Kapitel 65 - Ernst zu nehmen

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In den nächsten Nächten blieb Jaz zuhause, vermutlich sah selbst er ein, dass es keinen Sinn hatte, sich einen Auftrag zu suchen oder den Absichten eines Puppenspielers auf den Grund gehen zu wollen, solange er kaum auf beiden Beinen stehen konnte. Falrey ging arbeiten, aber er stellte fest, dass die Tagesschichten in den Hochöfen alles andere als gut zusammenpassten mit seinen sonstigen Aktivitäten. Jedes Mal, wenn er mit Poss oder Jaz unterwegs war, verlor er zwei Arbeitstage, weil er davor nicht arbeiten konnte, wenn er die Nacht durchhalten wollte, und danach nicht, weil er es schon gar nicht rechtzeitig aus dem Bett schaffte. Dafür musste er früher oder später eine Lösung finden, aber vorerst spielte es keine Rolle, denn sobald Jaz wieder auf Arbeitssuche ging, begleitete er ihn. Das Hinken war zwar nicht mehr so sichtbar, aber er war immer noch geschwächt und es war besser, wenn er erst gar nicht in einen Kampf verwickelt wurde, sonst ging am Ende noch die Naht auf. Jaz liess sich nicht anmerken, ob er etwas dagegen hatte, aber er sagte Falrey direkt, dass er ihn vielleicht nicht jedes Mal würde vorwarnen können, bevor er jemanden tötete. Falrey akzeptierte es und beschwerte sich nicht, denn ihm war klar, dass das der Preis war.

Der erste Auftrag, den Jaz erhielt, stammte von Pliss. Tomi betrat den Roten Fuchs, sah sich suchend um, entdeckte Jaz und steuerte sofort auf ihn zu. Sie folgten ihm zum Taubenhaus, durchquerten den Empfangsraum und steuerten auf die Treppe zu. Wie jedes Mal versuchte irgendeines der Mädchen, Jaz für sich zu gewinnen, aber er ignorierte sie, ohne sie auch nur anzusehen und schob sie zur Seite. Falrey war prinzipiell froh, dass sie nicht versuchten, sich auch an ihn zu hängen, denn er hätte nicht gewusst, wie er damit umgehen sollte, obwohl er zugeben musste, dass er sich etwas missachtet fühlte. Er war schliesslich genauso männlich wie Jaz und so viel jünger sah er jetzt auch nicht mehr aus.

Pliss erwartete sie bereits und ihr Blick flackerte kurz zu Falrey, wobei ihr nicht anzumerken war, ob sie ihn wiedererkannte, bevor sie sich an Jaz wandte. „Ich habe zwei Aufträge für dich. Der erste betrifft einen Mann und sollte innerhalb der kommenden drei Tage ausgeführt werden. Beim zweiten geht es um ein Paket, das sicher von einem Ort an den anderen gelangen sollte."

„Wann?", fragte Jaz.

„Erst in sieben Tagen", antwortete Pliss. „Ich will nur sicher stellen, dass du verfügbar bist."

„Jemand wird versuchen, mir das Paket abzunehmen?"

„Natürlich." Pliss lächelte amüsiert. „Sonst würde ich nicht jemanden wie dich dafür einstellen."

„Ich werde alleine arbeiten?"

Pliss nickte. „Der Auftrag sollte so unauffällig wie möglich erledigt werden."

Jaz nickte knapp und schwieg einen Moment lang. Dann fragte er: „Wie viel?"

„Zwei Kohlen für den Mord. Drei für das Paket."

Jaz fixierte sie mit seinem Blick. „Ich will vier."

Ihre Augenbrauen hoben sich, aber bevor sie dazu kam, etwas zu sagen, setzte er hinzu: „Ich bin nicht gerne derjenige, der angegriffen wird."

Pliss musterte ihn. Da war nichts mehr von dem Lächeln und der Aura aus Charme, die sie sonst umgab, sondern nur noch berechnende Kälte. „Drei drei", sagte sie.

„Vier", antwortete Jaz nur.

Pliss Augen wurden schmal. „Ich kann den Auftrag auch jemand anderem geben."

Jaz starrte unbeeindruckt zurück. „Wenn du jemanden findest, der gut genug ist, und es für weniger macht, nur zu."

Falrey verstand, was er damit sagen wollte. Wäre der Auftrag nicht wichtig und gefährlich gewesen, hätte Pliss irgendeinen Boten losschicken können. Sie brauchte Jaz oder sie brauchte jemanden mit seinen Fähigkeiten. Falrey erinnerte sich daran, wie Jaz erzählt hatte, dass er sich seit Jahren unter Wert verkaufte. Pliss war das vermutlich bewusst gewesen und sie hatte es genauso schamlos ausgenutzt wie Laflabem oder andere. Dass er nun plötzlich mehr verlangte, passte ihr nicht. Falrey war nicht unglücklich darüber, denn ein guter Teil von ihm hoffte, dass sie nein sagte. Der Auftrag klang selbstmörderisch in seinen Ohren. Jaz würde nicht wissen, wer ihn angriff und wie viele es sein würden. So ein Risiko konnte man gar nicht einkalkulieren. Und er war noch immer verletzt, hatte Mühe mit schnellen Gewichtsverlagerungen und konnte kaum rennen. Den Auftrag überhaupt anzunehmen war bescheuert, egal, was er dafür bekam.

Niramun II - Mörder und BastardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt