Kapitel 49

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Nein. Das konnte nicht sein.

Als würden meine Füße in Treibsand stecken stand ich da, in bedacht mich nicht zu bewegen, da ich sonst sinken würde und las immer wieder ihren Namen auf dem Briefumschlag.
Ich hatte es völlig vergessen.
Nach all den vielen Dingen die in den letzten Wochen geschehen waren hatte ich völlig vergessen, dass ich meiner Mutter einen Brief geschrieben hatte.
Und sie hatte mir tatsächlich geantwortet.

Mein ganzer Körper begann zu zittern und eine Träne floss mir über die Wange.
Sie hatte mir tatsächlich geantwortet.
Ich konnte es kaum fassen.

Ohne ein Wort zu sagen reichte Melody mir den Brief und wartete darauf, dass ich ihn an mich nahm, doch ich bewegte mich nicht.
Nein, ich stand immer noch wie angewurzelt da und starrte auf die Schriftzüge, die auf dem weißen Papier geschrieben waren. 

Ihre Handschrift...
Schon als Kind wollte ich genau so schön schreiben können wie sie.
Ich bewunderte sie dafür wie ordentlich sie immer schrieb, ohne Fehler, ohne Schmierereien.
Ganz im Gegensatz zu mir, denn meine Blätter hatten keinerlei Struktur, keinerlei Übersicht, alles war wild runtergeschrieben.
Immer war ich in der High School zu faul gewesen einen Tintenkiller zu benutzen, stattdessen streichte ich jedes Wort einfach durch, sodass meine Notizen immer so aussahen, als hätte ein Schlachtfeld in ihnen gewütet.

Und nun sah ich ihre Schrift, die ich schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte.
Augenblicklich durchströmte mich die Angst.
Ich hatte Angst davor zu lesen, was in ihrem Brief stand.
Ich hatte Angst sie würde all ihren Hass gegenüber mir in diesen wunderschön geschrieben Zeilen auslassen.

Meine Unterlippe bebte, während ich das Gefühl hatte den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Gott ich hatte unglaubliche Angst.

Plötzlich spürte ich, wie etwas warmes, wohltuedes meine Hand berührte.
Sofort schweifte mein Blick hinunter und ich erblickte Melodys Finger, die meine sanft umfassten, bevor sie mir den Brief in die Hand drückte.
Reflexartig schloss ich sie und fühlte zum ersten mal das Papier in meinen Händen.
Auch wenn es nur ein bloßes Stück Papier war, ich hatte das Gefühl seit einer Ewigkeit wieder etwas von meiner Mutter in den Händen zu halten.
Als wäre es eine heilige Schrift, die bloß keinen einzigen Schaden davon tragen durfte.

Langsam ließ Melody meine Hand los und ich hielt den Brief weiter fest in meiner Hand, als würde ich Angst haben, ihn fallen zu lassen, sodass er wie Glas zerbrechen würde und ich nie herausfinden könnte, was meine Mutter geschrieben hatte.

,,Ich lasse dich mal alleine", schniefte Melody leise, doch ich war kaum dazu in der Lage etwas zu sagen, also nickte ich einfach.
Ohne noch etwas zu erwiedern, erhob Melody sich und ging in ihr Zimmer.

Es dauerte eine Weile bis ich es schaffte meine Muskeln wieder in Gang zu bringen und mich vorsichtig hinzusetzten.

Meine Hände zitterten mittlerweile so sehr, dass ich den Brief hinlegen musste und beruhigend versuchte ich tief ein und auszuatmen während ich meine Hände versuchte aufzulockern, indem ich sie schüttelte.

Ganz ruhig Brooke. Du schaffte das. Was auch immer deine Mutter geschrieben hat du wirst es verkraften.

Nachdem das zittern in meinen Händen nachgelassen hatte holte ich nochmal tief Luft.

Du schaffst das.

Zögerlich umfassten meine Finger das Papier, bevor ich es vom Tisch hob und meine Augen blendeten alles um mich herum aus, während ich meine volle Aufmerksamkeit den Zeilen widmete die meine Mutter geschrieben hatte:

Unpredictable Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt