Als er nach Hause kam, war er so kribbelig und aufgeregt, dass er hätte im Kreis springen können. Jaz sass am Tisch und sah ihn fragend an. „Und?"
„Ich habe eine Verabredung. Morgen Abend", antwortete Falrey.
Jaz hob beide Augenbrauen und Falrey erzählte ihm, was er mit Nemi ausgemacht hatte. Jaz erhob sich grinsend. „Darauf müssen wir anstossen."
Im ersten Moment wollte Falrey zustimmen, aber dann realisierte er, wie bleich Jaz war, und kehrte zurück auf den Boden der Tatsachen. „Jaz?"
„Hm?"
„Hör auf, so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Ich kann dir ansehen, dass du fast aus den Stiefeln kippst."
Jaz liess sich zurück an den Tisch sinken und fuhr sich übers Gesicht. Seine Hände zitterten.
Falrey kniete sich ihm gegenüber auf die Bank und musterte ihn besorgt. „Du hast eine Menge Blut verloren. Du solltest etwas essen."
Jaz Gesicht wurde noch eine Spur fahler.
„Bitte", fügte Falrey hinzu. „Versuch es wenigstens."
Jaz sagte nichts, aber er protestierte auch nicht, als Falrey Bohnen hervorsuchte, ihm einige Löffel in einen Teller schöpfte und vor ihn hinstellte. Als Falrey einen Becher Wasser dazu füllen wollte, stellte er fest, dass die Eimer noch immer leer waren. Er nahm sie und trat zur Türe. „Ich gehe Wasser holen. Bin gleich wieder da."
Jaz nickte nur.
Als Falrey zurückkehrte, war die Küche leer. Einen Moment lang befürchtete er, Jaz habe sich einfach aus dem Staub gemacht, während er weg war, doch dann hörte er ein Würgen. Er fand ihn neben der Toilette am Boden kauernd, zitternd und leichenblass. Als er Falrey bemerkte, verzog sich sein Mund zu einem bitteren Lächeln. „Ich habs versucht. Kann ichs jetzt lassen?"
Falrey nickte nur, ging neben ihm auf die Knie und half ihm hoch. Jaz versuchte nicht einmal mehr, seine Fassade aufrecht zu erhalten. Er war komplett am Ende. Mit Falreys Hilfe wankte er zurück in die Küche, wo er sich auf den Boden setzte und gegen die Wand lehnte, die Augen geschlossen. Falrey reichte ihm einen Becher Wasser und er nahm ihn an, trank sogar davon. Es wäre besser gewesen, er hätte auch etwas Festes bei sich behalten können, aber Falrey wollte ihm helfen, nicht ihn quälen. Deshalb ass er die Bohnen selber und einen halben Laib Brot hinterher, als ihm bewusst wurde, was für einen Hunger er hatte – immerhin war seine letzte Mahlzeit ziemlich lange her.
Wenig später kam Emila nach Hause und die Erleichterung, die sich auf ihrem Gesicht abzeichnete, als sie Jaz sah, war so gross, dass Falrey sich fragte, wie sie es geschafft hatte, in den letzten Tagen vor Sorge nicht verrückt zu werden. Sie bemerkte die halbpatzig aufgewischten Blutflecken am Boden, sagte aber nichts dazu, sondern musterte nur Falrey etwas eingehender als üblich, als befürchtete wie, einen frischen Schnitt an seinem Hals zu entdecken.
Falrey ging nicht arbeiten an diesem Abend, stattdessen begleitete er Jaz, der entgegen jeder Vernunft darauf bestand, ein Bier zu trinken. Als sie in einer Schenke nicht allzu weit von der Steingasse entfernt an einem Tisch sassen, je einen Krug vor sich, bemerkte Falrey: „Das ist verdammt schräg, weisst du? Essen geht nicht, aber das da kannst du bei dir behalten?"
Jaz grinste nur schief.
Vom ersten Atemzug am nächsten Morgen an war Falrey so nervös, dass ihm fast schlecht war. Er freute sich darauf, sich mit Nemi wegzuschleichen, allein weil er wusste, welche Freude er ihr damit bereitete, aber gleichzeitig hatte er panische Angst. Nicht, weil sie erwischt werden konnten, sondern weil er wusste, dass er keinen Aufschub mehr hatte. Er musste das durchziehen und ihr den Antrag machen, alles andere war keine Option, wenn er irgendwelchen Respekt vor sich selbst behalten wollte.
![](https://img.wattpad.com/cover/90075527-288-k403989.jpg)
DU LIEST GERADE
Niramun II - Mörder und Bastard
FantasyFalrey hat das Vertrauen in Jaz verloren. Mit dem Job als Aufpasser im Liliths kann er sich über Wasser halten und auch wenn er keine Freunde mehr hat in Niramun, so zumindest auch keine Feinde. Aber am Ende sind weder unruhestiftende Freier noch di...