Falrey war viel zu geschockt, um zu schreien oder auch nur zu wimmern. Scheisse, war alles, was durch seine Gedanken ging, als er spürte, wie sich die Schneide in seiner Haut festbiss, hindurchglitt, plötzlich stockte. Er wagte kaum zu atmen. Da steckte ein Messer in seiner Kehle. Er hatte keine Ahnung, wie tief der Schnitt bereits war, wie viel noch fehlte bis zur Schlagader oder Luftröhre. Ob vielleicht eines davon schon durch war. Spürte man das, wenn man dabei war zu verbluten?
Dann liess der Druck plötzlich nach. Die Klinge glitt aus seinem Fleisch und das Messer fiel klappernd auf den Stein, die Hand in seinen Haaren liess los, das Gewicht in seinem Rücken verschwand. Nach Luft japsend drehte er sich zur Seite, weg von dem Messer, weg von den Stiefeln, die selbst rückwärts stolperten, eine Hand auf den Hals gepresst. Er konnte den Schnitt fühlen unter seinen Fingern, das Blut, das daraus hervortrat. Sein Blick fand Jaz. Er stand da wie erstarrt, die Augen geweitet, das Gesicht eine leere Maske. Atemzüge vergingen. Falrey versuchte sich aufzurappeln, aber seine Arme zitterten so sehr, dass er mehrmals einknickte. Dann bewegte sich Jaz, wich weiter zurück, bis er die Dachluke erreichte und darin verschwand.
Falrey kam endlich auf die Füsse. Er lehnte sich gegen die Wand, liess den Kopf in den Nacken sinken und zuckte zusammen, als irgendeine offene Stelle auf den Verputz traf. An seinen Händen klebte Blut, aber gemessen daran, dass sich noch keine Lache unter ihm gebildet hatte, war er wohl nicht dabei zu sterben. Er schloss die Augen und schluckte. Ihm war klar, was gerade passiert war, das bedurfte keiner Erklärung. Jaz hatte die Kontrolle verloren. Komplett. Er hatte vergessen, wo er war, was er tat. Er hatte nur noch reagiert, instinktiv, wie ein in die Ecke getriebenes Tier. Selbst ein Kaninchen griff an, wenn man ihm jeden anderen Fluchtweg nahm. Und Jaz war alles andere als ein Kaninchen.
Wieso hast du ihn nicht einfach losgelassen?, zischte es in Falreys Kopf. Wieso, verdammte Scheisse nochmal, lernte er nicht endlich, dass es besser war, auf Jaz zu hören, wenn er ihn warnte?! Wieso musste er sie beide immer wieder in solche Situationen bringen? Er fuhr sich übers Gesicht und heulte beinahe auf, weil es so wehtat. So viel zum Thema gebrochene Nase.
Mit zusammengebissenen Zähnen öffnete er die Augen und blickte auf das Dach vor ihm. Der Dolch lag noch immer da, eingetrocknete Blutstropfen wie Perlen entlang der Schneide. Falrey hob ihn auf und machte sich daran, ins Haus hinunter zu klettern.
Er spürte, dass Jaz im Schlafzimmer war, noch bevor er die zweite Luke geschlossen hatte, doch als er vorsichtig in den Türrahmen trat, wusste er plötzlich nicht mehr, was er sagen wollte. Jaz sass auf seiner Truhe, die Knie an die Brust gezogen, die Fäuste geballt, so angespannt, dass er zitterte. „Geh... weg", sagte er heiser und ohne Falrey anzusehen.
Einen Moment lang zögerte Falrey, aber er hatte für heute genügend Fehler gemacht, also liess er ihn alleine und stieg hinunter in die Küche. Er versuchte sich im Wassereimer zu waschen und stellte dabei fest, dass sein Kragen voller eingetrocknetem Blut war, wobei das meiste davon aus seiner Nase zu stammen schien, nicht von der Wunde am Hals. Ohne nachzudenken zog er sich die Tunika über den Kopf und begann sie auszuspülen, bis er realisierte, dass er eigentlich nur dakniete und die Wand anstarrte. Stand auf, ging auf und ab. Rammte Jaz Dolch in die Tischplatte, liess sich auf die Bank fallen und den Kopf auf die Holzbretter sinken. Seine rechte Hand umklammerte den Griff des Messers. Das Leder war so abgenutzt von all den Jahren in Jaz Händen, dass er stellenweise das Metall darunter spüren konnte. Er wusste nicht, was er tun sollte.
Ein guter Teil von ihm wollte sich bei Jaz entschuldigen. Er hätte seine Worte nicht einfach ignorieren sollen, sondern ihn loslassen, schon aufs erste Mal. Aber verdammt, er hatte doch nicht wissen können... woher hätte er ahnen sollen, dass Jaz gleich so in Panik ausbrach? Er hatte ihm doch nicht einmal wehgetan. Sein Kopf schmerzte. Sein Hals brannte. Er fühlte sich wie zerschlagen. Er konnte jetzt nicht da hochgehen und sich entschuldigen, als hätte nur er einen Fehler gemacht. Jaz hatte ihm fast die Kehle durchgeschnitten und das war doch verdammt nochmal nicht nur seine Schuld! Wütend schlug er mit der freien Faust auf den Tisch. Ein Schluchzen brach aus seiner Brust. Er vergrub den Kopf in den Armen und weinte.
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Niramun II - Mörder und Bastard
FantasyFalrey hat das Vertrauen in Jaz verloren. Mit dem Job als Aufpasser im Liliths kann er sich über Wasser halten und auch wenn er keine Freunde mehr hat in Niramun, so zumindest auch keine Feinde. Aber am Ende sind weder unruhestiftende Freier noch di...