Kapitel 16 - Von Menschen und Wölfen

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„Was machst du eigentlich so, wenn du nicht arbeitest?"

Falrey blickte von seinen baumelnden Füssen auf zu Nemi. „Die meiste Zeit trainiere ich mit Jaz."

Sie hatten sich zum dritten Mal in Folge um Silur getroffen und waren umhergeschlendert, bis sie sich auf das Mäuerchen gesetzt hatten. Zu seiner Erleichterung hatten sie mittlerweile etwas gefunden, worüber sie sich unterhalten konnten, eigentlich sogar recht gut. Nemi hatte ihm von ihren Geschwistern erzählt, er ihr vom Wald und Anekdoten von der Reise. Sie schien fasziniert davon und absolut neugierig auf die Welt ausserhalb des Kraters, obwohl er manchmal das Gefühl hatte, dass sie sich gar nicht wirklich vorstellen konnte, dass da draussen noch irgendetwas war, und sich insgeheim fragte, ob er sie nicht einfach verarschte.

Jetzt sah sie ihn nachdenklich an. „Warum genau?"

„Wenn ich Leute rausschmeissen muss auf der Arbeit, muss ich wissen, wie es geht", antwortete er.

„Also trainierst du, um besser zu werden?"

„Ja", sagte er. „Und Jaz kann mir eine Menge Tricks beibringen."

„Und woher kennt er sie?", fragte Nemi.

„Keine Ahnung", sagte Falrey schulterzuckend. „Erfahrung nehme ich an." Er machte eine kurze Pause. „Sonst laufe ich umher und sehe mir die Stadt an. Ich kenne ja noch nicht alles. Und du? Was machst du so?"

„Nicht viel", antwortete sie schulterzuckend. „Ich quatsch mit Leuten. Manchmal besuch ich meine Schwester und pass auf ihr Kind auf. Jayla kommt manchmal mit, das ist immer lustig."

Jayla war Nemis Freundin, so viel hatte er sich gemerkt.

„Ich male auch gerne", fügte sie hinzu. „Aber meine Mama will mir nie neue Farben kaufen, weil sie meint, es ist unnötig ausgegebenes Geld."

Sie schlug die Augen nieder und er hätte am liebsten die Hand ausgestreckt, um ihren Blick wieder zu heben, alle Beschämung und Unsicherheit von ihr zu nehmen. Nichts an dir ist unnötig, dachte er. Nichts von dem, was du tust. „Was malst du?", fragte er stattdessen.

„Verschiedenes", antwortete sie. „Die Stadt. Die Leute. Manchmal auch Leute, die nicht existieren."

„Was für Leute?"

„Keine Ahnung", meinte sie rotwerdend. „Was mir gerade so einfällt. Ich hab Mal versucht Misty als Oberst zu malen, zum Beispiel."

„Das klingt toll! Musst du mir irgendwann einmal zeigen", meinte Falrey ehrlich interessiert. „Ich hab früher auch manchmal gezeichnet. Aber nur mit Tinte auf Schilfpapier. Und fast nur Bäume."

„Du mochtest Bäume mehr als Menschen, oder?"

Schalk blitzte in ihren Augen auf und nun war er es, der knallrot anlief. War das so klar geworden aus dem Wenigen, das er erzählt hatte?

Sie lachte über seine Reaktion und er konnte nicht anders, als ebenfalls Grinsen. Er hatte ein paar Antworten auf der Zunge, schluckte sie aber alle hinunter, weil sie entweder klangen wie gescheiterte Rechtfertigungen oder völlig schnulzige Standardsprüche. Jemand mit Hirn gab nichts von sich wie „Das war ja, bevor ich dich kannte" und er musste sich nicht als dümmer verkaufen, als er war.

„Bäume sind toll", meinte er nur. Naja, so viel intelligenter war das jetzt auch nicht.

Nemi legte den Kopf schräg und ihr Zopf fiel nach vorne. „Was ist an Bäumen genau besonders, ausser, dass sie grösser sind als andere Pflanzen?"

Niramun II - Mörder und BastardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt