Kapitel 3

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Leo fährt direkt auf die Schnellstraße auf und steuert auf das Zentrum zu.
»Wohin bringst du mich, Leo?«, frage ich, etwas unsicher wohin es nun genau gehen soll. »Zu Professor Heine. Er wird dich untersuchen und sich um dich kümmern.«

»Ähm... Leo. Das...das geht nicht.«

»Warum sollte das denn nicht gehen?«, fragt Leo leicht verwundert.

»Ich bin nicht privat versichert und kann mir keinen Professor leisten. Ich bin Studentin, verstehst du? Da ist keine Chefarzt Behandlung inkludiert«. Leo lacht laut los.

»Mach dir keinen Kopf, Kleines! Der Herr Professor ist mein Vater.«

Ich schlucke. Sein Vater, ein Professor? Himmel... Das war eine absolute Schnapsidee hier einzusteigen. Aber was tut man nicht alles um einem Krankenhausaufenthalt zu entgehen? Und hat er eben „Kleines" zu mir gesagt? Allein schon optisch war er mindestens sieben Jahre älter, was seinen Ausdruck natürlich erklären könnte. Immerhin war ich jünger – junge vierundzwanzig Jahre. Und ohne es verhindern zu können, wurde mir schon wieder ganz heiß. Ich atme tief durch versuche mich den Rest der Fahrt zu entspannen. Leo biegt ab und fährt eine Tiefgarage hinunter, sodass ich vermute, dass wir unser Ziel gleich erreichen werden.

»Guten Tag Herr Heine, fahren Sie durch. Stellplatz zehn ist für Sie frei«, entgegnet der Pförtner. Wahnsinn, es gab hier sogar einen Pförtner, der Leo sogar beim Namen kennt. Noch völlig überrumpelt stelle ich fest, dass Leo den Wagen auf Parkplatz Nummer 10 abstellt.

»Dort drüben ist direkt ein Fahrstuhl mit dem man in die Praxis gelangt. Ich komme rum und helfe dir.«

Kaum gesagt so getan. Leo sprintet um seinen Wagen und öffnet mir die Tür. Er reicht mir seine Hand und geleitet mich zum Fahrstuhl. Verblüfft stelle ich fest, dass sogar der Fahrstuhl unheimlich teuer aussieht. Er ist komplett aus Glas und man kann durch die Bodenplatte in den Schacht gucken. Der kostet sicherlich schon ein Vermögen. Leo drückt die Taste für den 12ten Stock und wir setzen uns direkt in Bewegung.

Auf dem Schild das neben der Taste prangt, lese ich Prof. Dr. Friedrich Heine, Facharzt für Chirurgie und Orthopädie. Ich bin nervös, denn ich weiß nicht was mir bevor steht. Als wir den 12ten Stock erreichen, öffnet sich die Tür und wir stehen in einer weißen sehr modernen Praxis. Die junge, blonde Dame am Empfang, welcher direkt gegenüber vom Fahrstuhl platziert ist, entdeckt uns direkt: »Hallo Leo, wie kann ich Dir helfen?«, funkelt sie ihn grinsend an. Auch auf Leos' Gesicht ist ein Lächeln zu sehen und ich frage mich, ob die junge Dame Leo wohl auch noch anderweitig kennen lernen durfte.

»Dad, soll sich bitte...« Ich merke wie Leo ins Stocken gerät und realisiere blitzschnell warum. Er weiß meinen Namen ja gar nicht. Den habe ich ja ganz bewusst verschwiegen: »Ähm, Lucy. Lucy Richter.«

»... Ja, er soll sich bitte Lucy ansehen. Sie hatte einen Unfall und wurde angefahren.«

Die Empfangsdame versucht ein Grinsen zu unterdrücken.
»Nehmt kurz im Wartezimmer Platz, ich sage Prof. Dr. Heine Bescheid, dann schiebt er Lucy dazwischen.«
Sie scheint es zu amüsieren, dass Leo meinen Namen nicht auf Anhieb wusste. Ich frage mich, ob Leo öfter hier mit fremden Damen auftaucht. Ein so gutaussehender Mann würde bestimmt kein Single mehr sein.
»Komm, wir setzen uns hin. Ich warte mit dir«, sagt Leo einfühlsam.

Ich kann nicht begreifen, wie dieser Mann so eine 360-Grad Drehung hinlegen kann. Eben musste er noch so dringend ins Büro und jetzt hat er alle Zeit der Welt und liest mir praktisch jeden Gedanken von den Lippen ab.

»Danke, dass du mich hergebracht hast. Das bedeutet mir sehr viel. Ich verbinde mit Krankenhäusern schlechte Erinnerungen. Aber du brauchst wirklich nicht mit mir warten. Du musst doch sicher ins Büro.« Leo's Gesichtsausdruck wandelt sich von besorgt in bedrückt »Es ist meine Firma, weißt du? Eigentlich habe ich alle Zeit der Welt. Es tut mir Leid wegen vorhin. Wirklich. Das ist eigentlich nicht meine Art«, sagt er einfühlsam mit einem so weichen Blick, dass ich dahinschmelzen könnte. Wie kann man nur so gut aussehen? Sein drei Tage Bart schimmert an den Wangen und seine blauen Augen leuchten. Wie gerne würde ich diesen rauen Bart berühren...

»Frau Richter, würden Sie mir bitte folgen?«, ertönt eine Frauenstimme aus dem Flur und unterbricht meine Gedanken. Ich reagiere direkt und versuche langsam aufzustehen. Leo sieht mich an und sagt: »Ich warte hier auf dich, versprochen!«
Also drehe ich mich um und folge ich der Dame beruhigt in das Besprechungszimmer.

»Nehmen Sie schon mal hier Platz, der Professor kommt gleich.«
Kaum in der Lage zu antworten, stelle ich beeindruckt fest, was für einen wahnsinnigen Ausblick das Untersuchungszimmer bietet. Und zwar mit Blick über den Stadtpark. Die Fenster sind bodentief und bieten einen wirklich atemberaubenden Blick. Gerade steuere ich den bequem aussehenden Sessel im Behandlungsraum an, als ich bemerke, wie unglaublich übel mir plötzlich wird. Ich blicke mich rasch nach einem Mülleimer um, finde einen, den ich mir direkt schnappe und übergebe mich. Genau in diesem Moment tritt der Professor in das Untersuchungszimmer. Shit – warum denn genau jetzt, denke ich frustriert.

»Sie scheint es ordentlich erwischt zu haben, Frau Richter. Ich bin Professor Dr. Heine und schaue mir mal ihre Blessuren an. Leo hat mir schon gesagt, dass Sie aus persönlichen Gründen kein Krankenhaus aufsuchen möchten. Nun dies wäre wirklich zu empfehlen gewesen. Aber ich werde sehen was sich machen lässt, in Ordnung?«

Der Professor reicht mir ein Taschentuch und ein Glas Wasser, welches auf seinem Schreibtisch bereit steht. Ich nicke dankend. Er untersucht mich eine Weile und macht diverse Tests bevor er mich zum Röntgen schickt. Die Sprechstundenhilfe, die mich zuvor auch in den Behandlungsraum geleitet hatte, bringt mich auch zum Röntgen und im Anschluss wieder direkt in den Behandlungsraum. Da dies ziemlich viel Zeit in Anspruch nimmt, bin ich mir nicht sicher, ob Leo noch im Behandlungszimmer wartet.

»So Frau Richter, die Ergebnisse liegen soweit vor. Sie haben eine Gehirnerschütterung und eine Prellung im Ellenbogen – kein Bruch. Es sieht so weit alles gut aus, scheint als hätten Sie großes Glück gehabt«, teilt mir der Professor mit.

»Sie sollten sich heute und morgen Ruhe gönnen und die Arbeit ausnahmsweise mal ausfallen lassen. Ich schreibe Sie den Rest der Woche krank.«

»Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für mich genommen haben.«, sage ich dankbar. Der Professor nickt zufrieden und verabschiedet mich. Auf die Uni werde ich aber nicht verzichten. Leider kann ich es mir nicht erlauben den Stoff von einer Woche zu verpassen. Aber das muss der Prof. ja nicht wissen.

Als ich den Warteraum betrete sehe ich Leo, der noch immer auf mich wartet.

»Da bist du ja, alles in Ordnung?«

»Ja, alles halb so wild. Könntest du mich bei der Uni absetzen? Sonst verpasse ich noch zu viel Stoff. Und danke, dass du mich hergebracht hast. Wirklich, das bedeutet mir mehr als du dir vorstellen kannst.« Leo nickt zufrieden, steht auf und schiebt mich behutsam in Richtung Fahrstuhl.

Als wir auf den Fahrstuhl warten, tigert die blonde Empfangsdame auf uns zu und fasst Leo kurzerhand an die Schulter

»Kommst du heute Abend auch in Rules? Daniel hat den VIP-Bereich gebucht und einige Leute eingeladen. Ich fände es toll, dich mal wieder zu sehen«, funkelt sie Leo an.

»Ja, warum nicht. Wir sehen uns später!«

Sichtlich begeistert dreht sich die blonde Dame ab und geht zurück zu ihrem Schreibtisch. Ich bin nicht erstaunt darüber, dass Leo im Rules verkehrt. Schließlich ist dies einer der angesagtesten Clubs der Stadt. Der VIP-Bereich ist für mich weder bezahlbar noch würden sie mich diesen überhaupt betreten lassen.

Faces - Enough for love?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt