Kapitel 31 - Geh nie nach Süden

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Sie steuerten auf ein Haus zu, vor dem Bänke und Tische aufgestellt waren, und traten durch die offene Türe ein. Offenbar hatte eine Menge der Erntearbeiter die gleiche Idee gehabt wie Jaz, denn der Raum dahinter war vollgestopft und es dauerte ewig, bis sie zur Theke durchgedrungen waren, um ihre Krüge zu bestellen.

„Was arbeiten eigentlich die anderen?", fragte Falrey, während sie warteten. „Also Err ist Zuhälter, Mishu Wagenbauer, Sovi Schumacher, aber der Rest?"

„Seb ist im selben Betrieb wie Mishu", antwortete Jaz und bezahlte das Bier, bevor er die Krüge schnappte und sich auf den Rückweg zur Tür machte. „Um die beiden entstand die Clique überhaupt erst. Didis Vater hat eine Bäckerei. Er selber verkauft vor allem. Awas arbeitet in einer Weberei."

Er hielt Falrey mit dem Fuss die Türe auf und reichte ihm dann den einen Krug. „Und Paladrim?"

„Putzt in einem der grossen Badehäuser im Min", antwortete Jaz.

Sie stiessen an und tranken einen Schluck. Es war fast dunkel geworden draussen, aber auf den Tischen verströmten Öllampen ein warmes Licht, und obwohl es allmählich kühl wurde, sassen eine Menge Leute bei ihrem Feierabendbier. Nicht nur Männer, sondern auch Frauen lachten, redeten, spielten Karten.

„Alles so gutbürgerliche Berufe", bemerkte Falrey, während er sich an die Hauswand lehnte. „Abgesehen von Err natürlich."

Jaz grinste leicht. „Err fällt aus der Rolle."

„Du auch", erwiderte Falrey.

Jaz nickte. „Mehr als er."

Falrey konnte ihm nicht widersprechen. Zuhälter auf dem Strassenstrich mochte ein schmutziges Geschäft sein. Aber was Jaz tat, war noch einmal etwas anderes. Viel direkter und gefühlloser. Man merkte es ihm auch an, selbst wenn er unter Leuten war. Die Art, wie er sprach, sich bewegte, seine fehlende Mimik. Falrey hatte sich mittlerweile so daran gewöhnt, dass es ihm kaum noch auffiel, aber er wusste noch, wie einschüchtern es anfangs gewirkt hatte.

Jaz trank einen weiteren Schluck, dann sah er sich kurz um, bevor er Falrey bedeutete mitzukommen. Sie verschwanden aus dem Schein der Lampen und umrundeten das Gebäude, bis sie bei einer Zeile in den Fels eingelassener Metallsprossen innehielten. Jaz begann ohne zu zögern hinaufzuklettern und Falrey stand einige Momente ratlos da, weil ihm wegen dem Bierkrug eine Hand fehlte. Schliesslich versuchte er es auf dieselbe Art wie Jaz, indem er mit den Füssen kletterte und sich mit einer Hand festhielt, wobei er sich jeweils ruckartig zur Wand hinzog, um eine Sprosse höher zu greifen, und es funktionierte halbwegs, obwohl ihm dabei das Bier über die Finger schwappte und er nur langsam voran kam.

Erst weit über den Dächern endete die Leiter an einer kleinen, hölzernen Plattform. Falrey stellte vorsichtig den Krug auf die Bretter und zog sich hoch, bevor er sich neben Jaz setzte und die Beine baumeln liess. Die Felder lagen viel dunkler da als der Nordteil der Stadt, nur bei den Häuseransammlungen und entlang der breitesten Strassen brannten einzelne Fackeln. Die überbaute Fläche am Pfeiler glühte geradezu im Vergleich dazu, und die Gebäude auf den Dämmen entlang des Flusses zogen sich wie ein leuchtender Wurm quer durch die Senke.

Falrey trank einen Schluck Bier. „Wieso bist du bei der Clique eigentlich dabei?", fragte er. „Also, ich meine, wieso triffst du dich immer wieder mit ihnen? Weil sonst bist du ja nicht so, naja..." Gesellig, lag ihm auf der Zunge, aber er wollte es jetzt nicht so formulieren.

Jaz fand natürlich drastischere Worte. „Weil ich sonst einen Scheiss geb auf Leute?"

Falrey nickte.

Niramun II - Mörder und BastardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt