Kapitel 86 - Warten und Beobachten

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Wieder einmal eine lange Pause. Diesmal gibt es keine Zusammenfassung, weil vor gerade mal zwei Kapiteln die letzte war. Und ich glaub ich verspreche besser gar nichts mehr in Bezug auf häufigere Updates, wenn ich es eh nie schaffe, die Versprechen einzuhalten.


Er stellte schnell fest, dass sich bereits Nemi zu treffen schwieriger gestaltete, als er erwartet hatte. Einfach an die Tür des Badehauses zu klopfen und nach ihr zu fragen war nicht mehr möglich, also blieb ihm nichts anderes übrig, als mit den Eimern am Brunnen herumzulungern, in der Hoffnung, dass sie auftauchte, bevor sein Verhalten den Nachbarn zu suspekt wurde.

Als die Türe jedoch irgendwann aufging, war es nicht Nemi, die herauskam, um Wasser zu holen, sondern ihre Mutter. Falrey war sich nicht sicher, was er von ihr zu erwarten hatte. Sie war bisher immer freundlich zu ihm gewesen. Allerdings hatte auch Eirun diesen Eindruck gemacht.

Sicherheitshalber tat Falrey, als wäre er eben fertig mit Wasser Pumpen, schnappte seine Eimer und machte sich aus dem Staub. Feigling, schalt er sich, als er wieder vor der Haustüre stand. Er trat ein und begrüsste Emila, die in der Küche aufräumte.

„Jaz schläft noch", meinte sie, ohne dass er danach gefragt hätte.

Er nickte nur – es war bereits hell gewesen, als er ihn heimkommen gehört hatte – dann fiel sein Blick auf Emilas Korb, der gepackt auf den Tisch stand. „Warst du auf Patientenbesuch oder gehst du noch?", fragte er.

„Ich gehe noch", antwortete sie, während sie einen Becher abtrocknete und ins Regal stellte. „Und danach muss ich einkaufen. Wieso?"

„Kann ich mitkommen?" Es war ein spontaner Gedanke und vielleicht auch keine Gute Idee, aber er hatte ernst gemeint, was er zu Jaz gesagt hatte: er war die Lügen satt. Er wollte wissen, woran er war. Wissen, wer gelogen hatte.

Emila sah ihn überrascht an, zuckte dann aber mit den Schultern. „Klar."

Er half ihr, das Geschirr fertig einzuräumen, bevor sie aufbrachen. Wie immer hielt er sich im Hintergrund. Es war lange her, seit er Emila das letzte Mal begleitet hatte, und er war mehr denn je beeindruckt von ihrer Art, mit den Patienten umzugehen, diese Mischung aus Freundlichkeit und Distanz, die die Leute dazu brachte, ihr zu vertrauen. Man glaubte ihr ohne zu zögern, dass sie wusste, was sie tat, und dass nichts von dem, was sie dabei erfuhr, an fremde Ohren gelangen würde.

Falrey fragte sich, wie Emila diese Fähigkeit erlernt hatte. Von Mira? Nein, denn Mira war anders. Sie strahlte mindestens so viel Kompetenz aus – Falrey erinnerte sich, wie schnell und zielgerichtet sie reagiert hatte, als er mitten in der Nacht bei ihr aufgetaucht war und ihr von Jaz Vergiftung berichtet hatte – aber nicht auf Emilas ruhige und zurückhaltende Art. Mira gab keine Empfehlungen, sie erteilte Befehle und erwartete, dass sie befolgt wurden. Falrey konnte sich vorstellen, dass sie damit nicht selten bei Leuten aneckte. Emila hingegen würde das niemals passieren. Hatte ihre Vergangenheit sie gelehrt, so still und nachgiebig zu sein, oder lag es einfach in ihrem Charakter?

So oder so, die Leute mochten sie, waren froh, dass sie da war, begrüssten sie und erkundigten sich danach, wie es ihr ging, wenn nicht aus ehrlichem Interesse, dann zumindest aus echter Freundlichkeit. Die wenigsten mochten sie wirklich gut kennen, aber sie respektierten sie alle, als Teil ihrer Welt, als gleichberechtigt.

Was ihn betraf – er war den meisten schlicht egal. Er las in ihren Blicken, wenn sie die Türen öffneten und ihn neben Emila bemerkten, wenn er ihr das Verbandsmaterial reichte oder eine Frage stellte zu dem, was sie tat. Sie wussten, wer er war, dass er zu Emila gehörte, im Quartier lebte und nicht gross auffiel, und das reichte ihnen, um sich nicht weiter mit ihm zu beschäftigen. Vielleicht war das ein bisschen enttäuschend, aber zumindest sah Falrey auch nichts von dem, was er befürchtet hatte, keine Ablehnung, keine Verachtung, kein Misstrauen.

Niramun II - Mörder und BastardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt