Kapitel 23 - Bilder

96 18 3
                                    

Er tauchte nicht wieder auf bis Falrey am folgenden Tag zu seiner Verabredung mit Nemi aufbrach. Wie immer trafen sie sich am Brunnen und schlenderten in eine beliebige Richtung los. Nach den üblichen Fragen, wie es wem ging und wer was so gemacht hatte, meinte Falrey: „Ich wollte dich etwas fragen."

Nemi sah ihn abwartend an.

„Ich kenne ja noch nicht alle Teile von Niramun", erklärte er. „Und vor allem die Felder würde ich sehr gerne mal sehen. Und ich dachte... ich wollte fragen, ob du vielleicht mit mir dahin gehen würdest? Mal wenn ich frei hab. Wenn du Zeit hast. Und natürlich wären wir wieder zurück, bevor es Nacht wird."

Sie dachte darüber nach. „Ich war selber noch nicht viele Male drüben."

„Ein Grund mehr, hinzugehen, nicht?"

Sie lächelte. „Eigentlich ja. Aber ist es nicht ziemlich weit?"

„Schon", antwortete Falrey. „Aber wenn wir am Mittag gehen, sollte es trotzdem reichen."

Abwägend schnitt sie einige Grimassen. „Ich weiss nicht", meinte sie schliesslich. „Muss mir das zuerst überlegen. Normalerweise gehe ich nie so weit von hier weg. Aber eigentlich würde ich schon gerne. Ich muss aber erst meinen Vater fragen, ob das in Ordnung ist."

Falrey nickte, und ein Teil von ihm wusste, dass er die Idee begraben konnte. Hätte er seine Tochter mit irgendeinem Typen, den er nicht kannte und über dem man kaum etwas wusste, einen halben Tag fortgehen lassen? Nein, hätte er nicht. Aber Hoffnung war manchmal auch etwas Schönes. Wenn ihre Enttäuschung kein komplettes Desaster war.

„Ehm, ich habe noch etwas für dich", fiel ihm ein. Er blieb stehen und kramte in seiner Westentasche. „Also... das soll jetzt nicht als Bestechungsversuch wirken, wegen der Frage von vorhin, oder irgendetwas in der Richtung, es hat nichts damit zu tun, ich dachte nur... weil du erzählt hast... für dich", stotterte er zusammen und streckte ihr die Farbtütchen hin.

Sie wirkte einen Moment lang irritiert, ergriff dann aber eines der Päckchen und was sich auf ihrem Gesicht abspielte, als sie realisierte, was es war, wäre ein Vielfaches von dem Wert gewesen, was er dafür bezahlt hatte. Auch wenn er bezweifelte, dass Jaz so etwas jemals verstehen würde. Neugierde, Überraschung, Begeisterung. Und dann eine ganz andere Art von Freude, als sie begriff, dass er ihr zugehört und es sich gemerkt hatte, den halben Satz. Der Schein der Kerze, der in ihren Augen schimmerte, wurde zur Sonne an einem warmen Herbsttag, ihr gesamtes Wesen schien zu strahlen vor Glück.

„Danke!", quietschte sie und fiel ihm um den Hals.

Damit hatte er nicht gerechnet. Wirklich nicht. Auch wenn Jaz ihm garantiert alles andere unterstellt hätte. Genau genommen war er völlig überfordert, was aber glücklicherweise nicht auffiel, weil sie ihn doch relativ schnell wieder losliess. Wobei er sich nicht ganz sicher war, ob er sich darüber jetzt freuen sollte oder nicht. Er beschloss zu lächeln. „Bitte. Der Ladenbesitzer meinte, man kann sie mit Öl anmischen, aber du weisst da vermutlich besser Bescheid als ich."

Sie nickte. „Was ist dabei? Blau, schwarz, weiss..."

„Rot und Hellbraun", schloss Falrey. „Ich hoffe, damit kannst du etwas anfangen."

Nemi nickte erneut. „Kann ich. Damit lässt sich recht viel mischen. Für die Stadt und so braucht man gar nicht gross andere Farben."

Falrey lächelte. „Ich... würde echt gerne mal eines von deinen Bildern sehen."

Sie schien verlegen. „Ähm... ich kann dir gern was zeigen. Aber ich bin jetzt auch nicht so gut im Malen, wie die Leute, die das wirklich können."

Niramun II - Mörder und BastardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt