wollte nicht Lügen. Nicht ihr gegenüber. „Ich bin Jaz aus dem Weg gegangen. Wir hatten uns gestritten und... es ist besser, ihm aus dem Weg zu gehen, wenn er sauer ist." Ihm war bewusst, dass das nicht die Wahrheit war. Aber wirklich gelogen war es auch nicht.

„Aber wo hast du denn geschlafen?"

„Da, wo ich arbeite."

„Ah", meinte sie. „Was machst du eigentlich so?"

Falrey dachte einen Moment lang nach. „Ich passe auf", meinte er dann. „Schmeisse Leute raus, wenn sie sich daneben benehmen, etwas kaputt machen, schaue, dass alle gehen, wenn Feierabend ist, so etwas."

„Wie schmeisst man jemanden raus?"

Ihr irritierter Gesichtsausdruck spiegelte ihre Vorstellung wieder und er hätte beinahe gelacht. „Also normalerweise fliegen sie dabei nicht. Die meisten gehen von alleine, wenn man mit ihnen redet."

„Und wenn einer nicht geht?", fragte sie mit gehobenen Augenbrauen.

„Dann werde ich ein bisschen vehementer", antwortete er. „Und zeige ihnen, dass es keinen Sinn macht, Ärger zu suchen." Er sagte nicht, wie er das tat, trotzdem warf sie ihm einen merkwürdigen Blick zu, aber er war sich nicht sicher, ob weil sie sich fragte, was er machte, oder weil sie sich nicht vorstellen konnte, dass er überhaupt dazu im Stande war, jemandem Respekt einzuflössen. Er grinste schief. Vermutlich hätte er es sich selber nicht zugetraut.

Niramun II - Mörder und BastardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt